Krise im Wohnbau

Bündnis für den Bau

Wohnbau
24.01.2024

18 Unternehmen und Organisationen aus Bauwirtschaft und Baustoffindustrie haben ein Bündnis gebildet. Sie fordern rasche Maßnahmen der Politik zur Förderung des Wohnbaus. Denn sie warnen vor einem Schreckensszenario: Wohnungsnot, Mieterhöhungen und steigende Arbeitslosigkeit.
Führende Vertreter der Bauwirtschaft und Baustoffindustrie fordern die Politik zum Handeln auf (v. l.): Robert Jägersberger (Bundesinnung Bau), Torsten Kreft (Hagebau Österreich), Georg Bursik (Baumit Österreich), Johann Marchner (Wienerberger Österreich).
Führende Vertreter der Bauwirtschaft und Baustoffindustrie fordern die Politik zum Handeln auf (v. l.): Robert Jägersberger (Bundesinnung Bau), Torsten Kreft (Hagebau Österreich), Georg Bursik (Baumit Österreich), Johann Marchner (Wienerberger Österreich).

"Die Politik hat seit Jahren mit zu strengen Kredit-Vergaberichtlinien, überbordender Bürokratie und völlig verfehlten Fördersystemen maßgeblich zu dieser Situation beigetragen", meint Torsten Kreft, Geschäftsleiter von Hagebau Österreich. "Das muss jetzt korrigiert werden, sonst können wir diesen Wohnungsrückstand nicht mehr aufholen. Angesichts des steigenden Bedarfs an Wohnraum müssen wir dringend vom Rückwärtsgang in den Vorwärtsgang schalten."

Der Wohnungsnotstand, vor dem der Hagebau Österreich-Chef, warnt, zeigt sich bereits in den Zahlen: Obwohl die Bevölkerung stetig wächst und mehr Wohnraum benötigt, werden in Österreich seit 2019 jedes Jahr weniger Wohnungen gebaut. Die Fakten laut Statistik Austria: Wurde 2019 noch der Bau von 69.900 Wohneinheiten im Neubau bewilligt, sank diese Zahl seither kontinuierlich auf zuletzt nur mehr 33.900 Bewilligungen im Jahr 2023. Die Prognose für 2024 und die kommenden Jahre ist weiter negativ. Zuletzt wurden von Branchenexperten für 2024 nur 32.600 Bewilligungen für Wohnungs-Neubau erwartet. "Aufgrund der aktuellen Entwicklungen ist allerdings davon auszugehen, dass ein erheblicher Teil davon nicht in die Umsetzung gelangt", so Robert Jägersberger, Bundesinnungsmeister des Baugewerbes.

Mehr Zuhaus‘ in Österreich!

Um die Politik zum Handeln zu bewegen, haben 18 führende Unternehmen und Institutionen der Bauwirtschaft und der Baustoffindustrie die Initiative "Mehr Zuhaus‘ in Österreich!" gegründet und einen Forderungskatalog ausgearbeitet. Die Lösungsvorschläge präsentierten sie am Mittwoch, 24.1.2024. "Dass die Bundesregierung im Herbst 2023 ein Konjunkturpaket für den Wirtschaftsstandort angekündigt hat, ist natürlich grundsätzlich zu begrüßen, denn es zeigt zumindest ein Problembewusstsein", meint Bundesinnungsmeister Jägersberger. "Allerdings treffen diese Maßnahmen nicht den Kern des Problems, nämlich die ausbleibende Baunachfrage im Bereich des großvolumigen Wohnbaus und des privaten Neubaus."

Um die Nachfrage in diesen Marktsegmenten zu stabilisieren, fordert das Bau-Bündnis zielgerichtete Maßnahmen, die direkt die Investitionsbereitschaft der Bauherren und Hausbauer stimulieren. Jägersberger: "Die Verantwortlichen in Bund und Ländern müssen jetzt entschlossen handeln, denn der Bedarf an leistbarem Wohnraum betrifft letztlich alle Menschen in Österreich und ihre Zukunft, nicht nur die Bauwirtschaft."

Fünf Forderungen

Das Forderungspaket der Initiative besteht aus fünf "Sofort-Maßnahmen zur Sicherung des Wohnraumbedarfs":

  1. Wohnbauförderung aufstocken und Zweckbindung wieder einführen.
  2. Steuerliche Maßnahmen setzen, um Investitionen zu fördern.
  3. Mehr Wohnungsneubau.
  4. KIM-Verordnung anpassen, Wohneigentum muss wieder leistbar sein.
  5. Radikale Vereinfachung der Bauförderung und Abbau bürokratischer Hürden.

