Lehre

Neue Chancen für altes Handwerk

Ausbildung
08.11.2022

Im Rahmen einer neuen Ausbildungsverordnung im dualen System ist seit September die Drechsler*innen-Ausbildung in der Tischlerei-Lehre integriert. Damit soll das traditionsreiche Handwerk am Leben erhalten werden.
Drechslerei
Im Rahmen einer neuen Ausbildungsverordnung im dualen System ist seit September die Drechsler-Ausbildung in der Tischlerei-Lehre integriert. Damit soll das traditionsreiche Handwerk am Leben erhalten werden.  

Treppenstäbe, Schalen, Dosen, Geländer oder Schemel: Wenn es um die kunstvolle Verarbeitung von Holz geht, sind Drechsler*innen gefragt. Mit Drehbank und -eisen ausgestattet, produzieren sie mit viel althergebrachter Handwerkskunst praktisch-schöne Stücke aus unterschiedlichen Hölzern. Seit September ist der Lehrberuf der Drechslerei in den der Tischlerei integriert – ein wichtiger Schritt für den Erhalt des traditionellen Handwerks: "Uns war es wichtig, den Drechsler-Beruf am Leben zu erhalten", berichtet Bundesinnungsmeister Gerhard Spitzbart über die Entscheidung der Bundesinnung, den Beruf an den des Tischlers anzukoppeln. Das Gewerbe ist verwandt, alleine aufgrund der verwendeten Materialien. Und weil sich mittlerweile immer weniger junge Menschen für den Drechsler-Beruf entscheiden, war die Integration quasi die "ultima ratio", um die Drechslerei nicht ans freie Gewerbe zu verlieren. "Uns ist wichtig, dass Drechsler nicht als Tischler-Anhängsel gesehen werden, sondern als eigenständige Berufsgruppe", so Spitzbart weiter. Deshalb sieht die neue Ausbildungsverordnung zwei Zweige vor – den der Tischlerei und den der Drechslerei. Der Vorteil: Viele Drechsler*innen können dadurch ihr Portfolio erweitern und auch in klassischen Tischlereibetrieben tätig werden.

Eigenständiges Handwerk

Spezielles Drechsler-Werkzeug
Spezielle Werkzeuge sorgen für den richtigen Dreh.

Den Lehrlingen wird innerhalb der Ausbildungszeit dabei der Bereich Tischlerei mit dem Schwerpunkt Drechslerei nähergebracht – das Vermitteln von Wissen und die praktischen Kenntnisse und Fertigkeiten in der Erzeugung von Werkstücken aus Holz werden in den Zweigen Tischlerei und Drechslerei zusammengeführt. "In der Praxis bedeutet das, dass im Unterricht das Drehen per Hand in Langholz, Querholz sowie auch Hirnholz vermittelt wird – auf theoretischer Ebene erfolgt das Erstellen von Skizzen, Entwurfszeichnungen sowie Bauteilelisten, die im praktischen Unterricht dann umgesetzt werden", berichtet Roland Brenner, Direktor der Berufsschule Kremsmünster. "Bisher wurden die Drechsler in sehr wenigen spezifischen Betrieben ausgebildet. Die Nachfrage nach diesem wunderbaren Handwerk war bisher größer als die angebotenen Lehrplätze", so Brenner weiter. So wurden alleine in Oberösterreich in den letzten fünf Jahren nur ein Drechsler und zwei Drechslerinnen ausgebildet. "Dennoch wurde am Standort Kremsmünster sowohl von Seiten der Bildungsdirektion viel in die Ausbildung von Lehrer*innen als auch vom Land Oberösterreich in die Ausstattung von Werkstätten investiert, um diesen traditionsreichen Lehrberuf aufrecht zu erhalten."

Durch die Integration der Drechslerausbildung kann mitunter auch der Tischlerei-Beruf an Vielfalt gewinnen.

