Montanuni Leoben

Metallforschung mit praktischem Nutzen

Aluminium
08.03.2022

 
Stefan Pogatscher, Professor am Lehrstuhl für Nichteisenmetallurgie an der Montanuniversität Leoben, ist für den "Houskapreis 2022 All Stars" nominiert.
Houskapreis
Den praktischen Nutzen von Forschung honoriert der "Houskapreis 2022 All Stars" der österreichischen B&C Privatstiftung.

Mit dem "Houskapreis 2022 All Stars" zeichnet die B&C Privatstiftung jene Projekte aus, die zwischen 2005 und 2020 bereits nominiert waren und seither den größten wirtschaftlichen Erfolg aufweisen. Aus 28 Einreichungen sind nun fünf Projekte ausgewählt worden, die am 28. April 2022 erneut eine Chance auf den österreichischen "Forschungs-Oscar" haben. Neben zwei Projekten der Universität Innsbruck sowie jeweils einem Projekt der Technischen Universität Wien und des Unternehmens Marinomed Biotech ist auch die Montanuniversität Leoben in der Endrunde zum "Houskapreis 2022 All Stars".

Erfolgreiche Umsetzung in der Produktionspraxis

An der Montanuniversität Leoben forschen Stefan Pogatscher und sein Team am Lehrstuhl für Nichteisenmetallurgie an der Manipulation der Härtungskinetik von Aluminium für Transport und Verkehr. In diesem Rahmen beschäftigt sich Pogatscher mit atomaren Vorgängen in der Frühphase der Aushärtung von Aluminiumlegierungen.

Der Bedarf an Aluminium im Transportsektor steigt seit Jahren ungebrochen. Das Forschungsteam an der Montanuni hat einen Weg gefunden, Aluminium-Legierungen unter Beibehaltung einer hohen Festigkeit leichter verformbar zu machen. Dieser Ansatz bildete die Basis für die Entwicklung neuer Aluminium-Legierungen, bei dem auch die Recyclingfähigkeit im Fokus stand, und führte zu weiteren Patenten.

Diese Entwicklungen werden erfolgreich vom österreichischen Aluminiumkonzern Amag Austria Metall AG umgesetzt. Die Forschungsarbeit des Teams um Stefan Pogatscher erlaubt es der Amag, eine Produktpalette zu bespielen, die nur von wenigen, wesentlich größeren Mitbewerbern angeboten werden kann. Die für 2025 geplante Absatzmenge von 25.000 Tonnen pro Jahr wurde bereits 2021 deutlich übertroffen.

International anerkannt

Für ihre Errungenschaften im Bereich der Härtungskinetik von Aluminium für Transport und Verkehr hatten Pogatscher und sein Team schon 2016 beim Houskapreis den 1. Platz in der Kategorie "Hochschulforschung" erreicht. Im Jahr 2017 erhielt Pogatscher darüber hinaus den mit 1,5 Millionen Euro dotierten "Starting Grant" des Europäischen Forschungsrates (ERC).

Kooperationsvertrag
v.l.n.r.: Amag Technikvorstand Dr. Helmut Kaufmann, Amag Vorstandsvorsitzender Mag. Gerald Mayer, Montanuni-Rektor Prof. Wilfried Eichlseder, Prof. Stefan Pogatscher (Montanuni Leoben), Prof. Helmut Antrekowitsch (Montanuni) und B&C-Generalsekretärin Dr. Mariella Schurz (B&C Privatstiftung).

Kooperationsvertrag verlängert

Im Dezember 2021 hat die Amag gemeinsam mit der B&C Privatstiftung einen weiteren Kooperationsvertrag mit dem Lehrstuhl für Nichteisenmetallurgie an der Montanuniversität Leoben im Ausmaß von mehr als einer Million Euro über die Laufzeit von sieben Jahre abgeschlossen, um die Aluminiumforschung in Österreich weiter zu stärken. [gr]

Zur Person

Portrait Stefan Pogatscher 2016
Stefan Pogatscher

Stefan Pogatscher hat an der Montanuniversität Leoben Metallurgie studiert und dort 2012 promoviert. Nach einem Post-Doc-Aufenthalt an der ETH Zürich trat er im Mai 2015 eine Stelle zunächst als Assistenzprofessor, seit 2017 als assoziierter Professor, an der Montanuniversität an. Seit 2015 ist er außerdem Stiftungsprofessor für Werkstofftechnik von Aluminium am Lehrstuhl für Nichteisenmetallurgie. Pogatschers Forschung beschäftigt sich mit metallischen Gläsern, Magnesiumlegierungen und der Werkstofftechnik von Aluminium.

Die Bewegung von Atomen in Metallen

Fast alle Materialien zeigen Nicht-Gleichgewichtsphasenübergänge, über welche viele technologisch wichtige Eigenschaften (z. B. Festigkeit, Korrosionsbeständigkeit, magnetische Eigenschaften usw.) eingestellt werden.

Eine Schlüsselfrage der Materialwissenschaft ist es zu verstehen, wie schnell diese Übergänge auftreten und damit die gewünschten Eigenschaften erreicht werden können. In Metallen ist diese Geschwindigkeit über fehlende Atome geregelt. Der Mechanismus funktioniert wie ein mit Figuren besetztes Schachbrett, wobei die Figuren die Atome im Material darstellen. Sind alle Felder besetzt, können sich die Figuren nicht bewegen. Nur wenn Figuren fehlen, sind diese beweglich. Obwohl der Mechanismus bereits Mitte des 20. Jahrhunderts entdeckt wurde, gibt es bis heute in Nicht-Gleichgewichts-Situationen keine allgemein gültigen Berechnungsmodelle, weil eine indirekte oder direkte Beobachtung der fehlenden Atome bei industriell relevanten Bedingungen aufgrund deren Geschwindigkeit und der Lokalisierung auf einzelne Atompositionen nicht möglich war.

Um diese Limitierung auszuhebeln verwendet der Forscher einerseits ultraschnelle Chip-Kalorimetrie, um die Geschwindigkeit dieser Reaktionen im Nicht-Gleichgewicht zu messen und die Entwicklung der Anzahl an fehlenden Atomen indirekt zu bestimmen. Auch soll die neuartige Technik der Chip-Kalorimetrie als Standard für die thermische Analyse von Metallen etabliert werden.

Andererseits ist es das Ziel, sehr lokal mittels Raster-Transmissionselektronenmikroskopie die Bewegung einzelner fehlender Atome in Metallen zu filmen, womit diese erstmals direkt bei deren Arbeit des Transports von Atomen beobachtet werden können.

Das Projekt schließt eine über ein halbes Jahrhundert bestehende Lücke zwischen Theorie und Experiment. Aus den Erkenntnissen sind erhebliche Auswirkungen auf die Optimierung und Gestaltung neuer Prozesse und Produkte im Bereich der Metallurgie, aber auch in der Materialwissenschaft insgesamt, zu erwarten.

[Quelle: METALL 10/2017]

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