Vetragsänderungen

Vergaberecht: Preissteigerungen und Lieferengpässe

Vergaberecht
23.03.2022

Das aktuelle Weltgeschehen droht Preissteigerungen und Lieferengpässe weiter zu verschärfen. Wann Vertragsänderungen ohne Neuausschreibungspflicht zulässig sind.

Gerne würde ich an dieser Stelle schreiben, dass das Thema Vergangenheit ist. Aber abgesehen davon, dass auch die Covid-19-Pandemie mit ihren Folgen noch nicht als erledigt betrachtet werden kann, drohen leider aufgrund des unfassbaren Ukraine-Konflikts weitere solche Auswirkungen.

Falls Ansprüche auf Preiserhöhung und/oder Bauzeitverlängerung bestehen, haben Auftraggeber, die dem Vergaberecht unterliegen, manchmal die Sorge, dass das eine unzulässige nachträgliche Vertrags­änderung sein könnte. Aber § 365 BVergG 2018 enthält sechs Ausnahmetatbestände, nach denen eine Vertragsänderung ohne Neuausschreibungspflicht zulässig ist und von denen einige auch in solchen Fällen in Betracht kommen (auch wenn die Auslegung dieser Regelungen, auch aufgrund der spärlichen Judikatur, einige Unsicherheiten beinhaltet).

Aufgrund der Komplexität werden nachfolgend nicht die gesamten Bestimmungen im Detail angesprochen, sondern ausgewählte ­Problemstellungen im gegenständlichen Zusammenhang. Im Einzel­fall müsste das jeweils genauer analysiert werden.

Geringfügige Änderungen (§ 365 Abs. 3 Z 1 BVergG 2018)

Änderungen von Bauaufträgen, die weder den Wert des Oberschwellenbereichs (derzeit 5,382 Millionen Euro netto) noch 15 Prozent der ursprünglichen Auftragssumme übersteigen, sind zulässig. Dabei sind sämtliche Änderungen während der Vertragslaufzeit zusammenzurechnen. Die erste Änderung, mit der eine der beiden Grenzen überschritten wäre, ließe sich also nicht mehr nach diesem Ausnahmetatbestand rechtfertigen.

Weiters darf der "Gesamtcharakter" des Vertrags nicht verändert werden, was aber in solchen Fällen wohl nicht zu erwarten ist.

Im Vertrag vorbehaltene Änderungen (§ 365 Abs. 3 Z 2 BVergG 2018)

Änderungen, die "unabhängig von ihrem Wert in den ursprünglichen Ausschreibungsunterlagen in klar, präzise und eindeutig formulierten Vertrags­änderungsklauseln vorgesehen sind" und "Angaben zu Umfang und Art der möglichen Änderungen oder Optionen sowie zu den Bedingungen enthalten, unter denen sie zur Anwendung gelangen", sind zulässig.

Dafür ist im Einzelfall der konkrete Vertrag genauer zu betrachten. Außerdem darf wieder der "Gesamtcharakter" des Vertrags nicht verändert werden (siehe oben).

Allgemein unwesentliche Änderungen (§ 365 Abs. 2 iVm Abs. 3 Z 4 BVergG 2018)

Hier ist vor allem eine von mehreren Voraussetzungen relevant: Das wirtschaftliche Gleichgewicht des Vertrags darf nicht zugunsten des Auftragnehmers verändert werden. Soweit sich allerdings Ansprüche auf Preiserhöhung oder Bauzeitverlängerung bereits aus dem Vertrag ergeben, liegt gar keine Vertragsänderung vor, sodass das unproblematisch ist.

Wenn zwar die Preisänderungen oder Bauzeitverlängerungen aus dem Vertragstext nicht hervorgehen, aber zwingende zivilrechtliche Ansprüche des Auftragnehmers bestehen, könnte argumentiert werden, dass zwingende zivilrechtliche Ansprüche einem Vertrag ohnehin zugrunde liegen und daher auch keine Vertragsänderung im Sinne dieser Bestimmung darstellen.

Unvorhersehbare Änderungen (§ 365 Abs. 2 iVm Abs. 3 Z 4 BVergG 2018)

Änderungen, die wegen Umständen notwendig (die Gesetzesmaterialien sagen, dass dieses "notwendig" als "zweckmäßig" zu interpretieren ist) werden, die ein sorgfältiger Auftraggeber während des Vergabeverfahrens nicht vorhersehen konnte, sind zulässig.

Die gegenständlichen wirtschaftlichen Zustände bzw. ihre Ursachen sind grundsätzlich wohl ein Parade­fall der Unvorhersehbarkeit; vorausgesetzt, dass diese Zustände nicht bereits während des Vergabe­verfahrens bekannt waren.

Der Höhe nach sind diese Änderungen für öffent­liche Auftraggeber mit 50 Prozent der Gesamtauftragssumme (allerdings im Einzelfall, ohne Zusammen­rechnung mehrerer Änderungen) begrenzt. Im Sektorenbereich gilt keine Grenze.

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Bau