Gogl Architekten: Wertschätzung heißt das Zauberwort
Monika Gogl und Hildegard Platzer-Rieder kennen sich schon lang. Sie sind der Urkern von Gogl Architekten, die mit ihren Shopkonzepten einen wichtigen Markt erobert haben. Aber auch sonst hat die Architektengruppe mit zwei Bürostandorten in Lans in Tirol und im salzburgischen Saalfelden wichtige Impulse gesetzt. FORUM hat die beiden Architektinnen in Lans getroffen, um auch ein wenig mehr über die Ausrichtung dieses frauendominierten Büros zu erfahren. Gretl Köfler im Gespräch mit Monika Gogl und Hildegard Platzer-Rieder

Woran arbeiten Sie zurzeit gerade?
Gogl: An einem Speditionsgebäude in einem alten Vierkanthof in Passau und einem begleitenden großen Einfamilienhaus. In der Nähe von München planen wir den Umbau eines denkmalgeschützten Bauernhofs zum Wohnbau mit eigenem Gemüsegarten und Schwimmteich; weiters sanieren wir ein denkmalgeschütztes Haus in der Münchner Innenstadt mit Dachbodenausbau und Stöcklgebäude, um die aktuell wichtigsten Projekte zu nennen.
Sind Sie eigentlich ein frauendominiertes Büro?
G.: Einst waren wir vorwiegend Frauen, nicht aus Gendergründen, sondern wegen der Qualifikation der Mitarbeiter. Seit fünf oder sechs Jahren haben wir regelmäßig etwa zwei bis drei Männer im Team. Wobei man sagen muss, dass der Urkern des Büros weiblich ist.
Platzer-Rieder: Ich arbeite seit 2004 im Team und gehöre also zum sogenannten Urkern. Bei der Mitarbeitersuche haben wir oft an eine bessere Durchmischung gedacht, aber die sich bewerbenden Frauen passten einfach immer besser ins Team und haben gute Qualifikationen mitgebracht.
Sie arbeiten in zwei Büros: in einem in Lans in Tirol und einem zweiten in Saalfelden. Wie geht das denn?
G.: Das hat sich so ergeben, weil Frau Platzer nach Leogang zurückgekehrt und Nina Steinbacher nach Zell am See übersiedelt ist. Da haben wir einfach ein zweites Büro gebraucht.
Pl.: Wir arbeiten sehr eng zusammen, so als säßen wir im selben Büro. Wir haben Zugriff auf den gleichen Server und skypen regelmäßig. Durch die beiden Standorte können Baustellen je nach Entfernung effizienter bedient werden. Meist fahre ich auch einmal wöchentlich nach Lans.
Wie gestaltet sich Ihre Auftragsakquise?
G.: Wir beteiligen uns an Wettbewerben, aber wegen unserer kleinen Struktur beteiligen wir uns jährlich höchstens an ein oder zwei Verfahren. Reine Akquise haben wir nicht viel gemacht. Vieles, was wir bisher gebaut haben – Büros, Einfamilienhäuser, Hotels oder Shops – sind leicht zugängliche Projekte, die Leute sehen sie, und potenzielle Auftraggeber fragen dann bei uns an. Eine Homepage haben wir erst seit einem Jahr, weil das Team befunden hat, es wäre an der Zeit.
Sie haben beim Haus Walde in Kitzbühel an einem herausfordernden Ort gebaut.
Können Sie dazu mehr erzählen?
G.: Der Bauplatz befindet sich räumlich in extremer Nähe zum historischen denkmalgeschützten Haus des Malers Alfons Walde, das er selbst gebaut und bewohnt hat. Das neue Haus ist eine Auftragsarbeit für die Enkelin Waldes und ihres Mannes; die Mutter – die Tochter von Alfons Walde – wohnt immer noch im Haupthaus. In Summe ist das eine Generationenwohnstruktur. Der von uns neu erbaute Lebensraum wurde mehr als Landschaftsstruktur konzipiert, um dem Bestandshaus keine Konkurrenz zu machen und zur Bildung eines stimmigen Ensembles.
Wie halten Sie es denn mit dem Denkmalschutz?
G.: Im Vergleich zu Deutschland haben wir in Tirol großes Glück. Unser Denkmalpfleger ist sehr aufgeschlossen und konstruktiv, einfach großartig! In anderen Ländern ist die Umsetzung oft schwierig. Ich bin absolut keine Gegnerin des Denkmalschutzes, aber ich finde, es sollte einen kreativen Prozess geben, damit in der gemeinsamen Auseinandersetzung etwas Gutes entsteht. Dieses prozessuale Arbeiten zwischen Behörde und Architekten liegt den Österreichern offensichtlich mehr. Es gibt meist ein offenes Gespräch auf Augenhöhe und konstruktive Möglichkeiten in Absprache mit den Behörden. In München komme ich mir eher wie eine Bittstellerin vor, das läuft in eine ganz schlechte Richtung – speziell für die Bauherren, die dadurch erhebliche Mehrkosten in Kauf nehmen müssen.
