Kolumne

Was lernen wir aus der Spieltheorie für die Baustelle?

Kooperation
02.02.2023

Um sich kooperativ zu verhalten, bedarf es nicht zwingend des Know-hows hinsichtlich ­wissenschaftlicher Erkenntnisse. Schaden kann es aber auch nicht.

Die persönliche Basis ist gelegt. Nun ist eine Strategie zur Entwicklung von Kooperation auf der Baustelle erforderlich. Die Basis dafür stellen die wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber dar.

Das Gefangenendilemma

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen mit einem Komplizen in Polizeigewahrsam, und Ihnen wird vorgeworfen, eine schwere Straftat begangen zu haben. Die Befragung erfolgt getrennt. Es geht darum, das Beste für sich selbst herauszuholen. Sie können Ihren Kollegen verpfeifen und die Kronzeugenregelung in Anspruch nehmen. Der Komplize könnte dann der schweren Straftat überführt werden und würde für fünf Jahre ins Gefängnis gehen. Wenn beide jedoch schweigen und miteinander kooperieren würden, dann gäbe es keine Beweise für die schwere Straftat. Die Folge wäre ein Strafmaß von sechs Monaten für beide Übeltäter. Das Dilemma ist in folgendem Diagramm dargestellt:

Gefangenendilemma, Auszahlungsmatrix
Gefangenendilemma, Auszahlungsmatrix

In der Kooperationsforschung gilt das Gefangenendilemma als das am schwersten zu lösende und demnach als Grunddilemma der Kooperation.

Das Gefangenendilemma in der Spieltheorie

Die Spieltheorie ist eine mathematische Methode, die das rationale Entscheidungsverhalten in sozialen Konfliktsituationen ableitet. Einer der größten Anwendungsbereiche der Spieltheorie ist die Kooperationsforschung, weshalb das Gefangenendilemma auch in der Spieltheorie untersucht wurde. Robert Axelrod, ein Politikwissenschaftler an der Universität in Michigan, hat das wiederholte Gefangenendilemma spieltheoretisch untersucht. Daraus entstand sein Buch "Die Evolution der Kooperation". In seinem Versuchsaufbau simulierte er einen virtuellen Wettkampf. In diesem Wettkampf, der über 200 Runden ging – also das Gefangenendilemma wurde 200-mal wiederholt –, traten 14 Computerprogramme gegeneinander an. In jeder Runde musste das Computerprogramm entscheiden, ob es kooperiert oder defektiert (= spieltheoretisch: Zusammenarbeit ablehnen). Wobei lediglich das Verhalten des anderen Computerprogramms aus dem Zug zuvor bekannt war. Dem Computerprogramm musste demnach eine Logik mitgegeben werden, wie es entscheidet. Diese Logik ging von einer rein zufälligen Entscheidung bis hin zu hochkomplexen mathematischen Algorithmen. Ziel war es, in der Auszahlungsmatrix die meisten Punkte nach 200 Zügen zu erlangen.

Das Programm "Tit for Tat"

Das erfolgreichste Programm war "Tit for Tat". Es begann mit einer kooperativen Grundhaltung. Das heißt, im ersten Zug kooperierte es grundsätzlich. Zudem ist es ein äußerst einfaches Programm. Es reagierte immer direkt auf das Verhalten des anderen im darauffolgenden Zug. Kooperierte also das andere Programm, kooperierte "Tit for Tat" ebenfalls. Verhielt sich das andere Programm defektierend, tat es ihm "Tit for Tat" gleich. Insofern entwickelte sich bei einem kooperativ eingestellten Programm sehr schnell eine stabile Kooperation. Defektierte das andere Programm jedoch, ließ sich "Tit for Tat" nicht ausnutzen und hielt den Gewinn auf der anderen Seite dadurch gering. Änderte das andere Programm jedoch sein Verhalten wieder in Richtung Kooperation, ging "Tit for Tat" in der nächsten Runde sofort mit, und es konnte sich dadurch wieder eine stabile Kooperation entwickeln.

Was lernen wir aus dieser Theorie?

Bei aller berechtigter Kritik an diesen theoretischen Ansätzen kann man dennoch auch für die Praxis einige wichtige Lehren aus diesem Ansatz ­ziehen.

  • Eine kooperative Grundhaltung fördert Kooperation.
  • Das eigene Verhalten sollte einfach und durchschaubar sein.
  • Man sollte sich nicht ausnutzen lassen.
  • Längerfristige Zusammenarbeit fördert Kooperation.
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