Vorbehalt darf nicht an Form scheitern
Wer seine Forderungen klar erkennbar geltend macht, riskiert auch bei formell unvollständigem Vorbehalt keinen Anspruchsverlust. Das OLG Wien stärkt mit seiner Entscheidung die Position von Auftragnehmenden – und verweist auf den Zweck der ÖNORM B 2110.

Unter Verweis auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bestätigt das Oberlandesgericht Wien erneut, dass beim Vorbehalt gemäß ÖNORM B 2110 keine vom Normzweck nicht verlangten Hürden aufgebaut werden dürfen – zumal der Grund für die Forderung des Auftragnehmers schon aus der gelegten Rechnung hervorgeht.
In einer Entscheidung des OLG Wien ging es unter anderem um die Anforderungen an einen wirksamen Vorbehalt nach Punkt 8.4.2. der ÖNORM B 2110. Die Klägerin (Auftragnehmerin) klagte einen ausständigen Werklohn für ihre Arbeiten ein. Die Beklagte (Auftraggeberin) hatte die Schlussrechnung der Auftragnehmerin in mehreren Punkten gekürzt und argumentierte im Prozess, die Forderungen seien nach Punkt 8.4.2. der ÖNORM B 2110 verfristet, da die Auftragnehmerin keinen ordnungsgemäßen Vorbehalt gegen die vorgenommenen Kürzungen erhoben habe.
Drei-Monats-Frist
Punkt 8.4.2. der ÖNORM B 2110 besagt, dass, wenn der Auftraggeber Abzüge vom Schlussrechnungsbetrag vornimmt, der Auftragnehmer binnen drei Monaten nach Annahme der Zahlung einen Vorbehalt erheben muss.
Wird kein wirksamer Vorbehalt erhoben, verkürzt die ÖNORM die nach Paragraf 1.487 ABGB geltende, dreijährige Verjährungsfrist für Werklohnansprüche auf drei Monate ab Erhalt der Schlusszahlung. Die Frist beginnt frühestens mit der schriftlichen Bekanntgabe der nachvollziehbaren Herleitung des Differenzbetrages (Rechnungskorrektur) durch den Auftraggeber zu laufen.
Pauschaler Vorbehalt ausreichend
Während die Klägerin bei der Schlussrechnung ihre Forderungen mit umfangreichen Unterlagen belegte, unterließ es die Beklagte in ihrer Rechnungsprüfung, die vorgenommenen Kürzungen aufzuschlüsseln. Von der Übermittlung der in der Baubranche üblichen Rechnungsprüfung mit handschriftlichem Abhaken, Streichen und Ausbessern der Einzelpositionen nahm die Beklagte Abstand.
Der Klägerin blieb daher keine andere Möglichkeit, als die Berechtigung der Kürzungen insgesamt zu bestreiten, ohne konkret auf einzelne Positionen einzugehen – was sie auch tat.
Das OLG als Berufungsgericht bestätigt im Berufungsverfahren die Rechtsmeinung des Erstgerichts unter Verweis auf die Judikatur des Obersten Gerichtshofs. Die Anforderungen an den Auftragnehmer bei der schriftlichen Begründung des Vorbehalts dürfen nicht überspannt werden. Solange der Vorbehalt die gekürzten Ansprüche in erkennbarer Weise individualisiert und zumindest durch schlagwortartige Hinweise den Standpunkt des Auftragnehmers erkennen lässt, tritt keine Verfristung der Forderungen ein.
Im Ergebnis war der Vorbehalt der Klägerin daher wirksam und der eingeklagte, aushaftende Werklohn nicht verfristet.
Forderung darf nicht an Form scheitern
Die Entscheidung des OLG Wien liefert erneut eine Klarstellung: Ein Vorbehalt darf nicht an überhöhten Formanforderungen scheitern. Wer seine Forderung klar erkennbar aufrechterhält und belegt, verliert den Anspruch nicht, wenn der Auftraggeber keine prüffähigen Kürzungsdarstellungen vorlegt, die einen detaillierteren Vorbehalt möglich machen würden. Für einen wirksamen Vorbehalt kommt es darauf an, dass für den Auftraggeber unmissverständlich erkennbar wird, dass der Anspruch begründet ist und weiterhin geltend gemacht wird.
Praxistipp: Vorbehalt klar und fristgerecht formulieren
Der Vorbehalt gegen Rechnungskürzungen des Auftraggebers sollte unverzüglich – spätestens jedoch binnen drei Monaten – und schriftlich erhoben werden. Es muss klar erkennbar sein, welche gekürzten Beträge aus welchem Grund gefordert werden (sofern möglich: Benennung der betroffenen Positionen und knappe Darstellung des Grundes, gerne unter Verweis auf bereits übermittelte Unterlagen). Gegebenenfalls sollte außerdem festgehalten werden, dass der Anspruch trotz laufender Gespräche bestehen bleibt.
Der Autor

Dr. Bernhard Kall ist Partner bei Müller Partner Rechtsanwälte, Rockhgasse 6, A-1010 Wien
www.mplaw.at