Neue Norm, neue Sicherheit?

Sicherheit
11.04.2018

Von: Redaktion Metall
Podiumsdiskussion bei TÜV Austria zur neuen Arbeits- und Gesundheitsschutznorm ISO 45001:2018.
Diskutierten am ersten TÜV Austria Zukunftsdialog, v.l.n.r.: Stefanie Buchmann, Ernst Piller, Gabriele Poinsitt, Eugen Sadrić und Alexander Ladich.
Diskutierten am ersten TÜV Austria Zukunftsdialog, v.l.n.r.: Stefanie Buchmann, Ernst Piller, Gabriele Poinsitt, Eugen Sadrić und Alexander Ladich.
Ernst Piller, BBG: „Für die Behörde ist ausschlaggebend, ob das Ergebnis stimmt und den Rechtsvorgaben entsprochen wird oder nicht.“
Gabriele Poinsitt, Borealis:  „Bloß ein Zertifikat an der Wand hängen zu haben, reicht bei weitem nicht aus.“

Aus OHSAS 18001 wurde am 12. März 2018 die ISO 45001:2018. Diese Norm beschreibt die Anforderungen an Arbeits- sowie Gesundheitsschutz-Managementsysteme und will dazu beitragen auftretende Risiken für Unternehmen — insbesondere für deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter — zu minimieren und die Produktivität am Arbeitsplatz zu steigern.

Über die Vorteile der neuen Norm und die Bedeutung von Managementzertifizierungen diskutierten Anfang April im TÜV Austria Campus die Expert*en Stefanie Buchmann (Sicherheitsfachkraft bei Polymun Scientific Immunbiologische Forschung GmbH), Ernst Piller (stv. Leiter der Gruppe Zentral-Arbeitsinspektorat), Gabriele Poinsitt (Quality Managerin bei Borealis Polyolefine GmbH) und Eugen Sadri (Fachbereichsleiter Ausschreibungsmanagement in der Bundesbeschaffung GmbH - BBG). Die Moderation übernahm der Leiter des TÜV Austria Alexander Ladich.

Mehr als technischer Schutz

Für Gabriele Poinsitt verfügen Zertifizierungen nicht nur im eigenen Unternehmen über einen hohen Stellenwert. Die Norm sei dabei lediglich Basis, jedoch nicht der Gipfel, den es zu erreichen gelte. Und bloß ein Zertifikat an der Wand hängen zu haben, reiche auch bei weitem nicht aus. „Es gilt, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abzuholen. Dazu ist es essenziell nötig, dass die Führung Managementsysteme durchgängig lebt. Ein integriertes Managementsystem wird durch die ISO 45001 mit High Level Structure entspannter.“ Das sei wesentlich mehr als technischen Schutz im Unternehmen zu gewährleisten. Zertifizierungen seien mittlerweile auch bei Zulieferern von großer Bedeutung. „Sie sind teilweise Grundlage dafür, dass man als Lieferant überhaupt in Betracht kommt.“
Bei Produktionsstandorten in mehreren Ländern seien Zertifikate zudem ein gutes Fundament, um gewisse Standards vergleichbar zu machen, dabei helfe die Matrix-Zertifizierung.

Mehr Nähe zur Praxis

Aus der Praxis der Sicherheitsfachkraft sieht Stefanie Buchmann bei Normen gewisse Defizite. „Normen werden oftmals fernab der Praxis entwickelt, es können nicht alle relevanten Themen bzw. Zugänge der Praxis erfasst werden. Darunter leidet die praktische Umsetzung der Vorgaben.“
Buchmann hielte eine stärker praxisnahe Pilotierung und Aufnahme von Erkenntnissen in eine Norm als wünschenswert. Dies würde Unternehmen auch die praktische Umsetzung erleichtern.

