Holzwerkstoffe am dichten Attikahochzug

Holz
12.01.2015

Die Zuverlässigkeit von Holzunterkonstruktionen aus OSB-Holzwerkstoffplatten auf Attika- und Mauerkronen, die als indirekte Befestigungsebene unterhalb von Metallabdeckungen eingesetzt werden, stehen seit geraumer Zeit in Diskussion.
Der Einsatz von OSB-Platten unterhalb von Verblechungen wird seit einiger Zeit kontrovers diskutiert.

Der Grund für die Diskussionen war folgender: Bei zahlreichen Bauvorhaben mit OSB-Holzwerkstoffplattenunterkonstruktionen wurden gelockerte Haftstreifen sowie Attikaab­deckungen festgestellt, deren Ursache auf ein „Austreiben“ von Befestigungsmittel zurückzuführen war. Ausgetriebene Befestigungsmittel verformten punktuell die Attika- und Mauerabdeckungen, oder sie wurden unter Einfluss von Windsogkräften zur Gänze abgetragen. Diese Probleme waren sehr häufig in Kombination mit OSB-Holzwerkstoffplatten als Montageuntergrund zu beobachten – was aber nicht weiter verwunderlich war, da in der Vergangenheit überwiegend OSB-Holzwerk­stoffplatten zum Einsatz kamen. In der Scha­dens­ursachenforschung wurden anfangs primär die Befestigungsmittel, also Nagel oder Schraube, betrachtet. Doch schon bald wurde immer deutlicher, dass diese nicht das Thema waren, sondern dass es auch andere Faktoren zu berücksichtigen gilt. 

Warum die in OSB-Holzwerkstoffplatten an sich gut zu verankernden Befestigungsmittel extrahieren, hängt primär ab vom Feuchteeinfluss in Kombination

  • mit aufzunehmenden Schubkräften,
  • geringer Formstabilität mit konkavem Aufwerfen der Plattenränder,
  • vertikal wirkenden Auszugskräften oder
  • Vibrationen durch Windeinwirkung ab.

Ein eher geringer Einfluss auf die Nagelauszugsfestigkeit kann in der Holzwerkstoffplattendicke gesehen werden. Signifikante Unterschiede in der Nagelauszugsfestigkeit bei einer 22 oder 24 Millimeter dicken Werkstoffplatte lagen nicht vor.

Falsche Botschaft?

In den vergangenen zwei Jahren wurde ein intensiver Diskussionsprozess zum Thema „geeignete Holzwerkstoffplatten unterhalb von Metallabdeckungen“ gestartet, um diese neu zu definieren. In einschlägigen Expertenforen und bei Veranstaltungen wie z. B. dem Dachkongress war von anerkannten Experten schon seit geraumer Zeit zu vernehmen, dass sogenannte OSB-Holzwerkstoffplatten als genormtes Mindestleistungsmaß nicht mehr Berücksichtigung finden sollten. Empfohlen wurde stattdessen, Leimholz- oder Holzdreischichtplatten zu verwenden.
Die Aussagen der Experten standen jedoch immer im Kontext mit gezeigten Schadensbildern, die aufgequollene oder vermorschte OSB-Holzwerkstoffplatten darstellten. Wie es Botschaften aber so an sich haben, werden diese nach oftmaliger Überlieferung aus dem Zusammenhang gerissen. Auf einmal hatte sich in der Dachbranche die Meinung gebildet, dass OSB-Holzwerkstoffplatten als Unterkonstruktion für Metallabdeckungen nicht geeignet wären.
Und so werden täglich fertiggestellte und funktionierende Attikakonstruktionen, nur um einer Botschaft Genüge zu tun, rückgebaut, also die OSB-Holzwerkstoffplatten gegen Holzdreischichtplatten ausgetauscht. Das eigentliche Übel, dass primär der Einfluss von Feuchtigkeit durch unterschiedliche Prozesse die Holzwerkstoffplatten zerstört, trat dabei ein wenig in den Hintergrund.

Schädigende Feuchtigkeits­anreicherungen 

Schädigende Feuchtigkeitsanreicherungen an Attika- oder Mauerkronenkonstruktionen werden unter anderem begünstigt durch:

  • Luftströmungen aufgrund eines mangelhaften Fassadenanschlusses,
  • zu hohe Materialfeuchtigkeit der eingebauten Holzwerkstoffplatten und oftmalige Abdeckung mit diffusionsdichten Stoffen, 
  • Niederschlagswassereintritte durch undichte Metallabdeckungen sowie
  • Kondeswasserbildung.

