Londoner Chic am Wiener Gürtel

Redaktion Architektur & Bau Forum
19.03.2013

In wenigen Wochen wird das Hotel Falkensteiner Wien-Margareten eröffnet. Die Sanierung des einst unattraktiven Bürogebäudes aus den Siebzigern könnte, sollte doch hoffentlich Wellen schlagen für den Umgang mit alter Bausubstanz. Witzig ist die Kombination der unterschiedlichen Handschriften: Wo David Chipperfield draufsteht, ist Matteo Thun drin.

Wenn wir das Okay bekommen, soll das ein Vorzeigehaus werden“, hieß es noch im Oktober 2010. Heute, zweieinhalb Jahre später, steht das Projekt kurz vor Fertigstellung und ist vor allem eines: ein Vorzeigebeispiel für Umgang und Umnutzung alter, ungeliebter Bausubstanz aus den nicht gerade schönsten Jahren der Architekturgeschichte.

Rückblick: In den Siebzigerjahren siedelte sich die Zentrale des Nahrungsmittelkonzerns Nestlé Österreich am Wiener Margaretengürtel an, nur einen Straßenblock vom Wiental entfernt. Die Lage war ob des sich vorbeikolonnisierenden Verkehrs mehr als prominent, die Architektur war es nicht. Hässliche Seventies-Fassade, verspiegeltes Glas, veraltete Baustruktur und eine grauenvolle, weil kaum existente Haustechnik waren die Eckdaten dieses Bürogebäudes, in denen die Nestléaner ihre Arbeitszeit absitzen mussten.

Während der Schweizer Konzern mittlerweile in den Office Campus Euro Plaza auf dem Wienerberg übersiedelt ist, entsteht auf dem aufgelassenen Grundstück im fünften Bezirk das Flaghsip-Hotel der Südtiroler Falkensteiner Michaeler Tourism Group (FMTG). Ein Bauteil wurde wegen seines schlechten Zustands komplett abgerissen, zwei Bauteile wurden entkernt und umgebaut. Vorentwurf und Entwurf für das ganze Ensemble stammen von David Chipperfield, für die Gestaltung der Zimmer und Innenräume zeichnet Hotelzampano Matteo Thun verantwortlich. Ein spannendes Gespann. Ende Mai soll das 195 Zimmer umfassende Niedrigenergie-Vier-Sterne-Superior-Hotel eröffnet werden.

„Die Bausubstanz der beiden Siebzigerjahrebauteile war kaum zu brauchen“, erinnert sich Thomas Gratzer, Projektleiter bei der FMTG-Tochter Michaeler & Partner, die für die technische Abwicklung des gesamten Projekts zuständig ist. „Eigentlich mussten wir das gesamte Haus bis auf den nackten Beton abreißen, und nicht einmal der konnte überall erhalten bleiben.“ Aufgrund der gewählten Hotelstruktur mussten Stiegenhaus und Liftgruppe versetzt werden. Massive Abbruch- und Neubauarbeiten innerhalb des bestehenden Stahlbetonskeletts waren die Folge. Auch viele Stützen im Bereich der Fassade und des neugeschaffenen vertikalen Erschließungskern mussten von 40 Zentimeter Tiefe auf 60 Zentimeter Tiefe verstärkt werden. In Teilen des Erdgeschoßes griffen die Statiker sogar auf konstruktiven Stahlbau zurück. „Wie bei jedem Umbau ist das statische Konzept alles andere als konventionell, weil für jedes Detail eine eigene Lösung gefunden werden muss“, sagt Gratzer. „Unser Glück war jedoch, dass es vom Bestandsgebäude noch rund hundert Einreich- und Bestandspläne gab, auf die wir zurückgreifen konnten.“ Allen Anstrengungen zum Trotz war die Erhaltung der alten Substanz – 90 Prozent des Stahlbetons konnten erhalten werden – unterm Strich dennoch deutlich wirtschaftlicher, aber vor allem ökologischer als die Variante Abbruch und Neubau.

Während die lichte Raumhöhe in den bestehenden Geschoßen zwischen 2,50 und 2,65 Meter beträgt, wurde das Dachgeschoß, in dem sich die Suiten und der gesamte Spa-Bereich befinden werden, aufgestockt. Die Überhöhung gegenüber der für dieses Grundstück geltenden Bauklasse IV beträgt rund 3,20 Meter. Der berühmte Paragraf 69 der Wiener Bauordnung kam hier zum Einsatz. „Doch dafür“, meint Gratzer, „haben wir mit der Stadt Wien einen Kubaturtausch vorgenommen. Wir haben den einst sehr breiten Erker zum Gürtel hin um die Hälfte verschmälert, und so ist die Bruttogeschoßfläche gegenüber dem alten Nestlé-Haus mehr oder weniger gleich geblieben.“  Nebeneffekt von Paragraf 69: Durch die Überhöhung ist die rechnerische Grenze für klassische Blockrandbebauung um 40 Zentimeter überschritten. Offiziell handelt es sich beim neuen Falkensteiner Hotel Margareten somit um ein Hochhaus. Gratzer: „Nachdem die Überhöhung aber so gering ist, konnten wir uns mit der Feuerpolizei einigen, dass wir auf einige technische Hochhausauflagen verzichten können. Der Rest war Verhandlungssache.“ Konkret: Feuerwehrlift und bauliche Maßnahmen gegen Brandüberschlag an der Fassade mussten ausgeführt werden, die Regelung für druckbelüftete Stiegenhäuer bei Hochhäusern wurde jedoch als gegenstandslos betrachtet.