Normen und Zertifikate

Für Eugen Sadrić von der BBG gilt es Normen und Zertifikate begrifflich klar zu trennen. Normen setzen Standards, Zertifikate prüfen die Einhaltung von Standards. Daher liegt jedem Zertifikat eine Norm zugrunde. In Ausschreibungen kann sowohl bei der Beschreibung der Leistung, der Gestaltung des Vertrages als auch den Eignungs- und Zuschlagskriterien auf Normen und damit auf bewährte Standards zurückgegriffen werden. Soweit es sich um geeignete Leitlinien handelt, müssen diese sogar herangezogen werden. Ein Nachweis über die Erfüllung der Anforderungen ist durch die Vorlage von Zertifikaten möglich. Allerdings sei es zulässig und notwendig, die Standards auf spezifische Bedürfnisse der Nutzer abzustimmen.
Die Einhaltung der Standards sollte sowohl im Vergabeverfahren als auch während der Vertragsabwicklung geprüft werden. Im Rahmen der Vertragsabwicklung auditiert die BBG auch selber um sicherzustellen, dass die angebotene Leistung tatsächlich eingehalten wird.

Aus der Sicht des Arbeitsinspektors sei ein Zertifikat nicht von so großer Bedeutung, betont Ernst Piller. „Für die Behörde ist ausschlaggebend, ob das Ergebnis stimmt und den Rechtsvorgaben entsprochen wird oder nicht“, so Piller. Es gebe keine rechtlichen Verpflichtungen, ein Managementsystem aufzubauen. Nichtsdestotrotz sieht Piller klare Vorteile, die sich aus einem gelebten Managementsystem ergeben; etwa dokumentierte Weisungskompetenzen, Verantwortlichkeiten, Abläufe und vieles mehr.

„Das Chaos sortieren“

Aber jedes Managementsystem wird unterschiedlich gelebt. Als Beispiel hebt Piller die chemische Industrie hervor, die tendenziell bereits einen höheren Standard erreicht habe, dem andere Unternehmen nun nacheifern würden. „Zum Unterschied beispielsweise der Baubranche. Hier liegt die Unfallquote etwa 1,5 Mal so hoch wie in anderen industriellen Bereichen.“ Am Bau könnten durchgängige Prozesse wegen der Beteiligung extrem vieler Gewerke nur schwer implementiert werden.
Zudem gestalte sich die Koordination aufgrund der häufigen Subunternehmerstrukturen schwierig. Generell betont der Arbeitsinspektor, dass planvolles Handeln zu einem besseren Ergebnis führe. Zertifizierungen können dazu beitragen, „Chaos zu sortieren“.

Zertifizierung fördert Vergleichbarkeit

Ein gut durchdachtes und sinnvoll eingeführtes Arbeitssicherheits- und Gesundheitsschutz-Managementsystem kommt dem wichtigsten Gut eines Unternehmens, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die maßgeblich die Qualität von Produkten oder Dienstleistungen prägen, entgegen. Denn nur gesunde und motivierte Mitarbeiter sind in der Lage das Beste für ein Unternehmen herauszuholen.

Fazit: Ob mit oder ohne Regularien einer Zertifizierung, eines steht immer im Mittelpunkt: Sicherheit und Qualität für Mitarbeiter, Kunden und Partner.

AUF DEM PODIUM

Unter dem Titel „ISO 45001: Neue Norm. Sicher(ere) Arbeit?“ lud TÜV Austria am 5. April 2018 zu einer Podiumsdiskussion. Über die Vorteile der neuen Norm und die Bedeutung von Managementzertifizierungen diskutierten: 
Stefanie Buchmann, Sicherheitsfachkraft bei Polymun Scientific Immunbiologische Forschung GmbH,
Ernst Piller, stv. Leiter der Gruppe Zentral-Arbeitsinspektorat,
Gabriele Poinsitt, Quality Managerin bei Borealis Polyolefine GmbH, und
Eugen Sadrić, Fachbereichsleiter Ausschreibungsmanagement in der Bundesbeschaffung GmbH (BBG).
Moderiert hat der Leiter des TÜV Austria Qualitäts- und Risikomanagements, Alexander Ladich.

www.tuv.at/iso45001

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