Fassadenplanung mit Titanzink

Baupraxis
15.06.2017

 
Seit über 200 Jahren hat sich der Werkstoff Zink als dauerhaftes Bedachungsmaterial bewährt. Ein weiteres Anwendungsgebiet für das Metall, das heute in Form der Legierung Titanzink verwendet wird, stellt seit einigen Jahrzenten immer häufiger die Fassadengestaltung dar.
Steckfalzpaneele für das Kongresszentrum Heidenheim: Die horizontal verlegten Paneele bilden scheinbar durchlaufende Bänder. Verantwortlich dafür sind mit Stoßverbindern hinterlegte, stumpf gestoßene Vertikalfugen.
Steckfalzpaneele für das Kongresszentrum Heidenheim: Die horizontal verlegten Paneele bilden scheinbar durchlaufende Bänder. Verantwortlich dafür sind mit Stoßverbindern hinterlegte, stumpf gestoßene Vertikalfugen.

Verschiedene Oberflächenqualitäten und Produkte bieten dem Planer und Verarbeiter hier vielfältige Möglichkeiten. Anhand von drei Projekten lässt sich zeigen, wie bei Beachtung einiger Grundlagen eine dauerhafte und nachhaltige Gebäudehülle errichtet werden kann. Diese sind die Erweiterungen der Stadtbibliothek in Görlitz, das neue Kongresszentrum in Heidenheim und das Bürogebäude LOC 290 im Hamburger Stadtteil Ottensen.

Walzblankes Titanzink bildet an der Atmosphäre eine schützende Patina. Dieser Prozess, der im Dachbereich nur wenige Monate benötigt, läuft an Fassadenflächen jedoch langwierig und je nach Wetterseite ungleichmäßig ab. Dies kann über den Zeitraum von mehreren Jahren zu einem unschönen Aussehen führen. Aus diesem Grund sollte hier von vornherein nur bereits vorbewittertes Material eingesetzt werden. Dies hat zudem den Vorteil, dass leichte Wellen, welche durch Reflexionen auf walzblanken Oberflächen der Dünnbleche sichtbar werden, optisch deutlich zurücktreten. In Görlitz wurde hellgraues „Quartz-Zinc“ von VMZinc eingesetzt, in Hamburg und Heidenheim fiel die Wahl jeweils auf das dunkle ­„Anthra-Zinc“. Dabei wurden die an der Fassade des Kongresszentrums in Heidenheim installierten Paneele im Innenraum fortgeführt und mit Holzpaneelen kombiniert.

Techniken und Systeme

Im Gegensatz zu Bedachungen kann an Fassaden eine sehr große Vielzahl verschiedener Techniken und Systeme verwendet werden. Unterschieden wird dabei in handwerkliche Techniken und Systemprodukte. Zu ersteren zählen beispielsweise die Scharen einer Winkelstehfalzdeckung oder Rauten, die in verschiedenen Größen gefertigt werden können und so einen großen Spielraum bei der Fassadengestaltung lassen. Zu den Systemprodukten zählen Paneelsysteme, Wellprofile oder Kassetten, die alle in mehreren unterschiedlichen Größen an die Achsen der Fassade angepasst werden können.

In Heidenheim wurden Steckfalzpaneele verwendet. Sie können horizontal und vertikal ausgerichtet werden und bieten zudem durch variable Fugenbreiten von 5 bis 20 Millimeter eine Vielzahl an Verlegemöglichkeiten. Durch stumpf gestoßene Vertikalfugen, die mit Stoßverbindern hinterlegt sind, erscheinen die horizontal verlegten Paneele als durchlaufend. Die verschieden großen Fugen unterstreichen die horizontale Linienführung und geben der Gesamtfläche zugleich einen individuellen, dynamischen Rhythmus. Die einzelnen Paneele werden für die horizontale Montage mit geschlossenen Enden geliefert. In der Länge sind die Elemente variabel.

Für die Fassade des LOC 290 in Hamburg wurden die Großrauten „VMZ Flatlock“ gewählt. Sie wurden in zwei vorgegebenen Höhenrastern in jeweils vier Längen (1, 2, 3 und 4 Meter) verwendet. Dieses industriell hergestellte Rautensystem basiert auf der traditionellen Verarbeitungstechnik: Die vorgefertigten Großrauten werden in den seitlich umlaufenden Umkantungen mit Haften befestigt. Untereinander werden die einzelnen Elemente durch Einhängen verbunden. Die obere Rückkantung der Großrauten wird dabei zurückgesetzt, so dass die beim Verbinden von zwei Rauten vorhandenen vier Blechstärken an der Fassade eine glatte, flächenbündige Oberfläche bilden. Die Rauten können auf ebenen oder gewölbten Fassaden eingesetzt werden. Für die Rundungen des LOC 290 wurde der genaue Radius der Profile durch ein spezielles Runden erzielt. Wichtig war dabei, die Befestigungsfalze nicht zu quetschen. Vor dem Rundungsvorgang wurde deshalb ein Blechstreifen, mit der Funktion eines Abstandshalters, in den Falz eingelegt.

