Projektmanagement

Was braucht es für Kooperation auf der Baustelle?

Projektmanagement
21.09.2022

Kooperation und Kommunikation auf Baustellen ist mehr als nur ein Nice-to-have. Wenn man es richtig macht, kann man viel Geld und Nerven sparen. In der neuen Bauzeitung-Kolumne verraten wir Ihnen, wie.
Handshake auf der Baustelle

Kooperation ist, in Zusammenhang mit der Baustelle, derzeit das Schlagwort der Stunde. Es scheint eine Sehnsucht nach harmonischer Zusammenarbeit zu geben. Neue Vertragsmodelle und Ansätze beflügeln zusätzlich diesen Tenor. Diese sind ausdrücklich zu begrüßen, werden jedoch allein das Problem nicht lösen. Was braucht es also für Kooperation auf der Baustelle, und wie kann diese herbeigeführt werden? In dieser Kolumne nähern wir uns dem Thema an und zeigen Wege auf. 

Die Krux mit den Bauverträgen

Sicherlich, vertragliche Anreize für kooperatives Verhalten erhöhen die Quote der friedlichen Zusammenarbeit. Ob diese eingesetzt werden, hängt jedoch immer von den Bauherr*innen ab. Insofern haben die Bauunternehmen darauf keinen Einfluss. Es ist auch davon auszugehen, dass diese Modelle nicht unbedingt flächendeckend zum Einsatz kommen. 
Zudem werden sie lediglich unterstützend eingesetzt. Aber was hilft wirklich? Das Mindset der Projektbeteiligten! ­Agieren diese kooperativ, dann wird die Baustelle erfolgreich. Und dies ungeachtet des angewandten Vertragsmodells.

Ist der Mensch denn ein kooperatives Wesen

Es stellt sich also die Frage, warum eine kooperative Abwicklung so selten gelingt. Daraus ergibt sich unweigerlich die Folgefrage, ob ein Mensch denn eigentlich für Kooperation gemacht ist?

Die beiden bekanntesten Thesen zu dem Thema Kooperation lieferten die Philosophen Thomas Hobbes (1588–1679) und Jean-Jacques Rousseau (1712–1778). Sie vertraten sehr konträre Thesen. ­Hobbes zeichnete ein düsteres Menschenbild. In seinem natürlichen Zustand sei der Mensch ein egoistisches Individuum, das rücksichtslos nach seinem eigenen Vorteil strebt. Wenn nicht durch regulierende Ordnungen ein Rahmen geschaffen werde, dann lebe der Mensch "einsam, armselig, ekelhaft, tierisch und kurz".
Wohingegen Rousseau festhielt, dass der Mensch von Natur aus ein kooperatives Wesen sei. Erst die Umwelt und die ungünstigen Einflüsse verführten ihn zu egoistischen Handlungen.

Betrachtet man die Evolutionsgeschichte des Menschen, muss man zu dem Schluss kommen, dass der Mensch ein äußerst kooperatives Wesen ist. Er ist weder besonders stark noch besonders schnell oder besonders geschützt. Seine Überlebensstrategie ist es, in Gruppen aufzutreten. So gelang es ihm sogar, zur dominierenden Spezies auf der Erde zu werden.

Was ist also dann passiert?

Warum fällt es uns Menschen dann aber so schwer, im Projektgeschäft zu kooperieren? Das ist relativ schnell erklärt. Vor rund 10.000 bis 12.000 Jahren entschieden wir uns, sesshaft zu werden. Wir begannen mit Ackerbau und Viehzucht. Das Land wurde knapper. Plötzlich gab es Begriffe wie "mein" und "dein". Das Besitzdenken führte zu einer ausgesprochenen "Haben-Mentalität", wie es der Philosoph Erich Fromm in seinem Buch "Haben und Sein" treffend auf den Punkt brachte. 
Wir sind von klein auf dazu erzogen, zuerst unseren eigenen Vorteil zu bedenken. Unsere genetische Prädisposition zur Kooperation wird durch unsere Sozialisierung überschrieben. Beim dem einen mehr, beim anderen weniger. Höher, schneller, weiter ist das darwinistische Menschenbild. Alles, was zählt, sind nur noch die nackten Zahlen, und die müssen erfolgreich sein. Andere Menschen? Sei's drum!

Jede Art von ­Konfrontation kostet Geld. Wenn nicht sofort, dann zumindest mittel- oder langfristig. Daher ist es sogar ein Gebot des Kapitalismus, dass wir kooperativ miteinander umgehen.

Stefan Ufertinger

Geht das auch anders?

In unserem kapitalistischen Wirtschaftssystem zählt nur, was wir erreichen, was wir erschaffen. Die Zahlen müssen stimmen. Das ist zu akzeptieren. Können wir dann auch unter diesen Rahmenbedingungen Kooperation leben? Ich bin der Ansicht, dass das möglich ist. Ich bin davon überzeugt, dass die wirtschaftlichen Kennzahlen insgesamt besser werden, wenn wir einander gegenseitig unter­stützen. 
Schließlich kostet jede Art von Konfrontation Geld. Wenn nicht sofort, dann zumindest ­mittel- oder langfristig. Daher ist es sogar ein Gebot des Kapitalismus, dass wir kooperativ miteinander umgehen.

Was ist notwendig, um Kooperation zu leben?

Kooperation im Projektgeschäft ist fast immer möglich. Allerdings braucht man dafür einige persönliche Voraussetzungen und auch eine gute Strategie. Letztendlich entscheidet die Qualität der eigenen Beziehungen auf der Baustelle darüber, wie die Baustelle abgewickelt wird. Und faszinierend zu erkennen ist, dass auch eine einzelne Person hier einen großen positiven Einfluss nehmen kann. Wenn sie weiß, wie es geht.
In den kommenden Ausgaben werden Sie erfahren, an welchen Voraussetzungen man persönlich arbeiten kann, um die Basis für kooperative Projekt­abwicklung zu legen. Ich zeige Wege auf, wie Sie aktiv an den eigenen Beziehungen im Projekt arbeiten können und wie man eine Strategie entwickelt, mit der eine stabile Kooperationsdynamik erzeugt wird.

Stefan Ufertinger

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