Hoch hinaus

Kran
12.08.2014

Von: Wolfgang Pozsogar
Vom Einsatz auf engen Citybaustellen bis zur Montage von Windkraftanlagen in schwindelnden Höhen: Die neuen Krane bieten clevere Lösungen.

Damit selbst auf engsten innerstädtischen Baustellen ein Kran problemlos eingesetzt werden kann, haben sich die Hersteller einiges einfallen lassen. Fast so etwas wie die Quadratur des Kreises gelang dabei dem deutschen Hersteller KSD-Kransysteme: „Wir sind die Einzigen mit so einer Lösung am Markt“, sagt Vertriebsverantwortlicher Frank Bernhard über den Citykran des Unternehmens. 

Er ist nicht der Einzige, der sich von diesem Gerät begeistert zeigt. Kranvermieter Andreas Harbeck aus dem oberösterreichischen St. Radegund hat vor kurzem einen solchen Kran erworben. Er sagt: „Den Citykran kann man nicht mit einem anderen Kran vergleichen, das ist ein völlig neues Segment, das es auf dem Markt in dieser Form nicht gibt.“ Die Besonderheit des so gelobten Modells: Der Citykran bietet die Vorteile eines Untendrehers, also er lässt sich rasch auf- und abbauen und einfach transportieren. Im Gegensatz zu anderen Untendrehern ist der Ballast aber nicht auf der Drehbühne, sondern am Unterwagen montiert, erklärt Bernhard: „Da der Ballast nicht mitschwenkt, können wir den Kran um zwei Meter näher an einem Gebäude aufstellen und damit mehr Ausladung ­bieten.“ 

Wenig Platz, viel Leistung

Andreas Harbeck, der rund 70 Krane verschiedenster Hersteller in seinem Mietpark hat, formuliert das so: „Der Kran bringt die Leistungen eines Obendrehers und braucht weniger Platz als ein Untendreher.“ Sein neues Modell steht derzeit auf einer Baustelle in München: „Dort sind nur 4,40 Meter Platz für den Kran – kein Problem, denn der Unterwagen misst 4,20 mal 4,20 Meter, und er schwenkt über dieses Maß nicht hinaus“, sagt Harbeck. Trotzdem bietet der Kran viel Leistung: Die Hakenhöhe beträgt 36 Meter, mit dem 50-Meter-Ausleger können immerhin noch 1,3 Tonnen gehoben werden, die maximale Hubleistung beträgt sechs Tonnen. 

Eine andere pfiffige Lösung für beengte Baustellen bietet der italienische Hersteller Gelco: Seine – nomen est omen – Clever-Schnellmontagekräne verfügen über ein per Viertaktmotor angetriebenes Gestell mit Vierradlenkung und einem dritten Teleskopturm. Durch diese Konstruktion kann der Kran in Vertikalstellung sicher fahren und selbst in schma­le Hinterhöfe oder durch enge Gassen manövriert werden. Der dritte Teleskopturm reduziert dabei die Länge des für den Transport eingefahrenen Kranes um 45 Prozent. Die Grazer Firma Dreger hat zum Beispiel den Clever Kran G2626 TTBE mit 25 Meter Ausladung und 29,5 Meter Hakenhöhe im Mietprogramm: „Dieser Kran hat abgebaut eine Baulänge von nur 11,50 Metern“, erzählt Daniela Dreger. 

Kran mit Sockel

Ein weiteres cleveres Detail des Clever-Kranes ist der hydraulisch anhebbare Krangrundrahmen, mit dem sich der Sockel in die Höhe schieben lässt. Damit kann der Kran selbst auf Gehsteigen, Straßen oder vor Hauseinfahrten aufgestellt werden, denn unterhalb des Sockels bleibt ein Verkehrsweg offen. Neben dem Clever-Kran hat Dreger die Schnellein­satzkrane von Condecta mit einer Ausladung von 24 bis 43 Meter und Tragkräften von 0,8 bis 5 Tonnen im Programm. Sie werden ebenfalls in Italien produziert, sind komplett feuerverzinkt und verfügen über einen stufenlosen, elektronisch gesteuerten Antrieb, der für ruckfreies und präzises Arbeiten sorgt.

