Jahresauftakt

Ein fiktives Preisaufklärungsgespräch

Baupreis
08.02.2022

Eine humoristische Annäherung an ein Preisaufklärungsgespräch, das so oder in ähnlicher Form natürlich noch nie in der Baubranche stattgefunden hat.

Projektleiter AG: "Ich begrüße alle Anwesenden zum heutigen Preisaufklärungsgespräch für unsere Bauausschreibung. Ich freue mich, dass Sie als Bieter an erster Stelle liegen, und darf gleich zur Sache kommen, damit wir rasch fertig werden. Die Positionen A bis D enthalten sehr niedrige Leistungsansätze. Wie wurde das kalkuliert, und warum halten Sie diese Ansätze für realistisch?"

Projektleiter Bieter: "Das kommt aus Erfahrungswerten. Wir können jedenfalls bestätigen, dass wir zu unseren Preisen stehen."

Rechtsberater AG: "Na ja, das ist ein bisschen wenig. Wir brauchen schon eine inhaltliche Erklärung und keine Stehsätze."

Projektleiter AG: "Wirklich? Mir würd's reichen. Nun, schauen wir zunächst einmal weiter. Zu den Positionen E bis G: Da steht in den K7-Blättern nur 'Sub Lohn' und 'Sub Sonstiges'. Können Sie die Kalkulation dazu näher aufgliedern?"

Projektleiter Bieter: "Wir haben den Subunternehmer danach gefragt, er hat das nicht geliefert."

Rechtsberater AG: "Ja, aber wir brauchen Details, 'Sub Lohn' und 'Sub Sonstiges' hat ja nichts mit einer K7-Detailkalkulation zu tun."

Projektleiter Bieter: "Möglich, aber was sollen wir machen? Wir könnten natürlich selbst irgendwelche Zahlen einsetzen, aber das sind dann bloße Hausnummern, wir wissen ja nicht, wie es der Subunternehmer kalkuliert hat."

Projektleiter AG: "Hausnummern sind besser als gar nichts."

Rechtsberater AG: "Hm, also …"

Projektleiter AG: "Gut, dann bitte bis Montag entsprechende Hausnummern nachsenden. Gehen wir weiter zur Position H: Das ist ein auffällig hoher Einheitspreis, und verbunden damit, dass hier die Menge deutlich steigen könnte, haben wir Sorge, dass Sie darauf ein bisschen spekuliert haben. Was können Sie dazu sagen?"

Projektleiter Bieter: "Auch das kommt aus Erfahrungswerten, und wir werden auch hier zu unserem Preis stehen."

Projektleiter AG: "Ja, logisch, dass Sie dazu stehen werden, wenn die Menge steigt. Sinken kann sie ja praktisch nicht. Wir hätten hier gerne die Zusage, dass bei einer Mengenerhöhung um mehr als 20 Prozent der Einheitspreis für die weiteren Mengen um zumindest 50 Prozent niedriger abgerechnet wird."

Projektleiter Bieter: "Aber das ist doch vergaberechtlich nicht zulässig, dass wir hier über die Preise verhandeln, oder?"

Rechtsberater AG: "Das ist schon richtig, also …"

Projektleiter AG: "Wir gehen ja nicht davon aus, dass die Zuschlagsentscheidung angefochten wird, dann macht das eh nichts. Ist das richtig, Herr Rechtsberater?"

Rechtsberater AG: "Nun, wenn es zu keinem Nachprüfungsverfahren kommt …"

Projektleiter AG: "Na also. Wie schaut's aus mit einer solchen Zusage?"

Projektleiter Bieter: "Da muss ich meine Rechtsabteilung fragen, das kann ich jetzt nicht sagen."

Projektleiter AG: "Wir brauchen diese Zusage aber jetzt. Wenn nicht, müssten wir nochmals prüfen, ob Ihr Angebot nicht auszuscheiden ist."

Projektleiter Bieter: "Gut, ein Vorschlag: Man könnte im Vertrag den Ausschluss von MKF für verspäteten Baubeginn so einschränken, dass das nur bei einer Verspätung von bis zu zwei Wochen gilt. Dann können wir diese Zusage machen."

Projektleiter AG: "Was meinen Sie dazu, Herr Rechtsberater?"

Rechtsberater AG: "Ist auch schon wurscht."

Projektleiter AG: "Gut. Dann sind wir fertig für heute. Vielen Dank, und ich freue mich auf die künftige Zusammenarbeit."

Rechtsberater AG: "Das Protokoll fehlt noch."

Projektleiter AG: "Ach ja, das Protokoll! Die Handschlagqualität zählt nichts mehr, muss ja alles rechtlich korrekt sein."

Rechtsberater AG: "Ja, das ist die alte Henne-Ei-Frage: Was war zuerst da, die Verrechtlichung oder der Vertrauensverlust?"

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