Was die Haustechnik betrifft, wurde das neue Falkensteiner Hotel ans Wiener Fernwärmenetz angeschlossen. Der alte Öltank aus Nestlé-Zeiten ist Geschichte. Die Zimmer werden über Magic Air, eine Art Fancoil, mechanisch belüftet und auf diese Weise gekühlt und geheizt. Die Fenster sind nicht öffenbar. Lediglich an der Hoffassade lassen sich die Fenster zu Reinigungs- und Wartungszwecken öffnen. Die gesamte Haustechnikzentrale ist auf die drei Untergeschoße verteilt, wo sich auch eine Tiefgarage mit 58 Stellplätzen befindet. Augenfälligstes Merkmal des Hotelhauses ist die Straßenfassade. David Chipperfield entschied sich, bei diesem Projekt seinem klassischen Repertoire aus Lisenen und tiefen Fensternischen treu zu bleiben. Anders als beim Kaufhaus Peek & Cloppenburg in der Kärntner Straße jedoch handelt es sich dabei um eine Elementfassade aus bronzefarbenem, eloxiertem Alumi nium (A6C31). Die Fensterbreiten unterliegen einem 30-Zentimeter-Raster und variieren von Geschoß zu Geschoß, womit eine Art Barcode-Effekt entsteht. Das wichtigste Element der Straßenfassade fehlt allerdings noch: In den kommenden Wochen werden die rund 38 Zentimeter tiefen vertikalen und horizontalen Lisenen montiert. Dann wird sich die heute noch flache Fassaden­ebene in ein elegantes, golden schimmerndes Relief verwandeln. Farbe und Form der Fassade sind keineswegs nur gestalterische Willkür. Durch die bronzefarbene Eloxierung soll der Straßenstaub des Gürtels weniger auffallen, und die tiefen Lisenen sind nicht zuletzt eine Verschattungsmaßnahme für die straßenseitig aufgefädelten Zimmer. Ihr Beschattungseffekt ist so groß, dass sie sogar in die Heiz- und Kühllastberechnung des Hauses miteinbezogen wurden.

„Die Fassade ist sicherlich einer der größten Auftragsposten dieses Projekts“, meint Architekt Nik Stützle, Projektleiter bei VT. „Wir haben uns sehr genau an die Vorgaben von Chipperfield gehalten, aber die Kombination der sehr klaren, reduzierten Formensprache mit technischen Anforderungen wie etwa Drei-Scheiben-Isolierverglasung, entsprechendem Schallschutz und diffizilen Ecklösungen im Bereich zwischen Gürtel und Gasse waren nicht einfach.“ Schönes Detail am Rande: Auch im Innenraum soll eine rund acht Zentimeter tiefe Lisene die Fensterstöße verdecken. Dadurch entsteht eine optische Verbindung zwischen innen und außen.

In den Zimmern selbst regiert eine für Matteo Thun typische, verspielt-süße Note mit unterschiedlichen Hölzern, Stoffmustern und einer Tapete hinter dem Betthaupt, auf der Cup-Cakes und grafisch abstrahierte Tortenstücke schweben. Man wähnt sich in Alices Wunderland. Der wohl außergewöhnlichste Aspekt der Innenraumgestaltung: Zwischen Zimmer und Bad gibt es einen geschickt in die Raumaufteilung integrierten Schminktisch. „So ein Beauty- und Vanity-Bereich mit Licht und Spiegel in einem Standardzimmer ist eine Premiere“, sagt Otmar Michaeler, Geschäftsführer der Falkensteiner Michaeler Tourism Group, auf Anfrage von Architektur & Bau FORUM. „Damit wollen wir vor allem auch auf die Bedürfnisse unserer weiblichen Klientel Rücksicht nehmen.“

Und überhaupt ist die geplante Hauptkundschaft des Hotels: urban, lifestylish, individuell. „Ich denke, dass sich der Hotelmarkt in den letzten Jahren in Wien sehr gut entwickelt hat“, so Michaeler. „Die durchschnittliche Auslastung im Vier- und Fünf-Sterne-Bereich liegt bei 70 bis 75 Prozent. Das ist ein guter Wert. Für attraktive Nischenprodukte ist der Markt meines Erachtens noch nicht ausgeschöpft, für gehobene Durchschnittshotels sehr wohl.“  Ende Mai wird eröffnet. Die Zimmerpreise fangen bei rund 150 Euro pro Nacht an. Das Gesamtinvestitionsvolumen beläuft sich auf 31 Millionen Euro. Damit liegt das Falkensteiner Hotel mit Errichtungskosten von 160.000 Euro pro Zimmer im guten Kalkulationsschnitt dieser Hotelkategorie. Eine Zertifizierung laut ÖGNI ist geplant.

logo

Newsletter abonnieren

Sichern Sie sich Ihren Wissensvorsprung vor allen anderen in der Branche und bleiben Sie mit unserem Newsletter bestens informiert.


Ich bin ein Profi