Aus Sicht der Branchenexperten braucht es eine Aufstockung der Fördermittel im Wohnbau um 500 Millionen Euro jährlich für die nächsten Jahre, wobei diese sowohl im Bereich der klassischen Wohnbauförderungsinstrumentarien als auch im steuerlichen Bereich zum Einsatz kommen sollen. Zusätzlich soll die Zweckwidmung der Wohnbauförderung wieder eingeführt werden, wie es zuletzt auch Bundeskanzler Karl Nehammer angekündigt hatte. Seit ihrer Abschaffung 2008 können Landesregierungen dafür vorgesehene Bundeszuschüsse auch für andere Projekte oder für das Stopfen von Budgetlöchern einsetzen.

Um den enormen Rückstau beim Wohnbau aus den letzten Jahren aufholen zu können, sind aus Sicht der Bauwirtschaft außerdem steuerliche Anreize für Investitionen von Privaten – etwa in Ein- und Mehrfamilienhäuser – als auch Entlastungen für Unternehmen und den sozialen Wohnbau sinnvoll und dringend notwendig. Sie fordern etwa eine Mehrwertsteuer-Befreiung für den Erwerb und die Schaffung von neuem Wohnraum zur Eigennutzung, bis zu 100.000 Euro pro Wohneinheit.

Damit neuer Wohnraum rasch geschaffen werden kann, braucht es laut den Branchenvertretern außerdem schnellere Bauverfahren und Flächenumwidmungen. Ebenso sollte die Aufstockung bestehender Gebäude erleichtert werden. Das würde auch dem Problem der Bodenversiegelung entgegenwirken.

"Gerade lokale Nahversorger im Baubereich müssen reihenweise schließen. In den letzten Jahren hatten wir noch nie so einen dramatischen Rückgang beim Neubau von Ein- und Mehrfamilienhäusern", konstatiert Johann Marchner, Geschäftsführer von Wienerberger Österreich. Besonders folgenschwer, so Marchner weiter, sei auch der Einbruch bei gemeinnützigen Wohnungen. Marchner: "2022 hatten wir bereits niedrige 16.700 Fertigstellungen, aber schon 2025 werden es nur noch 13.000 sein, und davon ist rund ein Viertel in der Umsetzung akut gefährdet. Darum muss speziell großvolumiger, gemeinnütziger Wohnbau jetzt wieder forciert werden." Nur so könne man vermeiden, dass es in Österreich über viele Jahre zu einem Wohnungsmangel komme und sicherstellen, "dass wir Unternehmen, Fachkräfte und Qualität in der österreichischen Bauwirtschaft halten können".

Einfacherer Zugang zu Wohnbau-Finanzierungen nötig

Damit der Wohnbau wieder forciert und leistbar wird, brauchen aus Sicht der Wohnbau-Initiative vor allem junge Familien einfacheren Zugang zu Wohnbauförderung und Wohnbaukrediten. Doch das Gegenteil sei zuletzt geschehen. Die Initiatoren stoßen sich vor allem an der sogenannten KIM-Verordnung, mit der die Finanzmarktaufsicht 2022 die Regeln für die Kreditvergabe verschärft hat. "Vielen Menschen wird dadurch der Zugang zu Wohnbau-Finanzierungen verwehrt", so das Bündnis in einer Erklärung. Die Fakten: Käufer müssen 20 Prozent des Kaufpreises einer Wohnung oder eines Hauses als Eigenkapital nachweisen. Die monatliche Kreditrate darf 40 Prozent des Haushaltseinkommens nicht übersteigen. "Laut Branchenexperten", so das Bündnis in dem Statement weiter, "bekommen bis zu 50 Prozent der Antragsteller dadurch keine Wohnbaukredite mehr. Die Zahl der Baubewilligungen im Wohnbau ging seither dementsprechend rasant zurück."

"Die Kreditvergabe-Richtlinien der Finanzmarktaufsicht gehen an der Einkommensrealität der österreichischen Familien und am Wohnungsmarkt vollkommen vorbei", meint Georg Bursik, Geschäftsführer von Baumit Österreich. Er fordert, dass die Eigenkapitalquote daher gesenkt oder durch staatliche Fördermaßnahmen, zum Beispiel zinsfreie Kredite, gestützt werden solle. Die monatlich mögliche Kreditrate für Wohnraumschaffung solle auf 60 Prozent des Haushaltseinkommens angehoben werden beziehungsweise für Besserverdienende zur Gänze entfallen. Bursik: "Es kann nicht sein, dass die kleinen Häuslbauer die Rechnung für Fehler in der Zins- und Förderpolitik und für Großinsolvenzen bezahlen."

Schließlich müssen laut den Branchenvertretern bei der Wohnbauförderung generell bürokratische Hürden abgebaut und zugänglichere Informationsangebote geschaffen werden. Dies sei auch für den großvolumigen und gemeinnützigen Wohnbau entscheidend, um Projekte rasch und kostengünstig umsetzen zu können.

Weitere Informationen zur Initiative: mehrzuhaus.at

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