Feinste Handarbeit

Spengler
10.03.2015

Wilhelm Kyral fertigte einst Blumenvasen für Friedhöfe, Ziertüren für Kamine und hämmerte Tisch-, Tür- und Torsockel – maschinell oder von Hand, je nach Kundenwunsch. Davon könnte Ludwig Kyral der Dritte heute nicht leben. Doch das Handwerk seines Urgroßvaters hat er weitergeführt. 

Kunstgewerbliche Metallarbeiten“ war der Überbegriff im Gründungsjahr des Familienunternehmens 1910. „Feinste Handarbeit aus Messing, Kupfer, Zink und Nirosta“, beschreibt Ludwig Kyral sein Angebot im Jahr 2015. Dazwischen ist viel passiert. Aber die Kyrals sind ihrem Handwerk treu geblieben. Ludwig Kyral ist Kunstspengler und Gürtler und führt den Wiener Traditionsbetrieb in vierter Generation. 
„90 Prozent unserer Tätigkeit sind Anfertigungsarbeiten, davon rund ein Drittel Ornamente für Spengler, Beleuchtungskörper und Teile dafür, Messing für den Innenraum – von Spiegelrahmen über Handläufe bis hin zum Kamingitter, Metallverkleidungen im Objektbereich und Vitrinen aus Messing oder Eisen“, erzählt Kyral. Speziell für Dachhandwerker fertigt er Gaupenvorderteile, Schindeln, Ziergrate, Ziergehänge, Voluten, Wetterfahnen, Zierspitzen, Vasen oder Wasserspeier. Die Aufträge kommen zum überwiegenden Teil von Stammkunden, teilweise schon über Generationen, und über Mundpropaganda herein. 
Nicht nur die Kunden, auch das handwerkliche Geschick hat Ludwig Kyral offensichtlich von seinen Vorfahren übernommen. Und als gleichnamiger Enkel und Sohn war es auch ohne Zwang irgendwie logisch, dass Ludwig Kyral jun. einen technischen Ausbildungsweg wählte. 1979 maturierte er am TGM, einer bekannten Wiener HTL, im Fach Betriebstechnik (entspricht heute Wirtschaftsingenieurswesen). „Diese Matura zählt in zirka 40 Berufen als Lehrabschluss, nicht aber im Gürtlergewerbe“, schmunzelt er. Also zum Vater ins Unternehmen, das Handwerk des Spenglers gelernt und mit Meisterprüfung abgeschlossen. Ein kurzer Fluchtversuch in die Entwicklungshilfe endete bereits nach einem Wochenende: „Ich dachte, ich muss noch mal die Welt retten, bin aber drauf gekommen, dass ich nicht kann, was dort eigentlich gebraucht wird.“ Und als Kyral an der Universität für angewandte Kunst seine jetzige Frau kennengelernt hatte, zog er es vor, sein Glück doch eher in Wien zu suchen. Zur Kunst hatte Ludwig Kyral übrigens auch schon immer einen besonderen Bezug (vielleicht auch vererbt?), also besuchte er als Gasthörer die Klasse Metalldesign von Carl Auböck an der Angewandten. 1985 legte er schließlich noch die Meisterprüfung zum Gürtler ab. Beste Voraussetzungen, um im Jahr 1995 den Betrieb von Vater Ludwig dem Zweiten zu übernehmen. 
Heute sind im Familienunternehmen sieben Mitarbeiter tätig, sechs davon in der Werkstatt (darunter zwei Frauen). Sie sind gelernte Spengler, Goldschmiede, Gürtler und Metallschleifer. Und die fünfte Generation Kyral steht schon in den Startlöchern: Der älteste Sohn hat die Doppellehre Dachdecker/Spengler absolviert, ist derzeit in einem anderen Betrieb tätig und macht daneben die Matura. Der zweite Sohn hat bereits maturiert und studiert Produktdesign. Beide Söhne wollen in den elterlichen Betrieb. Die fünfzehnjährige Tochter besucht gerade ein Gymnasium mit Schwerpunkt Design. Also weiterhin gute Aussichten für feinste Wiener ­Handarbeit. 

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Dach + Wand