An der Stadtbibliothek in Görlitz geht die Zinkfassade nahtlos in die Dachfläche über. So entschied man sich auch hier für eine handwerkliche Technik, die Winkelstehfalzdeckung. Diese lässt sich in individuell unterschiedlichen Breiten und Längen installieren und erlaubt so eine exakte Abstimmung auf die Gebäudeachsen, wobei zu empfehlen ist, ein maximales Achsmaß von 430 Millimetern nicht zu überschreiten. Auch die Länge der Scharen, welche in Görlitz zueinander versetzt angeordnet wurden, sollte an Fassaden auf maximal drei Meter begrenzt werden. Größere Längen erschweren die Installation der Elemente auf einem Baugerüst erheblich.

Anforderungen durch eine thermisch bedingte Längenausdehnung

Bei all diesen Anwendungen sollte bei der Planung stets auf die thermisch bedingte Längenausdehnung des Materials geachtet werden. Titanzink dehnt sich bei einer Temperaturänderung von 100 Grad Celsius (sonnenbeschienene Fassade im Sommer zu kalter Winternacht) um 2,2 Millimeter pro Meter aus. Dies hat nicht nur Auswirkungen auf die Befestigung der einzelnen Elemente, mit einem Fest- und Schiebe­bereich, sondern auch auf die Wahl der Fugengröße zwischen ihnen und zu anschließenden Bauteilen.

Bei der handwerklichen Winkelstehfalztechnik erfolgt die Aufnahme der Längenänderung über Schiebehaften. Ähnlich ist auch das Befestigungsprinzip bei Systemprodukten. So werden Steckfalzpaneele an der Seite des Taschenprofils durch Schrauben oder Nieten mit der Unterkonstruktion verbunden. Im Festpunktbereich werden sie direkt befestigt – mittig bei einer horizontalen Ausrichtung, im oberen Bereich bei einer vertikalen. In den übrigen Bereichen werden Lang­löcher zur Befestigung genutzt, so können Längen­änderungen aufgrund von Temperaturschwankungen ausgeglichen werden

Unterschiedliche Unterkonstruktionen

Je nach Produkt oder Technik werden vollflächig und nicht vollflächig unterstützende Unterkonstruktionen verwendet. Letztere kommen vor allem bei Systemprodukten zum Einsatz. Hier sollte eine Metallunterkon­struktion aus Aluminium oder verzinktem Stahl bevorzugt werden. Ein Holzständerwerk arbeitet aufgrund der Feuchtigkeitseinwirkung aus der Atmosphäre. Die Bewegungen sind dabei denen des Titanzinks gegenläufig, was sich dann wiederum an der Fassade abzeichnen kann. Deshalb sollte es nur bei sehr kleinen Flächen eingesetzt werden. Ein wichtiger Punkt bei einer nicht vollflächigen Unterkonstruktion: Die maximal zulässigen Stützweiten variieren je nach Produkt und Windlast aufgrund der Lage des Objekts. Diese Details müssen bei der Optimierung der Unterkonstruktion beachtet werden.

Für die handwerklichen Techniken, wie Großrauten oder Winkelstehfalz wird meist eine Holzschalung als vollflächig unterstützende Unterkonstruktion gewählt. Die Mindestdicke einer solchen Schalung beträgt 24 Millimeter. Alternativ können aber auch Holzwerkstoffplatten mit einer Mindestdicke von 22 Millimetern zum Einsatz kommen.

Sollten Auflagen seitens des Brandschutzes bestehen, kann für Winkelstehfalzdeckungen aber auch Metall, z. B. verzinkter Stahl als Trapezblech, verwendet werden. Trapezbleche zählen wie Ständerwerke zu den nicht vollflächig unterstützenden Unterkonstruktionen.

Ein Spezialfall war die Unterkonstruktion in Görlitz. Zu den Brandschutzauflagen kam, dass das Dach als nicht hinterlüftetes Tonnendach vorgesehen war, denn eine Hinterlüftung hätte hier zu einem, die Geometrie des Tonnendaches störenden, Lüftungsauslass im Firstbereich geführt. Da Fassade und Dach aber direkt ineinander fließen, war somit auch die notwendige Hinterlüftung der Fassade nicht mehr ausführbar. Bei Fassaden ohne eine Hinterlüftung besteht die Gefahr, dass Feuchtigkeit die Blechunterseite angreift. Die Lösung bestand in Görlitz in der Verwendung von „VMZ Zinc Plus“. Durch seine 60 µm dicke unterseitige Beschichtung wird dieses Material gegen Feuchteeinwirkung, z. B. durch Kondensation, geschützt.

An einer Fassade treffen immer mehrere Gewerke aufeinander, was den Schutz der Metalloberfläche notwendig macht. Der Schutz des Zinkblechs, unter anderem vor Putzarbeiten, kann mit einer werkseitig aufgebrachten Folie erfolgen. Nach Abschluss der Arbeiten wird die Folie einfach abgezogen. Dabei ist zu beachten, dass die Folie nicht länger als drei Monate auf dem Metall belassen werden sollte.

Dauerhafte Fassadenbekleidung mit Titanzink

Wie die drei Beispiele zeigen konnten, gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Möglichkeiten, Fassaden mit Titanzink zu gestalten und dabei verschiedenen architektonischen Anforderungen und Wünschen zu entsprechen. Die Beachtung einiger Grundregeln ermöglicht eine dauerhafte und wartungsfreie Fassadenbekleidung. 

Branchen
Dach + Wand