Insolvenzen

Wirtschaftslage hält Firmenpleiten auf hohem Niveau

11.12.2025

Laut aktueller Hochrechnung des KSV1870 haben 2025 insgesamt 6.857 Unternehmen Insolvenz angemeldet – im Schnitt sind das neunzehn Firmenpleiten pro Tag. Die Branchen Bau, Handel und Tourismus sind erneut besonders stark betroffen.

Laut aktueller Hochrechnung des Kreditschutzverbands von 1870 (KSV1870) mussten im Jahr 2025 in Österreich 6.857 Unternehmen Insolvenz anmelden, das entspricht einem Anstieg von 4,1 Prozent gegenüber 2024. Im Durchschnitt rutschten damit neunzehn Betriebe pro Tag in die Pleite. Die vorläufigen Passiva belaufen sich auf rund 8,38 Milliarden Euro und liegen damit um 55,8 Prozent unter dem Vorjahreswert, was vor allem auf weniger sehr große Insolvenzen zurückgeführt wird.

Kein „flatten the curve“

Nach einem massiven Insolvenzschub im Jahr 2024 habe sich das Niveau heuer nochmals erhöht, so der KSV1870. Nach einer leichten Beruhigung in den Sommermonaten kam es im vierten Quartal zu einem erneuten Anstieg auf über 1.700 Fälle. „Das Insolvenzaufkommen ist auch im historischen Vergleich unverändert hoch und eine Abflachung der Kurve steht unmittelbar nicht bevor“, wird Karl-Heinz Götze, Leiter Insolvenz beim KSV1870 in Wien, zitiert. Angesichts ausgelaufener Förderungen und vieler Neugründungen sei das aktuelle Niveau aus Sicht des Verbands allerdings „nicht völlig ausgeufert“.

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©KSV 1870

Nicht eröffnete Verfahren nehmen deutlich zu

Deutlich zugenommen hat im Jahr 2025 die Zahl jener Verfahren, die mangels kostendeckenden Vermögens gar nicht eröffnet werden. Ihr Anteil ist laut KSV1870 um 8,5 Prozent auf 2.635 Fälle gestiegen und macht damit bereits 38 Prozent aller Firmenpleiten aus. Diese Betriebe seien finanziell so ausgebrannt, dass nicht einmal die Kosten für die Verfahrenseröffnung beim Gericht aufgebracht werden können.

„Wird ein Insolvenzfall nicht eröffnet, ist eine professionelle Aufarbeitung unmöglich. Die Folgen sind verheerend. Der Betrieb muss geschlossen werden, alle Arbeitsplätze gehen verloren und die Gläubiger sehen keinen einzigen Euro“, so Götze.
Parallel dazu zeigt sich eine Verschlechterung der Bonität vieler Unternehmen. Seit der deutlich gestiegenen Inflation ab Dezember 2024 habe die gesunkene Kaufkraft die Umsätze stark belastet. Laut einer KSV1870-Umfrage berichten rund zwei Drittel der Betriebe von rückläufigen oder stagnierenden Umsätzen im Jahresvergleich. In den beiden besten Ratingklassen (minimales bzw. sehr geringes Risiko) waren 2019 noch 15,4 Prozent der Unternehmen vertreten, aktuell sind es nur mehr etwa 12,6 Prozent. Umgekehrt ist der Anteil der Unternehmen in den Klassen mit erhöhtem Ausfallrisiko auf 86,8 Prozent gestiegen. „Immer mehr Unternehmen gleiten aufgrund der stagnierenden Wirtschaftslage in Richtung Mittelmaß ab, wodurch auch deren Ausfallrisiko steigt“, analysiert Ricardo-José Vybiral, CEO der KSV1870 Holding. Gleichzeitig verweist er auf eine kontinuierliche Verbesserung der durchschnittlichen Eigenkapitalquote vieler Betriebe.

Handel, Bau und Tourismus besonders betroffen

Mit 1.208 Fällen verzeichnet der Handel einschließlich Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen 2025 die meisten Unternehmensinsolvenzen in Österreich. Hier bewegt sich der klassische Einzel- und Großhandel laut KSV1870 nur geringfügig über dem Vorjahr, während es im Bereich Kfz-Handel und -Reparatur einen leichten Anstieg gibt. Auf Platz zwei folgt die Bauwirtschaft mit 1.089 Fällen und einem Plus von rund zwei Prozent.
Auf Rang drei liegt die Branche Beherbergung und Gastronomie mit 807 Insolvenzen, was einem leichten Rückgang von etwa einem Prozent entspricht. Deutlich dynamischer ist die Entwicklung im Grundstücks- und Wohnungswesen: In diesem Segment wurden 458 Fälle gezählt, ein Anstieg von 38 Prozent. Die anhaltenden Probleme der Bauwirtschaft – schwache Auftragslage, hohes Kostenniveau und Fachkräftemangel – schlagen damit spürbar auf den gesamten Immobiliensektor durch.
Auch bei den Großinsolvenzen zeigt sich der Einfluss der Immobilienbranche. Die größte Pleite des Jahres betrifft Signa Prime Capital Invest mit Passiva von rund 870 Millionen Euro. Insgesamt ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen mit Passiva von mehr als 200 Millionen Euro deutlich gesunken: Ende 2024 wurden elf derartige Fälle gezählt, 2025 waren es nur vier. Rund die Hälfte aller Großinsolvenzen mit Passiva von mehr als zehn Millionen Euro weist laut KSV1870 einen direkten Bezug zur Bau- oder Immobilienwirtschaft auf.

Ausblick auf das Jahr 2026

Für das Jahr 2026 erwartet der KSV1870 ein ähnliches Niveau an Unternehmensinsolvenzen wie 2025, sofern sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht wesentlich verändern. Zwar prognostiziert die Wirtschaftsforschung eine rückläufige Inflation und einen moderaten Zuwachs beim Bruttoinlandsprodukt, ob diese Entwicklung die Betriebe kurzfristig merklich entlastet, sei derzeit offen.
Neben Inflation und Kostenstruktur könnten auch rechtliche Änderungen die weitere Insolvenzentwicklung beeinflussen. Im Mittelpunkt steht dabei das Gesetzespaket zur Betrugsbekämpfung 2025. Vorgesehen ist unter anderem, geleistete Sozialversicherungsbeiträge und bestimmte Abzugssteuern wie Lohn- und Umsatzsteuer von der Anfechtung durch Insolvenzverwalter auszunehmen. Nach Einschätzung des KSV1870 wäre dies ein massiver Eingriff in den seit mehr als vier Jahrzehnten geltenden Gleichbehandlungsgrundsatz und käme einer Wiederbelebung des Klassenkonkurses gleich. Der Verband geht in einem offenen Brief an die Bundesregierung davon aus, dass es in der Folge zu weniger Gläubiger- und später auch Schuldneranträgen kommen könnte und sich die Quoten für Gläubiger weiter verschlechtern würden.

Stefan Böck

Stefan Böck ist Redaktionsleiter beim Österreichischen Wirtschaftsverlag