Wie stehen Sie – auch in diesem Zusammenhang – zum kontroversiellen Thema der Dämmung?
G.: Ich selbst wohne in einer bezaubernden Sommervilla, die allerdings ein wenig zugig und schwer beheizbar ist. Ich muss zugeben, das bedeutet zeitweise eine Einschränkung der Lebensqualität. Prinzipiell bin ich der Meinung, dass wir in allen Dingen ein bisschen das Maß verloren haben, weil das Bauen eigentlich nicht mehr finanzierbar ist. In den vergangenen acht Jahren sind die Preise für das Bauen um mehr als die Hälfte gestiegen. Früher kostete ein Holzfenster 800 Euro, heute 1.300 Euro. Man hat uns mit Gesetzen niedergeknüppelt und verlangt immer mehr, etwa Dreifachisolierverglasungen usw. Alles muss so dicht sein, dass man nicht gar mehr atmen kann und wegen des Schimmels gesundheitliche Probleme kriegt. Das ist widersinnig und gegen jeden Hausverstand. Es wird zusehends auch ein Problem für die Handwerker, weil solche Auflagen gar nicht mehr erfüllbar sind. Diese Überperfektion muss man hinterfragen, und das traue ich mich auch, offen zu kommunizieren. Ich bin seit 18 Jahren selbstständig. Früher habe ich für Bürokratisches weniger Zeit benötigt, inzwischen geht dafür mehr als ein Viertel meiner Arbeitszeit drauf. Vieles ist auch ohne die vorgeschriebenen Auflagen machbar. Maß und Ziel wäre mein Vorschlag!
Sie hatten schon früh Erfahrung mit behindertengerechtem Bauen.
G.: Das Haus Schweiger habe ich in den Neunzigern geplant, da war ich noch sehr jung. Zu jener Zeit war Behindertengerechtigkeit noch kein großes Thema. Der Bauherr war seit seiner Jugend an den Rollstuhl angewiesen. Vom Rollstuhl aus hat man eine ganz andere räumliche Perspektive. Wir versuchten in diesem Projekt, den Naturbezug aus der Perspektive des Bauherrn in all seinen Möglichkeiten räumlich zu zelebrieren. Das Grundstück war ein Restgrundstück im Kerngebiet des Dorfes, sehr steil und schwierig zu bebauen. Ursprünglich wurde der Plan von der Behörde nicht genehmigt, aber nach einem doch sehr langen Kampf und aufgrund des von unserer Architektursprache überzeugten Bauherrn wurde das Haus Jahre später mit einer Interpretation des vorgeschrieben Satteldachs gebaut.
Pl.: Die Bauleitung des Hauses Schweiger war 2004 mein erstes Projekt für Gogl Architekten. Wegen meiner damaligen Nähe zur Baustelle in Sistrans hatte ich Frau Gogl angeboten, die Baustelle abzuwickeln. Da die Zusammenarbeit − trotz schlechterer Vernetzung − sehr gut funktionierte, wurden aus diesem ersten „Einspringen“ inzwischen zehn Jahre der Zusammenarbeit. Beim behindertengerechten Bauen geht es in erster Linie darum, dass alle, auch ältere, gebrechlichere Menschen möglichst viele gebaute Räume nutzen können. Man spricht ja in diesem Zusammenhang auch von Barrierefreiheit.
G.: Mir erscheint es sinnvoll, wenn in jedem Wohnbau drei oder vier Wohnungen behindertengerecht gestaltet sind, nicht sinnvoll erscheint mir, alles behindertengerecht auszuführen, weil es zu teuer ist und auch einige nicht sinnvolle Beschränkungen mit sich bringt. Ganz Süditalien und viele Bergbauerndörfer könnten wir zusperren, wenn alles behindertengerecht sein müsste.
Sie haben den Ruf, Spezialisten für Shopkonzepte zu sein.
G.: Wir bekommen viele Anfragen in diesem Bereich. Ich denke, dass wir das Thema Retail inzwischen gut beherrschen. Es ist meistens ein Bauen im Bestand, und mir geht’s dabei um den Raum. Wenn das räumliche Konzept stimmt, ergeben sich die anderen Sachen von selbst. Beim Off-&-Co-Laden in München gab es drei Geschoße und zwei fette Säulen. Unser verbindendes Element war die Holzwand als Warenträger und räumliches Verbindungselement über drei Geschoße. Es bildet das Rückgrat des Ladens, und der Rest hat sich dazuformiert. Die Ware ist der wahre Star, der Laden das Bühnenbild. Das Mobiliar kann die Mode hervorheben, ohne dass es sich selbst wichtig nimmt.
Und welchen Bezug haben Sie zum Möbelbau?
