Frauen im Handwerk

Die Möglichmacherin

Frauen im Handwerk
08.03.2023

Aktualisiert am 22.03.2023
Amanda Hirscher bringt mit viel Energie und Leidenschaft eine große Portion Know-how im elterlichen Betrieb ein – perfekte Voraussetzungen, um in Zukunft gemeinsam mit ihrem Bruder das Zepter zu übernehmen.

Familienbetrieb

Manch große Dinge entstehen im Kleinen. So war es auch bei der Geschichte der Tischlerei Hirscher im salzburgischen Adnet. Dort, wo jetzt geplant, gezeichnet und gehobelt wird, war nämlich nicht immer der Standort des zehnköpfigen Betriebs, dessen zweite Generation schon jetzt in den Startlöchern steht. „Mein Vater hat die ersten Arbeiten als Unternehmer zu Hause in unserem Keller realisiert“, erzählt Amanda Hirscher. Und genau dort ist auch ihre Liebe zur Tischlerei entstanden, schließlich wurde ihr und ihrem Bruder der Umgang mit Holz quasi in die Wiege gelegt. Rasch wurde der Platz zu klein, und Anton Hirscher mietete sich nach seiner erfolgreichen Meisterprüfung bei einem Zimmerer ein, bis schließlich 2006 der Startschuss für den großen Lebenstraum fiel: ein eigenes Betriebsgebäude im Ort. Dort wird seit dem Einzug im Jahr 2007 geplant und realisiert. Neben der individuellen Betreuung und hohen Planungskompetenz im Möbelbau liegt der Fokus auch auf der Förderung von jungen Fachkräften. So wird – die beiden herausfordernden Pandemiejahre ausgenommen – jedes Jahr ein Lehrling aufgenommen.

Boden bis Decke

Hoteleinrichtung
In enger Zusammenarbeit mit dem Trockenbauer wurden hier mauerbündige Türen eingebaut.

Das Leistungsportfolio des Betriebs ist recht umfassend: „Wir machen alles, was auch nur annähernd mit Holz in Berührung kommt“, so Amanda Hirscher weiter. „Und zwar vom Boden bis zur Decke, von hochwertigen Einzelmöbeln bis hin zu kompletten Einrichtungen, Böden und auch (Brandschutz-) Türen.“ Die hohe Expertise kommt dabei nicht nur bei Privatkunden zum Einsatz, sondern auch im Objektbereich. Für die Hotellerie wird neben der Möbelplanung so zum Beispiel auch schon mal ein gesamtes Interior-Konzept erarbeitet – von der Auswahl der Polsterstoffe über ein ausgeklügeltes Beleuchtungskonzept bis hin zum perfekt fließenden Vorhangstoff. Für Amanda Hirscher ist es dabei zur Gewohnheit geworden, mit unterschiedlichsten Gewerken zu verhandeln und im Bedarfsfall auch zu koordinieren. Vor allem in der Kommunikation mit Architekten hat sie einiges an Erfahrung: Nach der HTL für Innenraumgestaltung und Möbelbau in Hallein hat sie abseits von den Erfahrungen im elterlichen Betrieb in einem Architekturbüro zusätzlichen Ezzes erhalten. Der Bachelor im Bereich Design- und Produktmanagement am Campus Kuchl erweitert das Portfolio der 28-Jährigen zusätzlich. Eine Zeit lang ist die junge Kreative halbtags im Architekturbüro tätig und den Rest der Woche im heimischen Betrieb. So lang, bis in beiden Bereichen ihr Aufgabengebiet so stark wächst, dass sie sich entscheiden muss. „Für mich war damals klar, dass ich in den Betrieb meines Vaters voll einsteigen möchte. Die Erfahrungen im Bereich Architektur waren enorm wichtig, nicht zuletzt, weil ich ein zusätzliches Betätigungsfeld näher kennenlernen konnte – sondern auch, weil die Bauleitung eine der Kernkompetenzen des Architekturbüros war. Da lernt man viel über andere Gewerke“, so Hirscher. „Und man merkt einmal mehr, wie oft hier der Beruf des Tischlers als Bindeglied fungiert.“

Lebendiger Werkstoff

Vorzimmer
Es muss nicht immer Eiche sein – hierbei handelt es sich um eine Rüster (Ulme)!