Die kleineren Hersteller von Kranen versuchen überhaupt mit Besonderheiten zu reüssieren. Kammerlander KML etwa, ein Unternehmen, das in Schönaich in Baden-Württemberg seinen Hauptsitz hat und eine Niederlassung im Tiroler Ort Umhausen unterhält, bietet Untendreher von 15 bis 36 Meter Hubhöhe sowie Obendreher mit Höhen von zwölf bis 200 Metern, Ausladungen von 24 bis 85 Metern und maximalen Tragkräften von drei bis 24 Tonnen. Die Obendreher verfügen über ein spezielles Programm für die Frequenzsteuerung: „Es werden die Drehungen des Turms, der Wind und das Pendeln des Auslegers so gegeneinander verrechnet, dass die Last in jeder Situation positioniert werden kann“, erklärt Armin Kammerlander. 

Die Funktechnik kann sich ebenfalls sehen lassen: Zu ihren Highlights zählen Client-Server-Architektur, beleuchteter Touchscreen, Datenaustausch via Bluetooth, Reichweite bis 200 Meter und eine integrierte Arbeitsbereichsbegrenzung. Für die Untendreher gibt es Transportfahrwerke für spezielle Anforderungen sowie selbstfahrende Raupenfahrwerke mit Stromaggregat zur Umsetzung auf der Baustelle.

Großkran von Liebherr

Wobei die großen Kranproduzenten natürlich ebenfalls ihre Stärken haben. Liebherr etwa präsentierte auf der Bauma als Neuheit den größten Serienkran aus der Baureihe der EC-H-Krane, das Modell 1000 EC-H. Er wird in vier unterschiedlichen Ausführungen angeboten: Für hohe Traglasten an der Spitze stehen als Zwei-Strang-Ausführungen eine 20- bzw. eine 25-Tonnen-Version zur Verfügung, maximale Traglasten von 40 bzw. 50 Tonnen werden mit zwei Laufkatzen und Vierfach-Einscherung erreicht.
Bei der Konstruktion des Riesen hat man, so Liebherr, auf schnelle und einfache Montage sowie Optimierung der Transportgrößen und -gewichte geachtet. Auslegerteile können im 1000-HC-Turmsystem geschachtelt transportiert werden, der Gegenausleger lässt sich für den Transport in vier Teile zerlegen. Liebherr bietet für diesen Großkran Standardhubwerksvarianten mit 65 kW oder 110 kW sowie ein neuentwickeltes Drei-Gang-FU-Hubwerk mit 110 kW an. Natürlich gibt es auch alle Vorteile des Litronic-Kransteuerungssystems wie Maschinendatenerfassung oder Lastmomentbegrenzung.

Klettermaxe

Speziell für die Montage von Windkraftanlagen brachte Liebherr den 1000 EC-B auf den Markt. Geboten werden eine maximale Traglast von 125 Tonnen in der Sechs-Strang-Ausführung bzw. 100 Tonnen in der Vier-Strang-Ausführung. Der Kran ist für die Montage von Windkraftanlagen mit sehr hohen Nabenhöhen ab 120 Metern prädestiniert. Er verfügt nämlich über eine völlig neue Klettereinrichtung, die besonders schnelles und sicheres Klettern für diese Höhen ermöglicht. Der Kran klettert doppelt so schnell wie mit einer herkömmlichen Klettereinrichtung bis auf eine Hubhöhe von 170 Metern. In dieser Position kann selbst bei Windgeschwindigkeiten bis 18 m/s die komplette Windkraftanlage mit Turmsegmenten, Gondel und Rotorblättern montiert werden.

Wolffkran, ein weiterer großer Anbieter von Turmdrehkranen, hat als Neuheit heuer den spitzenlosen 7032clear in zwei Ausführungen vorgestellt: „Wir setzen mit diesen Neuheiten im Bereich Montagefreundlichkeit und Sicherheit neue Maßstäbe und reagieren mit der spitzenlosen Bauweise auf die Anforderungen moderner, innerstädtischer Baustellen“, sagte Peter Schiefer, geschäftsführender Gesellschafter von Wolffkran, auf der Bauma über die Stoßrichtung dieser Neuheiten.

Unkomplizierter Auf- und Abbau

Den neuen Laufkatzkran gibt es in einer Zweistrangausführung mit einer maximalen Tragfähigkeit von 8,5 Tonnen als 7032.8clear. Der 7032.12clear kommt mit einer automatischen Umscherung zwischen Zwei- und Vier-Strang-Betrieb auf den Markt. Im Zwei-Strang-Betrieb können Traglasten bis zu 8,3 Tonnen, im Vier-Strang-Betrieb bis zu zwölf Tonnen gehoben werden. Überzeugen wollen die neuen Krane auch durch einen unkomplizierten und komfortablen Aufbau aller Tragkonstruktions- und Steuerungsteile. Die Ausleger lassen sich bei beiden Versionen von 25 m auf 70 m in 2,5 m Schritten erweitern. Bei voller Auslegerlänge kann der 7032.8clear immer noch ein Gewicht von 3,2 Tonnen, der 7032.12clear von 2,9 Tonnen heben. In beiden Ausführungen ist der Kran mit leistungsstarken Hubwinden à 45 kW oder 75 kW ausgerüstet. Mit der meist nachgefragten 75-kW-Winde sind Hubhöhen bis 460 m im Zwei-Strang-Betrieb und Hubgeschwindigkeiten bis 185 m/min möglich. 