G.: Viele der neuen Designermöbel passen selten in einen 30 Quadratmeter großen Wohnraum, darum entwerfen wir so viel selber. Ich bin früh mit Sechzigerjahremöbeln in Berührung gekommen, ein Pott-Besteck und einen Bertoia-Stuhl hat es auch in Tirol schon gegeben und zudem die bäuerliche Stube, die ihre eigene Qualität und Maßstäblichkeit hatte. Unsere Entwürfe werden von unseren Tischlern und Schlossern gefertigt, wir experimentieren gemeinsam viel und bauen andauernd Prototypen. Meine Handwerker sind offen für Experimente. Dabei steht der Arbeitsaufwand eigentlich in keinem Verhältnis zum Verdienst, aber es macht glücklich.
Pl.: Ich habe vor meinem Architekturstudium ein Kolleg für Möbelbau- und Innenausbau absolviert und auch eine Zeit lang bei einem Innenarchitekten mitgearbeitet. Ich denke, so intensiv wie sich unser Büro mit allen Bereichen, mit Hochbau und Innenarchitektur bis hin zu Möbeldesign, beschäftigt, ist für ein Büro unserer Größe eher selten. Im Idealfall erhält der Kunde ein genau auf seine Bedürfnisse abgestimmtes Gesamtpaket. Diese verschiedenen Aufgabenfelder machen unsere Arbeit extrem spannend und abwechslungsreich.
Was ist Ihr Lieblingsmaterial?
G.: Mein Lieblingsmaterial ist alles, was altert, sich irgendwie verändert. Ich bin eigentlich für Pro-Aging bei allen Materialien, auch im Leben. Im urbanen Raum ist Holz oft nicht richtig, weil man da wunderbar mit alten Putzen wie Kalkputz, Beton und Stein arbeiten kann. Es gibt auch ein absolutes No-Go für mich: Womit ich noch nie gebaut habe und nie bauen werde, sind Kunststofffenster. Material hat eine Seele, hat einen Geruch, hat eine energetische Schwingung. Das macht viel für die Energie eines Hauses aus. Gleichzeitig finde ich den Arbeitsprozess ganz wichtig. Mit geht es um das Handwerk, das vom Aussterben bedroht ist und zu wenig geschätzt und unterstützt wird. Das Besondere an unserem Büro ist, dass wir sehr intensiv mit unseren Handwerkern arbeiten: Tischler, Schlosser, Maler, Bodenleger, Trockenbauer und Fensterbauer. Ich bin viel in ihren Werkstätten, und wir probieren viel gemeinsam aus. Wir haben einen Pool von Handwerkern, mit denen wir intensiv zusammenarbeiten. Wenn wir eine entfernte Baustelle haben, etwa in Bonn, dann nehmen wir die Handwerker einfach mit; da arbeiten dann eben viele Österreicher.
Sie verwenden den Ausdruck „Wertschätzung“, wie ist das zu verstehen?
G.: Mir geht es um Wertschätzung in jeder Hinsicht, für den Ort und die Menschen. Es gibt unveränderliche Grundsätze, Schwingungen, die sind einfach da, die übertragen sich. Und wenn das quantenphysische Prinzip von Anton Zeilinger stimmt, dann schwingt alles und jeder. Solche Schwingungen übertragen sich auch auf eine Gruppe. Ich hätte nicht immer die gleichen Handwerker, wenn es ihnen nicht auch gefallen würde, gemeinsam mit uns zu arbeiten. Jede Baustelle ist ein gruppendynamischer Prozess, und es stellt sich nur die Frage, wie man das bewältigt. Jeder schätzt die Arbeit des anderen. Wenn die Menschen, mit denen ich arbeite, nicht das Gefühl hätten, dass ich sie wertschätze, würde niemand die Mühsal auf sich nehmen. Es hat offensichtlich nicht nur mit Geld zu tun.
Wie sehen Sie Ihre Arbeit als Architektin?
G.: Wir Architekten arbeiten 70 Prozent unserer Lebenszeit, da ist viel Unnotwendiges dabei, das gebe ich ehrlich zu, aber die Arbeit an sich macht große Freude. Meine Lehrer haben gesagt: Ein Architekt muss leiden, und das war die Architekturerziehung meiner Generation. Ich habe mich davon ein wenig befreien können. Mein Job ist ein kreativer Job, ein Organisationsjob, ein Buchhaltungsjob – ein umfassender Beruf mit viel Freude, Kommunikation und Austausch.
Gogl Architekten: “Unsere Entwürfe werden von unseren Tischlern und Schlossern gefertigt, wir experimentieren gemeinsam viel und bauen andauernd Prototypen. Meine Hand werker sind offen für Experimente. Dabei steht der Arbeitsaufwand eigentlich in keinem Verhältnis zum Verdienst, aber es macht glücklich.”