Fachkräftemangel im Bau: „Wir mussten bei uns selbst anfangen“
Markus Mittermüller
08.09.2025
Ein schlechtes Image am Arbeitsmarkt, zu wenig Lehrlinge, baldige Pensionierungen: Die Firma BZ-Bau stand vor einer Herausforderung, die viele Bauunternehmen kennen. Heute zeigt sie, wie ein tiefgreifender Kulturwandel gelingt und warum Führung dabei der wichtigste Baustoff ist.
Die Situation wirkt paradox: Wirtschaftlich ist die Firma BZ-Bau, seit 2002 auf die Errichtung von Fertigkellern und Fundamentplatten spezialisiert, äußerst erfolgreich. Das Bauunternehmen mit der Zentrale in Schrems genießt ein hohes Ansehen bei Kund*innen und Lieferant*innen, die Auftragslage ist gut. Und trotzdem ist der Wurm drin. Das Unternehmen findet kaum Lehrlinge oder gute Fachkräfte, fertig ausgebildete Lehrlinge verlassen den Betrieb. Was die Lage noch verschärft: einige langjährige Mitarbeitende stehen kurz vor der Pensionierung, insgesamt kämpft das Unternehmen gegen Mitarbeiterabgang. Kann ein Kulturwandel das Unternehmen aus der Schieflage retten?
„Wir hatten am Arbeitsmarkt einfach keinen guten Ruf und vertreiben damit unsere Mitarbeitenden selbst.“ Jürgen Zeiler
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Veränderung beginnt innen
Die Frage, die Zeiler, einer der drei Geschäftsführer bei BZ-Bau, zu diesem Zeitpunkt beschäftigt hat, betrifft derzeit wohl viele Unternehmen – und das nicht nur in der Baubranche: Wie kann ich meine besten Mitarbeitenden halten und gleichzeitig motivierte, qualifizierte Fachkräfte finden? Dass kurzfristige Einzelmaßnahmen dafür nicht ausreichen, war ihm klar.
„Es hat keinen Sinn, wenn wir nur nach außen hin Marketing machen und uns damit gut verkaufen wollen. Wir müssen intern mit Veränderungen ansetzen, die dann nach außen wirken.“ Jürgen Zeiler
Heute, etwas mehr als eineinhalb Jahre nach dieser Einsicht, wirkt das Unternehmen wie ausgewechselt. Die Anzahl der Mitarbeitenden wächst kontinuierlich, neue Lehrlinge docken an und ein neues Lehrlingsprogramm steht in den Startlöchern. Noch dazu haben sich die Effizienz-Kennzahlen des Unternehmens wesentlich verbessert. Was ist in den vergangenen Monaten passiert?
Das „Zauberwort“ heißt Employer Branding. „Dieser Begriff – und die damit verbundenen Chancen und Strategien – sind vielen Unternehmer*innen nicht geläufig oder werden auf reine Werbekampagnen reduziert“, sagt Cristoph Fabikan. Er ist Gründer der Employer Branding Agentur Belistic und beschäftigt sich seit 2015 intensiv mit den Veränderungen am Arbeitsmarkt.
Klare Vision
Ende 2023 hat er die Zusammenarbeit mit der Firma BZ-Bau gestartet – mit dem Ziel, eine attraktive Unternehmenskultur zu etablieren, um das Image am Arbeitsmarkt zu heben. Mit der ehrgeizigen Vision, das Unternehmen bis Ende 2026 als Top-Arbeitgeber, Top-Ausbildungs- und damit Leitbetrieb zu positionieren.
Klingt gut, doch wie lässt sich das in der Praxis umsetzen? Vor allem in einer Branche, in der – wie auch Zeiler sagt – der Umgangston oft rau ist. Und – was sicher viele Branchen betrifft – das Verständnis dafür fehlt, wie die junge Generation tickt.
Führung neu denken
Fabikan hat ein zweijähriges Programm entwickelt, mit dem er genau Probleme wie diese löst. Im Zentrum des Programms steht der Führungskulturwandel: Vom Polier zur Führungskraft – wer Teams leitet, muss sich auch als solche begreifen. In vier Modulen lernen die Teilnehmenden, wie man mit Empathie führt, rhetorisch wirksam kommuniziert, den Wertewandel der Arbeitswelt versteht und durch überzeugendes Auftreten zum Vorbild wird. Der Fokus liegt dabei auf Freiwilligkeit, persönlichem Wachstum und einer klaren Haltung.
