Praxiswissen zur Gefälleausbildung
Die ÖNorm B 3691 Planung und Ausführung von Dachabdichtungen in der Ausgabe vom 1. 12. 2012 sagt über das Gefälle Folgendes aus: „Unter dem Begriff Regelgefälle ist die Neigung einer Dachfläche in Falllinie zu verstehen und muss mindestens 2 % aufweisen. Die Erhöhung des Regelgefälles gegenüber den vor 1. 12. 2012 gültigen Normenwerken beträgt somit 0,2 %." Dies betrifft grundsätzlich massive Bauteile, wo es zu keiner weiteren Formänderung im Untergrund kommt. Achtung: Unter Formänderung ist beispielsweise auch die Durchbiegung des Untergrundes unter nutzungsbedingter Belastung zu verstehen.

Neigung von Profilblech- und Holzdachaufbauten
Speziell zur Neigung von Profilblech- und Holzdachaufbauten wird in der ÖNorm B 3691 sehr klar Position bezogen: „Das Regelgefälle beträgt mind. 3?%. Eine Reduktion des Regelgefälles auf 2% wie bei massiven Bauteilen wäre nur dann zulässig, wenn die Dimensionierung der Profilbleche oder Holzdecken auch bei ungünstigen Lastfällen (z. B. maximale Schneelast auf der Dachfläche) das Regelgefälle von 2 % nicht unterschreiten lassen.” Eine Reduktion um ein Prozent des zwei- oder dreiprozentigen Regelgefälles ist nur in kleinflächigen Quergefällebereichen, deren Kehlen zu den Entwässerungspunkten orientiert sind, zulässig. Dies betrifft beispielsweise kleinflächige Gegengefällekeile zu Entwässerungsgullys, die häufig im Dachrandbereichen eingesetzt werden.
Zulässige Unterschreitung des Regelgefälles
Im Sanierungsfall einer Dachfläche stellen sich vielfach Probleme mit Hochzugshöhen ein, insbesondere bei Dachrand-, Wand- und Türanschlüssen. Dies berücksichtigt die ÖNorm B 3691 insofern, als eine Unterschreitung des Regelgefälles zulässig wird. Bei Dächern der Kategorie K1 und Kategorie K2 darf das Regelgefälle dann um 50 Prozent unterschritten werden. Dies ergibt beispielsweise bei Dächern der Kategorie K2, dass in Falllinie gemessen ein Mindestgefälle von einem Prozent sichergestellt sein muss, sofern die Abdichtungsbahn auf Kategorie K3 aufgewertet wird. Die durch erhöhten Wasseranstau auf der Dachfläche anfallenden zusätzlichen Lasten müssen statisch berücksichtigt werden.
Damit sich die Stauwasserflächen jedoch nicht zu großflächig ausbreiten, sind die Entwässerungsabläufe mit einem maximalen Abstand von zwölf Metern zueinander und beispielsweise von der Attika weg mit maximal sechs Metern reglementiert.
Problematik Stauwasser
Abschließend sei noch erwähnt, dass in der ÖNorm B 3691, aber auch in der Werksvertragsnorm ÖNorm B 2220 ganz klar formuliert wird, dass auf flach geneigten Dächern eine Anstauung von Niederschlagswasser etwa durch Überhöhungen von Nahtüberdeckungen, zulässigen Ebenheitstoleranzen im Untergrund, Kumulation von Toleranzen der Dachbaustoffen etc. nicht verhindert werden kann. Eine Begrenzung der flächigen Ausdehnung oder Festlegung der lokalen Stauhöhe wurde nicht geregelt.
Für den Planer wäre künftig bereits im Planungsprozess eine nicht unwichtige Frage mit seinem Auftraggeber zu klären: Wie viel Stauwasser darf auf der Dachfläche verbleiben? Letztendlich wird bereits in der Planung z. B. durch die Wahl der Baukonstruktion, baustatischen Dimensionierung, Beachtung gültiger Toleranzen hinsichtlich Ebenflächigkeit und der zur Anwendung kommenden Baustoffe die Stauwassersituation signifikant beeinflusst. Der Auftraggeber ist aufzuklären, dass stauwasserfreie Dachflächen wirtschaftlich erheblich aufwändiger sind als normgemäße Dachflächen.
Verarbeitungsempfehlungen bei Herstellung der Dachneigung
In der ÖNorm B 3691 wurde zum Thema „Gefälle” eine richtungsweisende Formulierung gewählt, die besagt, dass das Gefälle grundsätzlich im tragenden Untergrund herzustellen ist. Im darauffolgenden Satz wird (natürlich) auch erörtert, dass Dachaufbauten mit Gefälledämmung zulässig sind. Der Hintergrund zu dieser Formulierung mag vielleicht erst nach genauerer Analyse verständlich werden.
