Teil 2

Rechtsschutz als Hürdenlauf: Die Antragslegitimation

Rechtsschutz
05.10.2022

Eine aktuelle Entscheidung des Verwaltungs­gerichtshofs zeigt ein Problem auf, nämlich: Wann ist ein Unternehmer überhaupt zu einer Anfechtung berechtigt (also antragslegitimiert)?

Im Artikel der vorigen Ausgabe an dieser Stelle wurde über die Hürden des Rechtsschutzes berichtet. Es ging um die Anfechtung von Vergabeverfahren ohne vor­herige Bekanntmachung, also wenn der Antrag­steller – mangels Bekanntmachung – keinen Einblick in die Inhalte der Vergabe hat.

Eine aktuelle Entscheidung des Verwaltungs­gerichtshofs (VwGH 7.6.2022, Ra 2021/04/0014) zeigt ein weiteres Problem in diesem Zusammenhang auf, nämlich: Wann ist ein Unternehmer überhaupt zu einer solchen Anfechtung berechtigt (also antragslegitimiert). Konkret ging es darum, dass strittig war, ob der Antragsteller damals – also zum Zeitpunkt des angefochtenen Vergabeverfahrens – die erforderliche gewerberechtliche Befugnis gehabt hat. Daraus ergibt sich die Frage, ob jemand, der die Befugnis nicht hatte, überhaupt antragslegitimiert sein kann, weil er mangels Eignung ohnehin keine Chance auf Auftragserteilung gehabt hätte.

Der VwGH sah diese Frage differenziert:

  • Der Antragsteller muss nicht nachweisen, dass er damals geeignet gewesen wäre. Es ist also keine rückwirkende Eignungsprüfung auf Basis der damaligen Ausschreibungsunterlagen durchzuführen.
  • Aber: Er muss zumindest glaubhaft machen, dass ihm eine erfolgreiche Teilnahme am Vergabeverfahren möglich gewesen wäre.

Strenge Auslegung des VwGHs

Im Anlassfall lag laut VwGH diese Glaubhaft­machung nicht vor. Der Antragsteller vertrat im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht die Rechtsansicht, dass er die Befugnis gehabt hätte (was das Verwaltungsgericht und auch der VwGH anders sahen), andernfalls hätte er dafür auf "geeignete Dritte" zurückgreifen können.

Das war dem VwGH zu wenig, dieses Vorbringen war ihm zu wenig substantiiert. Man kann der Entscheidung entnehmen, dass bei fehlender Befugnis zumindest glaubhaft zu machen ist, dass die Befugnis durch das mögliche Eingehen einer Bieter­gemeinschaft mit einem befugten Unternehmer oder durch die Heranziehung eines befugten Subunternehmers hätte substituiert werden können (es bleibt allerdings fraglich, ob ein konkreter Unternehmer als Bietergemeinschaftspartner oder Subunternehmer genannt werden muss und dieser das vielleicht sogar bestätigen muss; wohl eher nicht, denn sonst wäre man eigentlich bei einer rückwirkenden Eignungsprüfung, die laut VwGH überzogen wäre).

Der VwGH verwies auch auf den Unterschied zu einer älteren Entscheidung (16.12.2015, Ro 2014/04/0065), in der er auf den ersten Blick weniger streng war: Dort war die Befugnis des Antrag­stellers unstrittig, es ging nur darum, ob er die erforderlichen Fahrzeuge für den Auftrag hätte beschaffen können. Dies – also die Möglichkeit der kurzfristigen Beschaffung von Fahrzeugen – sah der VwGH als unproblematisch an (ein Problem könnte aber vielleicht dann vorliegen, wenn es sich um seltene und nur schwer kurzfristig zu beschaffende Fahrzeuge handelt).

Fragen bleiben offen

Interessant ist die Betrachtung des vorliegenden Sachverhalts unter Berücksichtigung der im vorigen Artikel erörterten Entscheidung des Europä­ischen Gerichtshofs (EuGH 14.7.2022, C-274/21 und C-275/21): Zwar war vorliegend offenbar dem Antragsteller bekannt, welche Leistungen ohne Bekanntmachung vergeben wurden; aber wenn dies nicht so wäre, wäre es auch fraglich, was ein Antragsteller konkret zur Befugnis vorbringen soll, weil die Befugnis hängt vom konkreten Leistungsumfang ab (der dem Antragsteller mangels Bekanntmachung oftmals nicht bekannt ist).

Überdies musste der Antragsteller im Laufe des Verfahrens seinen Antrag auch verbessern, weil er ursprünglich nicht konkret angab, welche Fest­stellung über welchen Zeitraum begehrt wurde (also welche konkrete Entscheidung bzw. Vergabe des Auftraggebers in welchem Zeitraum angefochten wurde). Auch diese Verbesserungspflicht ist im Lichte der obigen EuGH-Entscheidung zumindest zweifelhaft.

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