Ausschreibung

Bestandsfestigkeit von Fehlern

Rechtstipp
28.06.2021

Welche Ausnahmen gibt es zur Bestandsfestigkeit von Ausschreibungsfehlern, und worauf Bieter achten müssen.

Ein rechtswidriger Inhalt einer Ausschreibung ist grundsätzlich nur dann relevant, wenn die Ausschreibung rechtzeitig angefochten wird. Ansonsten wird sie „bestandsfest“. Diese Einschränkung des Rechtsschutzes durch das Bundesvergabe­gesetz besteht bereits seit rund 20 Jahren (derzeit im BVergG 2018) und ist schon weithin bekannt.Diese Bestandsfestigkeit kann nur durch recht­zeitige Anfechtung beim zuständigen Verwaltungs­gericht verhindert werden. Die Anfechtungsfrist gegen Ausschreibungsbestimmungen endet zehn Tage nach Übermittlung bzw. Bereitstellung; wenn die Angebotsfrist länger als 17 Tage dauert, endet die Anfechtungsfrist 7 Tage vor Ablauf der Angebotsfrist (§ 343 BVergG 2018, die Vergaberechtsschutzgesetze der Länder enthalten gleichlautende Bestimmungen).

Ausnahmen bei Rechtswidrigkeiten?

Allerdings gab es in der Judikatur bereits Ausnahmen von diesem Grundsatz, wenn gravierende Rechts­widrigkeiten vorliegen. Beispielsweise werden sie nicht bestandsfest, wenn in der Ausschreibung die Zuständigkeit der Vergabekontrollbehörden ausgeschlossen wird; oder wenn die Zuschlagskriterien so mangelhaft sind, dass gar kein Bestbieter festgestellt werden kann.

In einer aktuellen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH 18.1.2021, Ra 2019/04/0083) ging es um diese Frage. In einer Ausschreibung war ein Produkt vom Auftraggeber vorgegeben, ohne dass der Zusatz „oder gleichwertig“ ergänzt war. In einem solchen Fall müsste jeder Bieter daher das vorgegebene Produkt anbieten, ohne die Möglichkeit, gleichwertige Alternativprodukte anzubieten. Es darf aber gemäß §§ 106 Abs. 5 bzw. 274 Abs. 5 BVergG 2018 „soweit es nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist, […] in technischen Spezifikationen“ kein bestimmtes Produkt (oder bestimmte Marken, Patente, Typen, ein bestimmter Ursprung oder eine bestimmte Produktion, ein bestimmter Hersteller oder eine sonstige bestimmte Herkunft oder ein besonderes Verfahren) vorgegeben werden. Wenn dies ausnahmsweise durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist, muss ausnahmslos der Zusatz „oder gleichwertig“ ergänzt sein.

Das Verwaltungsgericht war zunächst der Ansicht, dass ein solcher Verstoß gegen das BVergG 2018 nicht bestandsfest würde, weil dadurch auch die Grundsätze des Vergaberechts – insbesondere jene des freien Wettbewerbs und der Gleichbehandlung der Bieter – verletzt wären.

Der VwGH hat dem aber widersprochen. Zwar ist eine unklare Ausschreibungsbestimmung im Zweifel so auszulegen, dass sie den Grundsätzen des Vergaberechts nicht widerspricht, aber wenn dies nicht möglich ist, kann auch eine Verletzung der Grundsätze des Vergaberechts bestandsfest werden.

Wesentliche Grundsätze

Diese Rechtsansicht des VwGH ist nachvollziehbar. Auszugsweise sind folgende wesentliche Grundsätze des Vergabeverfahrens in §§ 20 bzw. 193 BVergG 2018 festgelegt:

◼ Gleichbehandlung aller Bewerber und Bieter;

◼ Nichtdiskriminierung;

◼ Verhältnismäßigkeit;

◼ Transparenz;

◼ freier und lauterer Wettbewerb;

◼ Wahrung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit;

◼ Vergabe nur an befugte, leistungsfähige und zuverlässige (geeignete) Unternehmer zu angemessenen Preisen;

◼ keine gebietsmäßige Beschränkung der Teilnehmerkreise oder Beschränkung auf einzelne Berufsstände, obwohl auch andere Unternehmer zur ­Leistungserbringung berechtigt sind.

Bei Durchsicht der Vorgaben des BVergG 2018 für die Ausschreibungsinhalte wird man kaum eine Bestimmung finden, die nicht Ausdruck einer oder mehrerer dieser Grundsätze des Vergabeverfahrens ist. ­Allein durch die Grundsätze der Gleich­behandlung, der Transparenz, des freien und lauteren Wett­bewerbs und der Vergabe nur an geeignete Unternehmer zu angemessenen Preisen sind fast alle Bestimmungen abgedeckt.

Rechtzeitig reagieren empfohlen

Rechtswidrige Ausschreibungsinhalte werden daher weiterhin bei Nichtanfechtung grundsätzlich bestandsfest. Daher sollte jeder Bieter Inhalte, die er für rechtswidrig hält, rechtzeitig bekämpfen, andernfalls sollte er diese im Angebot einhalten.

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