Kabinenkomfort

Eine weitere heuer vorgestellte Novität von Wolffkran wird vor allem die Fahrer begeistern: eine neue Kabine, die mehr Platz, viele Annehmlichkeiten und bessere Sicht bietet. Entspannt sitzend im ergonomischen geformten Arbeitsstuhl, lassen sich alle wichtigen Funktionen des Krans über die auf den Armlehnen befindlichen Joysticks und Taster steuern. Dazu gibt’s neue Technikfeatures wie ein Radio mit SD-/USB-Anschluss und Bluetooth-Freisprecheinrichtung und sechs Steckdosen. Getränkekühler/-wärmer sowie optional einen vielseitig einsetzbaren Touch-Panel-PC.

Ganz vorn mit dabei am Kranmarkt ist auch Potain. Das ursprünglich französische Unternehmen gehört heute zum US-Mischkonzern Manitowoc, der neben den Turmdrehkranen auch Raupen- und Mobilkrane bietet und außerdem der weltweit größte Hersteller von professioneller Gastrotechnik ist. Unter der Marke Potain werden in Frankreich, Italien, Portugal und China mehr als 60 Kranmodelle hergestellt. Das Produktprogramm umfasst Schnellmontagekrane, Obendreher und große, maßgefertigte Sondereinsatzkrane.

Schwergewicht zur Selbstmontage

In Westösterreich wird Potain von der Firma Laurer, in Ostösterreich von Stirnimann-Laurer vertreten. Das Schwergewicht in Österreich liegt bei den Schnellmontagekranen, mit denen es aber oft hoch hinaus geht: Das Tiroler Bauunternehmen Rieder etwa setzt seine Schnellmontagekrane Igo T 85 A auch im Hochgebirge ein. Der T 85 A Modell ist die leistungsstärkere Version des T 85 mit neuen Dreh- und Hebemechanismen, einer um 150 kg erhöhten Tragfähigkeit und einer um drei Meter erweiterten Arbeitshöhe.

Die maximale Tragfähigkeit des Igo T 85 A beträgt sechs Tonnen, seine Arbeitshöhe kann bei horizontal stehendem Hilfsausleger zwischen 20 m und 38 m eingestellt werden. Die maximale Tragfähigkeit an der Spitze beträgt 1,4 t. Neu unter den Potain-Selbstmontagekranen ist der Igo M 14. Gegenüber der Igo-13-Serie, die er ersetzt, bietet er mit 19 Metern eine um drei Meter verlängerte Hubhöhe und damit – so Potain – „mehr als jeder vergleichbare Kran in dieser Tragfähigkeitsklasse“. Um kompaktere Abmessungen am Einsatzort zu erreichen, lässt sich das Gegengewicht des Krans bei Verringerung der Hubfähigkeit näher am Mast montieren. In dieser Version kann der Igo M 14 maximal 1,8 t heben; diese Leistung wird bei Ausschöpfung des vollen 22-m-Radius auf 0,5 t reduziert.

Strahlender Einsatz

Vier der größten Krane von Potain (MR 605 B H32 mit einer maximalen Tragfähigkeit von 32 t und einem 60-Meter-Arbeitsradius) stehen derzeit rund 1.000 Kilometer östlich von Österreich bei einem der außergewöhnlichsten Bauprojekte im Einsatz: Sie errichten die neue Schutzhülle für die radioaktiven Überreste des Kernkraftwerkes Tschernobyl. 26 Jahre nach der Katastrophe herrscht am Einsatzort noch immer hohe Radioaktivität. Die dort Beschäftigten tragen Vollschutzanzüge und Atemgerät sowie ein Dosimeter, außerdem wurden alle Kabinen für die Arbeit an dem Projekt mit einer zusätzlichen Bleiisolierung versehen. Die Kranfahrer dieser Baustelle gehören zu den am besten bezahlten der Welt. Aber der Einsatz hoch über den strahlenden Kernkraftwerksruinen dürfte trotzdem nicht jedermanns Sache sein.

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