Roland Brenner, Direktor BS Kremsmünster

Sinnvolle Erweiterung

Durch die Einbettung in den Tischler-Beruf soll die Drechslerei vielfältiger werden – und in Zukunft auch mehr Berufschancen bieten. "Dadurch kann mitunter auch der Beruf des Tischlers an Vielfalt gewinnen", so Brenner: Eine Ausbildung zum/zur "Tischler*in Plus" quasi, in der spezielle Kenntnisse mit Nischenkompetenz verknüpft werden können. Und in einer Zeit, wo Authentizität von Kund*innenseite immer mehr geschätzt wird, spielt althergebrachte Handwerkskunst nach wie vor eine große Rolle. "Nischenprodukte werden mit Sicherheit immer mehr an Bedeutung gewinnen", so Brenner. Einer, der das auch in der Praxis erlebt, ist Drechslermeister und Tischler Lukas Lettmayer. In seinem kleinen Betrieb im Ennstal beschäftigt er drei Drechsler und hat soeben einen Lehrling aufgenommen. "Natürlich war für uns zu Beginn die neue Ausbildungsverordnung herausfordernd, weil es den klassischen dualen Drechsler*innen-Ausbildungsweg dadurch nicht mehr gibt", so Lettmayer. Gleichzeitig ist der Schritt für ihn und seine Standeskolleg*innen mittlerweile durchaus nachvollziehbar: "Wir sind froh, dass der Beruf erhalten bleibt."

Natürlich war für uns zu Beginn die neue Ausbildungsverordnung herausfordernd. Gleichzeitig ist der Schritt durchaus nachvollziehbar

Lukas Lettmayer, Drechslermeister

Synergien nutzen

Direktor Preimesberger
"Die Frage ist, ob der Beruf des Drechslers einer ist, der in Ehren verschwindet – oder ob es ein Handwerk ist, das für Generationen erhalten bleibt", sagt Christoph Preimesberger, Direktor der HTBLA Hallstatt.

Auch in der HTBLA Hallstatt zeigen sich ähnliche Entwicklungen: Dort wird derzeit das Drechseln in der vierjährigen Fachschule gelehrt. "Die Frage ist für uns, ob wir in Zukunft einen ähnlichen Schritt gehen und die Drechslerei in die Ausbildung zur Tischlereitechnik integrieren", so Direktor Christoph Preimesberger. Die Nachfrage sei eher gering, derzeit gibt es vier Drechsler-Schüler*innen in unterschiedlichen Altersstufen. Die inhaltlichen und fachlichen Überschneidungen zur Tischlereitechnik könnten auch dort von Nutzen sein, um das Handwerkswissen zu erhalten. "Auch die Lehrer*innen an unserer Schule haben großes Interesse daran, den Berufszweig zu erhalten – mit einem oder zwei Schüler*innen ist das allerdings langfristig herausfordernd", erläutert Preimesberger. Bei aller Wertschätzung zur Eigenständigkeit müsse man also auch ganz pragmatisch und realistisch die aktuellen Entwicklungen einschätzen: "Die Frage ist, ob der Beruf des Drechslers, der Drechslerin einer ist, der in Ehren verschwindet – oder ob es ein Handwerk ist, das für Generationen erhalten bleibt. Die neue Ausbildungsverordnung im dualen System legt den Grundstein für das zweite Szenario." Und wer weiß, was die Zukunft bringt? "Im Bereich Restauration merken wir beispielsweise, dass wir Wissen benötigen, das schon fast nicht mehr zugänglich ist. Und umgelegt auf den Drechsler-Beruf ist es wesentlich, dass das Wissen um dieses jahrhundertealte Handwerk nicht nur ein tradiertes bleibt, sondern eines, das auch in einer offiziellen Ausbildungsverordnung verankert ist." (gh)

IM ÜBERBLICK: Lehrberufe neu

Seit 1. September 2022 ist ein neues Lehrberufspaket in Kraft: Zum einen wurde darin die Zusammenführung der zwei Lehrberufe Tischlerei und Drechslerei in einem Schwerpunktlehrberuf mit den fachlichen Kompetenzbereichen Tischlereiarbeiten, allgemeine Tischlerei und Drechslerei sowie der Fokus auf Nachhaltigkeit (z. B. beim Materialeinsatz) verankert. Auch im Bereich Tischlereitechnik gibt es Neuerungen: Die Lehrberufe Tischlereitechnik und Modellbauer/-in mit den Schwerpunkten Produktion, Planung und Modell- und Formenbau wurden im neuen Lehrberuf zusammengeführt. Diese Art der Spezialisierung soll vor allem für größere Unternehmen mit IT-gestützter Planung und Produktion eine Ergänzung darstellen.

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