Dunkelziffer

In der Krise boomt der Pfusch?

Schattenwirtschaft und die Baubranche hängen leider eng zusammen, das wird sich so schnell auch nicht ändern.

Geht es mit der Wirtschaft bergab, hat der Pfusch Hochkonjunktur – so lautet einer dieser Sätze, der, egal bei welcher Krise, immer schnell hervorgeholt wird. Eine der Grund­annahmen dabei ist, dass gerade einkommens­schwächere Haushalte sich gewisse Ausgaben nicht mehr leisten können und deshalb diese unter der Hand erledigen lassen. Dabei fragen sich jedoch viele Unternehmer*innen der Baubranche, wer diese Arbeiten eigentlich noch nebenbei erledigt und warum. Job­angebote für feste Anstellungen gäbe es prinzipiell genug. Wobei hier auch schon das ­kommende Jahr seine Schatten vorauswirft.

Drastischer Anstieg

Schon Anfang Juli prognostizierte Friedrich ­Schneider, Research Institute of Banking and ­Finance der Johannes-Kepler-Universität Linz, einen sehr starken Anstieg der Schattenwirtschaft, nachdem sich diese im Vorjahr auf niedrigem Niveau eingependelt hatte. "Diese Prognose hat sich verfestigt: In Österreich wird 2022 die Schattenwirtschaft aufgrund der hohen Inflationsrate von circa neun Prozent und der stark gestiegenen Energiekosten um rund 900 Millionen Euro auf 28.720 Millionen Euro steigen", sagt Schneider, der seine Annahme bestätigt sieht. "Der Anstieg wäre aber noch wesentlich stärker, nämlich rund 1,8 Milliarden Euro, wenn es nicht in diesem Jahr die geplanten steuerlichen und anderen Entlastungsmaßnahmen geben würde."

Einen großen Anteil an dieser Statistik hat erfahrungsgemäß auch der Sektor Bau. Schneider geht davon aus das, dass rund 39 Prozent der Pfuscher in der Baubranche tätig sind. "Das bedeutet eine Zunahme im Bausektor von 351 Millionen Euro in diesem Jahr", ergänzt der Experte.

Schattenwirtschaft ist in Österreich eine Konstante und hält sich auf hohem Niveau.
Schattenwirtschaft ist in Österreich eine Konstante und hält sich auf hohem Niveau. (Quelle: eigene Berechnungen; Prof. Dr. Friedrich Schneider, Jänner 2022)

Eine Verschiebung der Delikte

Aus Sicht der Finanzpolizei lässt sich aktuell aus den bloßen Aufgriffszahlen jedoch kein Rückschluss auf gestiegene Schwarzarbeit ziehen. In den ersten acht Monaten des heurigen Jahres betrug die "Anzahl der mutmaßlich illegalen Personen in Strafanträgen" im Segment Bau 2.638 (2021 gesamt: 3.483). "Allerdings bestätigt dies den allgemeinen Trend, dass Kontrolldelikte tendenziell zurückgehen und strukturelle Betrugsformen wie Scheinunternehmenskonstrukte, Teilschwarzbeschäftigung, Fälschung von Lohnaufzeichnungen etc. hingegen zunehmen", heißt es dazu auf Anfrage aus dem Bundesministerium für ­Finanzen. Eine Einschätzung, die auch von anderer Seite bestätigt wird.

Anzahl der mutmaßlich illegalen Personen in Strafanträgen.
Anzahl der mutmaßlich illegalen Personen in Strafanträgen laut dem Bundesministerium für Finanzen.  

Spürbare Auswirkungen

Auch die Gewerkschaft Bau-Holz nimmt einen neuerlichen Anstieg der Schattenwirtschaft wahr. "Ja, wir verzeichnen einen Anstieg bei organisierter Schwarzarbeit in Verbindung mit Lohn- und Sozialdumping auf privaten und öffentlichen Baustellen", bestätigt GBH-Bundesvorsitzender Josef Muchitsch. "Wir befürchten, dass sich diese Situation aufgrund eines Konjunkturabschwungs 2023 weiter verschärfen wird." Diese Einschätzung beruht vor allem auf dem prognostizierten Rückgang der Auftragsanfragen und -eingänge aufgrund der Teuerungen und hohen Baukosten. "Die wenigen Aufträge, die übrig bleiben, werden zu einem Preisdumping zwischen den Unternehmen führen, und damit stehen die billigsten Subunternehmer wieder im Fokus Auftraggebern", erklärt Muchitsch.

