Interview: Klare Worte

"Eine legitime Forderung"

Interview
27.01.2024

Robert Jägersberger, Bundesinnungsmeister des Baugewerbes, findet klare Worte im Gespräch mit der Bauzeitung. Er spricht über die aktuellen Herausforderungen für das Baugewerbe, die Auswirkungen der Signa-Krise und Forderungen an die Regierung.
Bauinnungsmeister Robert Jägersberger im Interview.
Bauinnungsmeister Robert Jägersberger im Interview. 

Herr Jägersberger, wie geht es dem Baugewerbe derzeit?
Robert Jägersberger:
Im Winter haben wir natürlich nicht dieselbe Bautätigkeit wie in den anderen Jahreszeiten. Aber in diesem Jahr ist – wie Sie sich sicher vorstellen können – noch einmal deutlich weniger Betrieb auf den Baustellen als sonst. Wir sind mit einem beispiellosen Rückgang im Bereich des großvolumigen und privaten Wohnbaus konfrontiert.

Können Sie das in Zahlen fassen?
Jägersberger: 2019 wurde noch der Neubau von 69.900 Wohneinheiten bewilligt. Diese Zahl sank seither kontinuierlich auf zuletzt nur mehr 33.900 Baubewilligungen im Jahr 2023. Für 2024 wird ein weiterer Rückgang auf 32.600 Bewilligungen erwartet. Zudem ist zu befürchten, dass viele Projekte, die bewilligt worden sind, aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung nicht gebaut werden – jedenfalls derzeit nicht.

Was ist derzeit die größte Herausforderung für das Baugewerbe?
Jägersberger
: Das ist sicher die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die man jahrelang beschäftigt hat, im Unternehmen halten zu können. Aber dazu braucht es Aufträge. Ohne diese geht es nicht. Das ist die zentrale Herausforderung für das laufende Jahr – ohne zu wissen, was sich in der Weltpolitik noch alles ereignet und wie sich das auf Österreich auswirkt. Wir hoffen, dass die geopolitischen Begleiterscheinungen sich nicht weiter konjunkturbremsend auswirken. Ein Hoffnungsschimmer wäre – wie mancherorts bereits kommuniziert – eine Absenkung des europäischen Leitzins.

Stichwort Notbremsung oder eher Kollision: Wie stark wirken sich die Turbulenzen der Signa-Gruppe auf das heimische Baugewerbe aus?
Jägersberger:
Ohne es genau zu wissen – ich vermute wenig. Signa hat in Österreich vor allem mit den großen Baukonzernen zusammengearbeitet. Das Baugewerbe ist daher vermutlich kaum betroffen. Es kann aber natürlich sein, dass die Probleme, mit denen die Signa zu kämpfen hat, auch andere Bauträger in Schwierigkeiten bringt. Ich denke da unter anderem an die hohen Finanzierungskosten. Das würde sich dann natürlich schon auf das Baugewerbe auswirken. Wobei ich aber schon der Meinung bin, dass Signa in vielen Bereichen sehr – ich formuliere es mal so – mutig unterwegs war.

500 Millionen

Was kann die Politik unternehmen, um da Baugewerbe in dieser schwierigen Phase zu unterstützen? Sie haben kritisiert, dass das Konjunkturpaket der Regierung für den Bau zu kurz greift.
Jägersberger:
„Zu kurz greift“ trifft es nicht. Es ist nicht zielgenau genug.

Was meinen Sie damit?
Jägersberger:
Die Maßnahmen der Regierung sind grundsätzlich begrüßenswert. Aber sie setzen in erster Linie bei den Themen Infrastruktur und Energietransformation an, die ja vergleichsweise noch gut dastehen. Was das Baugewerbe aber braucht, sind zielgenaue Maßnahmen, um den Wohnbau anzukurbeln. Hier herrscht fast Stillstand. Egal ob im großvolumigen Wohnbau oder beim Einfamilienhaus. Das trifft das Baugewerbe massiv. Und die Aussichten für den Rest des Jahres und das Jahr 2025 sind nicht rosig.

Was stellen Sie sich vor?
Jägersberger:
Wir haben der Politik eine Reihe von Vorschlägen gemacht. Eine gute Maßnahme wäre zum Beispiel, die Wohnbauförderung seitens des Bundes wieder anzuheben. Sie lag früher bei 1,5 Prozent des BIP. Derzeit sind es nur 0,4 Prozent. Wir fordern daher, dass die Wohnbauförderung jährlich um 500 Millionen Euro aufgestockt wird. Das würde nicht nur dem Baugewerbe helfen, sondern auch der Gesellschaft: die Bevölkerung wächst. Und irgendwo müssen die Menschen wohnen. Hier zu investieren, halten wir für eine legitime Forderung.

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