Analyse

Ungewöhnliche Entwicklung von Baukosten und Baupreisen

Bauwirtschaft
26.07.2023

Von: Redaktion Handwerk + Bau
Aktualisiert am 28.07.2023
In der Baubranche herrscht aktuell angespannte Stimmung. Das Vorjahr war dafür eines mit überdurchschnittlichen Gewinnspannen. Eine Zusammenführung und Auswertung amtlicher Zahlen der ARGE Eigenheim zeigt eine Entkoppelung der Baupreise von den Baukosten.
Herwig Pernsteiner, Präsidiumsmitglied der ARGE Eigenheim analysiert: "Die Baupreise haben sich erstmalig von den Baukosten entkoppelt". 
Herwig Pernsteiner, Präsidiumsmitglied der ARGE Eigenheim analysiert: "Die Baupreise haben sich erstmalig von den Baukosten entkoppelt". 

Die amtlichen Zahlen der Statistik Austria zur Entwicklung der Baukosten und der Baupreise in Österreich sind wichtige Maßzahlen im volkswirtschaftlichen System und geben Orientierung über das (wirtschaftliche) Baugeschehen. Der Baukostenindex beobachtet dabei monatlich die Entwicklung der von Bauunternehmer*innen zu tragenden Kosten für Material und Lohn im Rahmen der Ausführung von Bauvorhaben. Der Baupreisindex gibt quartalsweise die Entwicklung der Marktpreise für die Bauleistungen wieder. Kurz gesagt, zeigt der Baukostenindex die Kosten für die/den Bauausführende(n) für Material und Lohn auf, während der Baupreisindex die Kosten für den/die Bauherr*in wiedergibt. Die Differenz zwischen diesen beiden Indizes ist demnach die Gewinnspanne für Bauausführende.

Baukosten- und Baupreisentwicklung der letzten zehn Jahre

Herwig Pernsteiner, Präsidiumsmitglied der ARGE Eigenheim
Herwig Pernsteiner, Präsidiumsmitglied der ARGE Eigenheim.

Spannend ist die Entwicklung der Baukosten und Baupreise im Wohnhaus- und Siedlungsbau, wie die ARGE Eigenheim ausgewertet hat: Demnach zeigt eine Zusammenführung der Datensätze über den Verlauf der letzten zehn Jahre, dass Baukosten und Baupreise lange parallel gelaufen sind. "Zwischen 2013 bis 2019 sind diese beiden Indizes mit jeweils rund zwei bis drei Prozent pro Jahr angewachsen, wobei der Baukostenindex sogar über dem Baupreisindex lag, was einer Gewinnschmälerung gleichkommt", erklärt Herwig Pernsteiner, Präsidiumsmitglied der ARGE Eigenheim, einem Zusammenschluss von rund 100 Wohnbauunternehmen.
Zwischen 2020 und 2021, dem ersten Corona-Jahr, gab es ein Zeitfenster, in dem die Baupreise stärker angewachsen sind als die Baukosten. "Erstmalig in diesem Beobachtungszeitraum der letzten zehn Jahre sind die Baupreise zum einen stärker angewachsen als die Baukosten und zum anderen waren sie auch anteilig höher", so Pernsteiner. Das war der erste Zeitabschnitt, in dem für die Bauwirtschaft überdurchschnittliche Ertragspotentiale gegeben waren.

Veränderung der Baukosten und Baupreise von 2013 bis 2023.
Veränderung der Baukosten und Baupreise von 2013 bis 2023.

2021: Exorbitanter Kosten- und Preisanstieg

Ab dem Jahr 2021 kam eine weitere Verschärfung hinzu: Es ist zu einem exorbitanten Anwachsen der Baukosten und im Gleichklang zu einer ebensolchen Steigerung bei den Baupreisen gekommen. Die Steigerungsraten lagen dabei in den 16 Monaten von Jänner 2021 bis Mai 2022 bei über 20 % (Baukosten: + 22,4 %, Baupreise: + 20,3 %).
In den 96 Monaten davor – von Jänner 2013 bis Dezember 2020 – kam es zu einem vergleichsweise geringen Anwachsen von 13,9 % bei den Baukosten und 21,8 % bei den Baupreisen.

2022: Entkoppelung der Baupreise von den Baukosten

In der Zusammenführung und Interpretation dieser beiden Kennzahlen ist nun interessant, dass die Baukosten ab Mai bis Dezember 2022 leicht gesunken und in der Folge wieder geringfügig gestiegen sind und nun offenbar eine klassische Seitwärtsbewegung gegeben ist. Im Gegensatz dazu sind die Baupreise aber unaufhaltsam weitergestiegen. "Die Baupreise haben sich erstmalig von den Baukosten entkoppelt – der weitgehend parallele Lauf der letzten zehn Jahre ist seit Mai 2022 aufgebrochen. Aus diesen amtlichen Zahlen lässt sich ableiten, dass die Baufirmen insbesondere im Jahr 2022 markante Gewinnspannen im Preis realisieren konnten", analysiert Herwig Pernsteiner, Präsidiumsmitglied der ARGE Eigenheim. Da schmerzt der aktuelle Rückgang der Bauaufträge umso mehr.
(bt)

Klaffen auseinander: Veränderung der Baukosten und Baupreise von 2022 bis 2023.
Klaffen auseinander: Baukosten und Baupreise von 2022 bis 2023.

Zur ARGE Eigenheim

Die ARGE Eigenheim ist ein Zusammenschluss von rund 100 Wohnbauunternehmen in Österreich mit einem Verwaltungsbestand von über 400.000 Einheiten, etwa 5.000 Mitarbeitern und einem jährlichen Bauvolumen von mehr als einer Milliarde Euro. Die genannten Indizes beziehen sich auf den Wohnhaus- und Siedlungsbau der Statistik Austria.