Gefälle im tragenden Untergrund
Zwei wesentliche Aspekte sprechen für die Ausbildung des Gefälles bereits in der Unterkonstruktion durch z. B. Gefällebeton, der bereits auf der Ortbetondecke aufgebracht wird. Gefällebeton, vielfach auch als Gefälleestrich bezeichnet, wird im Regelfall mit Betonzuschlagsstoffen geringerer Korngröße hergestellt, als dies bei der klassischen Ortbetondecke der Fall ist. Damit wurde eine nicht unwesentliche Voraussetzung geschaffen, dass die Oberfläche des Gefällebetons mit weniger „Betonierstress” ausreichend ebenflächig und glatt abgezogen werden kann.
Weiters wird schon beim Profilieren des Gefällebetons die Aufmerksamkeit der Baubeteiligten auf die Neigung in Richtung Entwässerungseinrichtung gelenkt und ein mögliches Fehlen derartiger Entwässerungseinrichtungen frühzeitig bemerkt. So werden bei nicht in Gefälle verlegten Untergründen die Platzierungen der Entwässerungseinrichtungen häufig erst im Zuge der Dachausführung festgelegt.
Die an sich verpflichtende Prüfleistung des Bauwerksabdichters besteht darin, dass dieser, wenn er auf die Baustelle kommt, den für ihn vorbereiteten Untergrund mittels Wasserwaage überprüft. Gefällekorrekturen im Untergrund, aber auch Abweichungen hinsichtlich Ebenheitstoleranzen gemäß DIN 18202 können zu diesem Zeitpunkt noch durch z. B. mineralische Spachtelungen durchgeführt werden.
Bei bituminöser Dampfsperre wird dann im Regelfall der Voranstrich aufgebracht und die Dampfsperre – je nach Anforderung – vollflächig oder teilflächig mit dem Untergrund verklebt. Auch wenn Dampfsperren im Regelfall nicht als Notabdichtung zu missbrauchen sind, bieten sie jedoch im Zuge der Ausführung der Bauwerksabdichtungsarbeiten einen nicht unwesentlichen Witterungsschutz. Kommt es nun im Zuge der Bauphase zu einem unerwarteten und plötzlichen Niederschlagsereignis, fließt Wasser auf der Dampfsperrebene oder dem bereits partiell hergestellten Dachschichtenaufbau in Richtung Entwässerungstiefpunkt. Das ist ein wesentlicher Aspekt zur Reduktion von Folgeschäden.
Aufbauten mit Gefälledämmung
Der Vorteil eines „Gefälledämmdachs” liegt unbestritten darin, dass im Regelfall eine raschere Bauzeit möglich ist, da beispielsweise der Arbeitsschritt und die Trocknungszeit des Gefällebetons wegfällt. Speziell bei Holzdeckenkonstruktionen wäre auch das Gewicht eines Gefälleestrichs statisch problematisch. Zu bedenken gilt es jedoch, dass das Augenmerk auf die Ebenflächigkeit der Deckenkonstruktion nicht in den Hintergrund gerät. In der Praxis ist leider sehr häufig zu beobachten, dass Deckenkonstruktionen vielfach Kontergefälle aufweisen, die durch eine im Mindestgefälle zugeschnittene Gefällewärmedämmung nicht mehr kompensiert werden können. Das große Erstaunen kommt nach Fertigstellung der Bauwerksabdichtungsarbeiten, wenn das eigentliche Mindestgefälle in der Dachabdichtungsoberfläche gemessen werden soll und – wie sollte es anders sein – das Mindestgefälle lokal deutlich unterschritten wird. Beim „Gefälledämmdach” kann die Dachneigung erstmals am fertigen Produkt „Dachschichtenaufbau” gemessen werden. Versuche, bei fertiggestellten Dachabdichtungen noch mit lokalen Gefällezungen Stauwasseran-sammlungen zu reduzieren, sind meist nicht mehr möglich und führen nur zur Umverteilung der Wasserflächen. Als nicht unerhebliches Risiko ist auch anzuführen, dass beispielsweise im Zuge von Wassereintritten während der Bauphase oder der Nutzung eine Lokalisation der Eintrittsstelle nahezu unmöglich wird.
Baupraktisch bedeutet dies, dass deutlich mehr Sondierungsöffnungen im Dachschichtenaufbau angelegt werden müssen, als dies bei Dächern mit im Untergrund hergestelltem Gefälle der Fall wäre. Der Reduktion dieses Risikos wird die ÖNorm B 3691 insofern gerecht, als empfohlen wird, bei Dächern mit Gefälledämmung etwa Abschottungen (oder generell Zusatzmaßnahmen gemäß Norm) einzubauen.
Text: Wolfgang Hubner