“Führung beginnt bei einem selbst.” Cristoph Fabikan
25 Führungskräfte, Poliere, Bauleiter und die Geschäftsführung waren beim Kick-off des Programms dabei. Und durchaus überraschend: alle haben sich freiwillig dazu bekannt, Teil der Veränderung sein zu wollen. Dass im Laufe dieses Prozesses auch harte Entscheidungen zu treffen sind, war Zeiler durchaus bewusst: „Nicht alle Mitarbeitenden werden bei dieser Entwicklung mitziehen, es ist auch eine Art Reinigungsprozess“. Der entscheidende Hebel für einen erfolgreichen Wandel, liegt bei der Geschäftsführung selbst. „Veränderung passiert erst dann, wenn der Geschäftsführer selbst daran glaubt und es vorantreibt. Der Geschäftsführer muss Träger der Veränderung sein“, ist Fabikan überzeugt.
Zeiler ist diesen Weg daher bewusst mitgegangen: „Ich habe viele Kolleg*innen neu kennengelernt, vor allem auch ihre private Seite. Die Offenheit und das Vertrauen, das da entstanden ist, kann man nicht von oben verordnen“. Seitdem treffen sich Fabikan und die Führungskräfte alle zwei Wochen, um sich durch Workshops, Rollenspiele oder auch Vorträge neue Perspektiven im Umgang miteinander zu eröffnen. Heute spürt man die Wirkung im ganzen Betrieb, auf mehreren Ebenen.
Messbare Erfolge
Die Zahl der Bewerbungen ist gestiegen, neue Lehrlinge starten motiviert ins Berufsleben. Der große Unterschied: Viele Neuzugänge kommen heute auf Empfehlung der eigenen Mitarbeitenden – ohne Inserate, ohne Prämien. Das spricht für eine Betriebskultur, die nach außen wirkt. Auch wirtschaftlich rechnet sich der Kulturwandel: Bei gleicher Mannschaftsgröße wurden zuletzt mehr Baustellenstunden geleistet, ohne dass die Qualität leidet. Besonders stolz ist man auf das neue Lehrlingsprogramm, das derzeit in der Umsetzung ist. Ein erfahrener Mitarbeiter aus der ersten Führungskräfterunde hat freiwillig die Funktion des Lehrlingsbeauftragten übernommen – eine Position, die zuvor lange vakant war. Er begleitet neue Auszubildende vom ersten Tag an, gibt Feedback, vermittelt Werte und baut Brücken zwischen Generationen.
Fortnite-Challenge
Was ebenfalls neu ist: Das Unternehmen hat es gelernt, über den Tellerrand zu blicken. „Manche Ideen klingen im ersten Moment ziemlich unkonventionell. Aber genau das brauchen wir, um uns zu entwickeln“, sagt der Geschäftsführer. Ein Beispiel dafür ist die kommende Waldviertler Jobmesse 2025 in Schrems, auf der die Firma BZ-Bau präsent sein wird. „Viele von den Führungskräften, die wir im ersten Durchgang ausgebildet haben, werden vor Ort präsent sein, um die Firma zu vertreten und mit Lehrlingen zu sprechen. Aber auch, um zu lernen, dass die Arbeit ihres Teams auf der Baustelle trotzdem weiterläuft, auch wenn sie nicht dabei sind“, so Zeiler.
„Wer sich keine Gedanken über Mitarbeitende und Lehrlingsausbildung macht, wird als Unternehmen irgendwann aussterben.“ Cristoph Fabikan
„Und es wird dort auf dem Stand des Unternehmens eine Fortnite-Challenge geben, die per se gar nichts mit dem Beruf zu tun hat. Aber so können wir junge Menschen erreichen und bei ihnen in Erinnerung bleiben und sie zur Bewerbung motivieren“, ergänzt Fabikan.
Generation Z “tickt anders”
Der Arbeitsmarkt verändert sich, junge Generationen ticken anders. Am 18. September 2025 findet deshalb in der WKNÖ-Bezirksstelle Gänserndorf der erste Weinviertler Employer Branding Kongress statt. Von 12.30 bis 19.30 Uhr erwartet die Teilnehmenden ein vielfältiges Programm mit Vorträgen, Best-Practice-Beispielen, Workshops und einem Roundtable zur Generation Z. Organisiert wird der Kongress von Cristoph Fabikan in Kooperation mit der WKNÖ.
Die Fragen im Fokus: Was bewegt Menschen heute bei der Jobsuche? Wie gelingt der Umgang mit der Generation Z? Wie können Unternehmen Mitarbeitende langfristig binden?
Termin-Tipp:
Weinviertler Employer Branding Kongress 2025 – Neue Blickwinkel auf Kulturwandel in der Führung und Personalgewinnung
Wann: 18. September 2025, 12.30 bis 19.30
Wo: WKNÖ-Bezirksstelle Gänserndorf
Mit dabei: Cristoph Fabikan, Karl Grünstäudl, Karina Kraus, Marion Kapellner, Alexander Kaulich, Doris Hublik sowie Philipp Teufl und Manuela Krendl
Eintritt: frei
Mehr Infos zum Event und zur Anmeldung finden Sie hier.
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