Ziviltechniker sehen Berufsstand bedroht

Ziviltechnikergesetz
14.09.2020

Aufgrund eines Urteils des EuGH muss das Berufsgesetz der Ziviltechniker geändert werden. Diese sehen ihren Berufsstand bedroht.

Die EU gibt etwas vor, und Österreich schießt über das Ziel hinaus: So sehen es zumindest die Ziviltechniker, die aufgrund eines Gesetzesentwurfs der Regierung nach einem EuGH-Urteil eine Übererfüllung der Vorgaben und eine Gefährdung der Unabhängigkeit des Berufsstands fürchten. 

Was bisher geschah

Seit Jahren übt die EU Druck auf nationale Berufsregeln aus, da die EU-Kommission zu strenge Auflagen bei „Freien Berufen“ und ­einen Verstoß gegen die Dienstleistungsrichtlinie, die den freien Binnenmarkt fördern soll, ortete. Der Republik Österreich brachte deshalb 2017 eine Klage ein. Im letzten Jahr folgte das Urteil, da zahlreiche berufsrechtliche Beschränkungen der Ziviltechniker, Tierärzte und Patentanwälte gegen das EU-Recht verstoßen würden. Um Straf­zahlungen zu vermeiden, hat das Wirtschaftsministerium nun ein Gesetz auf den Weg gebracht, das Teile der Vorschriften ­lockert. In einem ersten Schritt betrifft das die rund 9.000 Ziviltechniker in Österreich. „Wir Ziviltechniker haben als mit öffentlichem Glauben versehene Personen eine besondere Vertrauensbasis mit ­unseren Klienten und mit etwa der Erstellung von öffentlichen Urkunden, Behördenverfahren, Kontrollfunktionen eine Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit. Unsere Unabhängigkeit ­gegenüber Herstellerinteressen und Monopolisten ist der Garant für die hohe Qualität, die wir in unseren vielfältigen Planungs­bereichen ­leisten“, sagt Rudolf Kolbe, Präsident der Bundes­kammer der ZiviltechnikerInnen. 

Scharfe Kritik

Doch genau diese Unabhängigkeit könnte durch die Gesetzesnovelle stark aufgeweicht werden. Der Entwurf sieht nämlich vor, dass künftig nur 50 Prozent des Kapitals von Ziviltechnikergesell­schaften von berufsbefugten Ziviltechnikern, Ziviltechniker­gesellschaften oder interdisziplinären Ziviltechnikergesell­schaften gehalten werden müssen. Außerdem soll durch die Novelle die Möglichkeit geschaffen werden, dass Ziviltechniker künftig inter­disziplinäre Gesellschaften mit Angehörigen anderer Berufe bilden, um andere Tätigkeiten als jene des Zivil­technikerberufs auszuüben. Vor allem am letzten Punkt stoßen sich die Berufsvertreter und sehen ihre Unabhängigkeit in ­Gefahr. „Durch Verschachtelungskonstrukte könnte die Beteiligung von Ziviltech­nikern in ZT-Gesellschaften derart verwässert werden, dass die Ziviltechniker ­ihren maßgeblichen Einfluss verlieren“, sagt Bundes­kammer-Präsident Kolbe. Zudem befürchtet er, dass durch die Übererfüllung der EU-Vorschriften die Grundfesten des Berufsstands – nämlich die strikte Trennung von Planung und Ausführung – ins ­Wanken gebracht würden. „Inter­disziplinäre ­Gesellschaften dürfen sich nicht an ‚­reinen‘ ZT-Gesell­schaften beteiligen. Damit wäre dem EuGH-Urteil Genüge getan und der Verbraucherschutz gesichert“, so die Meinung von Kolbe.

Schritt in Richtung Liberalisierung

Etwas anders sehen das hingegen Wettbewerbsrechtler. Die Befürchtung der Berufsvertreter, dass dadurch Gold-Plating, also die Übererfüllung der EU-Standards, entsteht, sei nicht gerecht­fertigt. „Der Entwurf des Ziviltechnikergesetzes bezieht sich nur auf die verpflichtende Umsetzung des EuGH Urteils und geht nicht darüber hinaus“, sagt Sarah Fürlinger, Spokeswoman der Bundeswett­bewerbsbehörde. Vielmehr gehe der Entwurf ­einen Schritt weiter in Richtung Liberalisierung: „Die ­Gefahr der Überregulierung sollte nicht unterschätzt werden, da dies auf Kosten des Wirtschaftswachstums gehen kann. Und Österreich ist im Vergleich zu anderen EU-Ländern sicher ein Staat, der eine sehr hohe Regulierungsdichte aufweist.

"Es braucht unabhängige Experten"

Die Berufsvertreter, die Bundeskammer und die vier Länderkammern ­kämpfen derzeit jedenfalls vereint für eine Änderung der Gesetzesvorlage. Eine entsprechende Stellungnahme zur ZTG-Novelle ­befand sich für jeden unterstützbar bis 11. ­September auf der Website des Parlaments. „Wir kämpfen weiter, weil wir der Überzeugung sind, dass unsere Gesellschaft auch weiterhin kritische, hochqualifizierte und ­unabhängige Experten braucht“, so Kolbe

Karl Glanzing: "Nachschärfung bei Argen notwendig"

Grundsätzlich ist die aktuell in Vorbereitung befindliche Novellierung des Ziviltechnikergesetzes (ZTG) 2019 sehr zu begrüßen. Eine Öffnung des ZTG hinsichtlich interdisziplinärer Gesellschaften war aus Sicht der Bauwirtschaft überfällig. 
Um das ZTG unionsrechtskonform zu gestalten, wird 
im vorliegenden Entwurf – neben einigen anderen Änderungen – ein neuer, fünfter Abschnitt (§§ 37a–37f) eingefügt.
Überraschend ist jedoch, dass der – aus Sicht der Bauwirtschaft bedeutende – § 23 Abs. 3 ZTG unverändert bleiben soll. Demgemäß wären Argen mit Ziviltech­nikern (als Gesellschaften nach bürgerlichem Recht) auch in Zukunft nur dann zulässig, wenn der Gewerbetreibende, mit dem diese gebildet wird, zu ausführenden Tätigkeiten nicht berechtigt ist. Durch dieses Verbot wäre die Bildung einer Arge zwischen einem Zivil­techniker und einem (uneingeschränkten) Baumeister oder Baugewerbetreibenden nicht möglich, und Baumeister würden – sofern diese an der Arge und in ­weiterer Folge an dem Auftrag interessiert sind – dazu gezwungen werden, ihre Gewerbeberechtigung auf rein planende Tätigkeiten einzuschränken. 
Warum die Bildung einer interdisziplinären ZTG-­Gesellschaft zwar für Kapitalgesellschaften erlaubt sein soll, für Gesellschaften nach bürgerlichem Recht jedoch nicht, ist nicht nachvollziehbar. Meines Erachtens müsste auch das in § 23 Abs. 3 ZTG festgeschriebene „Arge-Verbot“ ersatzlos entfallen.

Karl Glanzing,
Vorsitzender Ausschuss Planungsrecht, Gebühren und Sachverständigenfragen der BI BAu

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