Glasmarkt

Glas-Engpässe durch die Corona-Krise?

Glasmarkt
14.12.2020

Seit einigen Monaten hört man – zuerst aus den europäischen Nachbarländern und nun auch verstärkt in Österreich – von Engpässen bei Basisglas. Wir haben bei Industrie und Zulieferindustrie um Statements zur derzeitigen Situation in Österreich gebeten.

Lieferengpässe sind immer ein heikles Thema. Aber gerade, weil die Verarbeiter aus dem Glashandwerk nicht die letzten in der Lieferkette sind, sondern sich vor Bauherren und Endkonsumenten verantworten müssen, wollten wir Aufklärung über den aktuellen Stand der Lieferbedingungen am heimischen Flachglasmarkt. Und haben nachgefragt. In der zweiten Novemberwoche haben wir folgende Fragen an zahlreiche Ansprechpartner bei großen und mittelgroßen Glasproduzenten, Veredlern und Lieferanten gesendet:

  • Haben die Corona-Krise und dadurch bedingte Wannen-Stilllegungen bzw. "Hot hold" Auswirkungen auf die Flachglas-Lieferungen in Europa und besonders in Österreich? 
  • Wenn ja, können diese mit internen logistischen Anpassungen in der Glasbearbeitung für die Kunden abgefangen werden?
  • Ist in den nächsten Monaten mit einer Verschärfung der Lage zu rechnen?

Viele Antworten haben wir erwartungsgemäß nicht erhalten. Deshalb sind wir den folgenden drei Unternehmen besonders dankbar für Ihre offenen Statements und Einschätzungen.

Ing. Wolfgang Pichler, Vertriebsleiter/Salesmanager Austria Pilkington Austria GmbH:
„Ja, es gibt Glas-Engpässe. Geschuldet ist das mitunter der Corona-Krise. Es wurden im Zeitraum des ersten Lockdown Wannen stillgelegt bzw. bei einigen Wannen „Hot hold“ durchgeführt. Geschuldet war dies den massiven Einbrüchen in der Automotive-Industrie, aber auch dem Absatzeinbruch bei Architekturglas. Das Architekturglas hat sich im Sommer wieder relativ schnell erholt, jedoch konnten stillgelegte Wannen noch nicht aktiviert werden. Die Marktnachfrage übersteigt weiterhin die Lieferkapazitäten, daraus ergibt sich ein Engpass der Basisglas-Versorgung in ganz Europa und natürlich auch in Österreich. Betroffen sind alle Glasarten, speziell aber Sondergläser wie zum Beispiel Farbgläser.
Es ist eine noch genauere, vorausschauende Planung notwendig, damit unsere Kunden wie gewohnt bedient werden können. Pilkington Austria konnte sich auf die Situation gut einstellen, und wird vor allem von der Gruppe gut versorgt.
Voraussichtlich wird es keine generelle Entspannung im ersten Quartal 2021 geben. Da auch die Basisglas-Preise erheblich gestiegen sind und weiter steigen werden, ist auch bei den Verarbeitern eine Preiserhöhung unumgänglich.“

Ing. Mag. Werner Krügl, Prokurist, Spartenleiter Glas C. Bergmann KG:
„Die problematische Glasversorgung kann ich leider nur bestätigen. Begonnen hat diese Problematik zirka im September. Die Lieferzeiten sind sprunghaft von normal fünf Arbeitstagen auf vier bis sechs Wochen hinaufgeschnellt. Davon betroffen sind nicht nur spezielle Gläser, sondern auch die ganz normalen, wie 4 mm Floatglas und 4 mm Floatglas beschichtet. Bei VSG ist die Situation noch dramatischer.
Wie Sie sich vorstellen können, hat dies zu wirklichen Problemen geführt. Es ist leider auch vorgekommen, dass bestätigte Ladungen dann nicht zum Termin geliefert wurden. Wir hatten Glück, dass wir die Produktion nicht abstellen mussten – aber wir waren knapp davor.
Wir haben auch Glück, dass wir letztes Jahr eine neue Zuschnitthalle errichtet haben. Durch diese Halle haben wir eine zusätzliche Lagerkapazität von ca. 25 LKW-Ladungen.
Es ist uns bis dato gelungen, unsere Kunden so versorgen zu können, dass diese den Engpass nicht bemerkt haben. Wir haben nun auch sehr langfristig vorausbestellt, teilweise schon bis Ende Jänner 2021.
Wie sich die nächsten Monate entwickeln, kann ich schwer einschätzen. Ich denke, die Lage wird angespannt bleiben, wobei die Zeit um Weihnachten und den Jahreswechsel hoffentlich eine Erholung bringen wird.“

Mag. Gabriele Posch, Geschäftsführerin Glas Ziegler Ges.m.b.H:
„Rückblickend ist der österreichische Bauglasmarkt bisher gut durch die Corona-Krise gekommen. Nach anfänglicher Zurückhaltung am Bau hat das Geschäft rasch wieder an Fahrt aufgenommen. Ab September dieses Jahres hat sich dann erstmals eine Verknappung am Flachglasmarkt bemerkbar gemacht. In unserer Kernkompetenz als Glasgroßhändler und Tochtergesellschaft der Saint-Gobain können wir jedoch auf ein breites nationales als auch internationales Netzwerk an Zulieferern vertrauen. Durch die nun notwendige, längerfristige Planung unseres Glasbedarfs gelingt es uns, auch in der Hochsaison, marktgerechte Lieferfristen aufrechtzuerhalten. Mit einer fortlaufenden Risikobewertung unserer Zulieferketten sowie dem daraus abgeleiteten strategischen Flachglaseinkauf versuchen wir auch künftige Engpässe zu minimieren und für unsere Kunden weiterhin ein verlässlicher Partner sein.“

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