Das Problem langer Ketten

Kann man bei den eigenen Subunternehmer­ketten jegliche Schwarzarbeit ausschließen?
Kann man bei den eigenen Subunternehmer­ketten jegliche Schwarzarbeit ausschließen? (Leser*innenumfrage Ö. Bauzeitung)

Wie problematisch lange Subunternehmer*innen­ketten für Arbeitnehmer*innen sein können, davon kann Radostina ­Stoyanova nicht nur eine Geschichte erzählen. Stoyanova ist organisatorisch sowie beratend für Undok, die Anlaufstelle zur gewerkschaftlichen Unterstützung undokumentiert Arbeitender, tätig. "Je länger die Subunternehmer*innenketten werden, desto schwieriger ist es, vor allem für nicht heimische Arbeitnehmer*innen, den Überblick zu bewahren", erklärt sie. "Diese arbeiten oftmals auf einer großen Baustelle und glauben, dass sie für die groß angeschriebene Baufirma tätig sind. Sind sie aber nicht, sie arbeiten für eine Subsubsubfirma und sind bei dieser unwissentlich teilweise nicht einmal angemeldet." Dabei ist es ihr wichtig festzuhalten, dass diese Arbeitnehmer*innen nicht vorsätzlich pfuschen gehen, sie wissen es einfach oftmals nicht.

Gleichzeitig weist der Markt eine hohe Dynamik bei diesen Firmen auf. Sie werden oft einfach zugesperrt oder in Konkurs geschickt und machen dann unter neuem Namen wieder auf, um Strafen oder anfallenden Zahlungen zu entgehen.

"Probezeit" und die Firmenfrage

Ein weiteres Problem vieler undokumentierter Arbeitskräfte sind die kriminellen Strukturen, die hinter ihren "Arbeitgeber*innen" stehen. Oftmals werden Arbeiter*innen, die aufgrund der EU-Regulative eigentlich legal in Österreich arbeiten könnten, angeworben, wobei offen kommuniziert wird, dass sie die ersten drei Monate nicht angestellt sind. Man müsse schauen, "wie gut sie denn arbeiten". Nach zwei ­Monaten ist jedoch der Auftrag erledigt, und die Arbeitskräfte werden an eine andere Firma weitergereicht, wo das Spiel wieder von vorne ­beginnt.

"Es gibt aber auch den anderen Fall, bei dem undokumentierte Arbeitnehmer*innen glauben, sie sein angemeldet, bemerken, dass sie es nicht sind, und konfrontieren ihren Chef damit", erzählt ­Stoyanova. "Ab diesem Moment werden fällige Zahlungen, die zumeist bar am Ende der Woche erfolgen, nicht mehr ausbezahlt, egal wie viel Tage sowie Stunden davor gearbeitet wurde." Insgesamt rät sie deswegen allen Arbeiter*innen, ihre geleistete Arbeit sowie ihre Arbeitsplätze fortlaufend zu dokumentieren, damit im Fall der Fälle rechtliche Maßnahmen greifen können.

Beeinträchtigt diese Entwicklung bereits Ihr Geschäft?
Experten erwarten aufgrund der Kostensteigerungen eine deutliche Zunahme der Schwarzarbeit. Beeinträchtigt diese Entwicklung bereits Ihr Geschäft? (Quelle: Leser*innenumfrage Ö.Bauzeitung)

Prognose mit Fragezeichen

Derzeit geht es aber um freiwilligen Pfusch am Bau, und dafür herrscht bei Teilen der Branche großes Unverständnis. Zu viele Firmen suchen händeringend nach Fachkräften, die Entlohnung stehe weit über jener des illegalen Nebenerwerbs. Prinzipiell, so die oft gehörte Meinung, wäre es möglich, alle Arbeiter*innen anzustellen. Wie lange dieses Hoch noch anhalten wird, ist jedoch fraglich. Die Prognosen und auch die Auftragslage der Baufirmen für 2023 zeichnen eher ein düsteres Bild. Wie weit die aktuellen Mitarbeiter*innen­ gehalten werden können, ist also fraglich.

Braucht es mehr Kontrollen  gegen Schwarzarbeit seitens der zuständigen Behörden?
Braucht es mehr Kontrollen seitens der zuständigen Behörden? (Quelle: Leser*innenumfrage Ö.Bauzeitung)

Doch gerade eine hohe Beschäftigungsquote ist prinzipiell eine gute "Maßnahme" im Kampf gegen Pfusch am Bau. "Zuerst muss man versuchen, dass unsere Fachkräfte und Stammarbeiter in Beschäftigung bleiben, das ist die beste Maßnahme im Kampf gegen Pfusch", unterstreicht GBH-Bundesvorsitzender Josef Muchitsch. "Bei Arbeitslosigkeit mit einem täglichen Arbeitslosengeld von durchschnittlich 35 Euro pro Tag ist es nachvollziehbar, dass der Pfusch wieder für ein höheres Einkommen genutzt wird." Eine genaue Prognose für 2023 lässt sich jedoch noch nicht abgeben, zu viele Faktoren sind aktuell nicht vorhersehbar. "Wie sich die Situation 2023 entwickeln wird?", fragt Friedrich Schneider nach. "Das ist jetzt unmöglich zu prognostizieren."

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