Am schönsten ist für Amanda Hirscher, wenn sie den Weg von der Planung bis zur Umsetzung in der Werkstatt Stück für Stück begleiten kann. „In einer Tischlerei sind die Aufgabengebiete recht umfassend – und für mich ist kein Tag gleich. Es ist genau diese Abwechslung, die meinen Beruf so auszeichnet“, schwärmt sie. Und ihr Arbeitsalltag beweist, auf wie vielen unterschiedlichen Ebenen sie unterwegs ist: Vom Kontakt mit den Kunden über die Planung am Schreibtisch bis hin zu Baubesprechungen vor Ort. „Mich interessiert, wie die Kunden leben, welche Werte sie haben und suche mit ihnen gemeinsam die passenden Materialien aus. Dann setze ich die Pläne in 3D-Zeichnungen um, damit das Bild vom neuen Raumkonzept oder Möbel auch für den Kunden besser vorstellbar wird“, so Hirscher. „Und der Moment, wenn man am Ende ein fertiges Produkt hat und die Zufriedenheit in den Gesichtern der Kunden sieht, ist die schönste Belohnung, die man sich vorstellen kann.“ Apropos Belohnung: In Sachen Zusammenarbeit auf Augenhöhe erfährt Amanda Hirscher als junge Frau in der Branche innerhalb des Betriebs vollen Zuspruch. „Jeder im Betrieb weiß, wo seine Kompetenzen liegen und begegnet der anderen Person wertschätzend – für Frauen in einer ähnlichen Position wie meiner wäre das vor 50 Jahren sicher noch ganz anders gewesen.“ Glücklicherweise ändern sich die Dinge – und mit der Erfahrung wächst auch das Selbstbewusstsein: „Mit 18 war es schon anstrengend für mich auf den Baubesprechungen“, lacht sie. „Und man muss sich als junges Mädel schon ordentlich durchsetzen, um ernst genommen zu werden – aber es lohnt sich!“

Auf Augenhöhe

Familie Hirscher
20-jähriges Jubiläum im Jahr 2016

Die Dinge auf umfassender Ebene betrachten und kreative und individuelle Lösungen für die Kunden schaffen – das ist es, was Amanda Hirscher Tag für Tag antreibt. Dass sie mit einer großen Portion Leidenschaft in Zukunft den Betrieb des Vaters gemeinsam mit ihrem Bruder Benjamin auch übernehmen wird, ist für sie eigentlich selbstverständlich – auch wenn Anton Hirscher mit jungen 54 Jahren noch lange nicht ans Aufhören denkt. Das liegt wohl auch in der Familie – nicht ohne Grund ist der 78-jährige Anton Hirscher senior als Zimmermann an den meisten Tagen der Woche in der Werkstatt unterwegs, um im Betrieb seines Sohnes zu unterstützen, wenn Not am Mann oder Expertise gefragt ist. Gemeinsam mit ihrem Bruder Benjamin, der nach seiner Meisterprüfung nicht nur handwerklich volles Know-how mitbringt, sondern als Lehrlingsausbildner auch die Ausbildung von Fachkräften verantwortet, ist die Betriebsübernahme mit klar aufgeteilten Kompetenzbereichen etwas, das wenig Spundus, sondern viel Vorfreude macht: „Ich bin die Kreative, diejenige, die gerne gemeinsam mit den Kunden plant, überlegt und auf individuelle Wünsche eingeht. Ich habe das große Glück, dass Benjamin als engagierter Anpacker immer wieder Lösungen findet, die ausgeklügelte Pläne zu formschönen Möbeln und nachhaltigen Projekten werden lässt.“ Wie schön, wenn sich der Anpacker und die Möglichmacherin da so einig sind, oder? (kk)

Branchen
Tischlerei