Auch in Deutschland hat es in der Vergangenheit in den aktuellen Fachregeln des Klempner- und Dachdeckerverbands Änderungen hinsichtlich der Spanplatten und OSB-Platten gegeben, die „als nicht oder nur bedingt verwendbar“ klassifiziert wurden. 
Da liest man etwa bei unseren deutschen Kollegen: „Hintergründe für diese Auslegung in der Fachregel waren ebenfalls das Feuchteverhalten von Holzwerkstoffen hinsichtlich Bindemittelabbaus und Längenausdehnungen unter Feuchtewechsel. Unter einer langfristigen Befeuchtung wurden nicht nur undichte Dachbahnen, Fehlstehlen in Metallabdeckungen, sondern auch bauphysikalisch bedingte Einflüsse genannt. Dadurch können Holzwerkstoffplatten befeuchtet werden, wodurch die Ausgleichfeuchtigkeit der Holzwerkstoffplatte ansteigt und je nach verwendeten Bindemitteln zu einem Festigkeitsverlust führt. Bei einer Auswaschung oder Emittierung des Bindemittels kommt es meistens zu Span­ablösungen und Verlusten in der Querzugfestigkeit. Weiters ist mit einer schwer einschätzbaren Herabsetzung der Nagelauszugsfestigkeit zu rechnen. Die Höhe des Festigkeitsverlustes ist abhängig von der Art und Länge des Feuchtigkeitseintrags bzw. von der darauf resultierenden Holzfeuchte.“
Genannt werden unterschiedliche OSB-Plattentypen mit unterschiedlichen Bindemitteln wie zum Beispiel Kunstharzverleimung sowie Polyurethan-Klebstoffe. Diese Platten haben unterschiedliches Feuchtigkeits- und Festigkeitsverhalten. Für den Handwerker ist im Regelfall nicht immer klar festzustellen, um welchen exakten Plattentyp es sich dabei handelt. Auch konnte der Ursprung der Holzwerkstoffplatten, an denen in der Vergangenheit Schäden aufgetretenen waren, nicht immer eindeutig recherchiert werden“, resümieren die Kollegen aus Deutschland.

Fazit

Konstruktionen aus OSB-Holzwerkstoffplatten unterhalb von Attikaverblechungen oder Mauerkronenabdeckungen werden gemäß den einschlägigen ÖNormen „nicht verboten“, nach den Fachregeln für Bauspenglerarbeiten als nicht geeignet deklariert. Sonderlösungen (gleichbedeutend mit Sonderkonstruktionen) können umgesetzt werden, bedingen aber einer gesonderten Vereinbarung mit dem Auftraggeber!
Unter Berücksichtigung der aktuellen ÖNormen könnten OSB-Holzwerkstoffplatten als Unterkon­struktion eingesetzt werden, sofern die langfristige Funktionstauglichkeit des fertiggestellten Gewerks nicht anzuzweifeln ist. 
OSB-Holzwerkstoffplatten als direkte Unterkon­struktion für Verblechungen jeglicher Art stellen nach den Fachregeln für Bauspenglerarbeiten Sonderkonstruktionen dar. Wie solche Sonderkonstruktionen zu lösen sind, kann nur projektspezifisch festgelegt werden. Aber bitte nicht vergessen, es gilt die „Informationspflicht an den Auftraggeber“.
An die praktische Umsetzung einer Sonderkon­struktion wird in erster Linie das Attribut „keine unzulässige Feuchtigkeit an die Holzwerkstoffplatte kommen lassen“ gestellt. Parallel dazu sind beispielsweise die Befestigungsabstände etwa der Einhängebleche zu verringern und/oder die Materialstärke der Einhängebleche zu erhöhen, um Vibrationen durch Windsog zu reduzieren, und/oder es sind anstatt glatter Nageltypen gerillte Nageltypen zu verwenden, und/oder es wird geraten, Holzschrauben einzusetzen, die aufgrund der Gewindegeometrie einen höheren Auszugswert sicherstellen, und/oder Verblechungen zu verkleben etc.
Wenn diese OSB-Holzwerkstoffplatten jedoch als indirekte Unterkonstruktion wie zum Beispiel als Abdichtungsbahnenrücklage im Attikabereich zum Einsatz kommen, ist eine Verwendung nicht zu untersagen.

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Dach + Wand