Interview

Design im Dialog

Martin Angerer
04.12.2025

Joachim Mayr, Inhaber der Tischlerei Mayr in Lunz am See und Mitbegründer der Handwerks-Kooperative Formdepot spricht über Design, Kooperation und handwerkliche Haltung.

Wenn Tischler, Architekten und Designer an einem Tisch sitzen, ergibt das weit mehr als die Summe einzelner Gewerke – davon ist Joachim Mayr überzeugt. Der Inhaber der Tischlerei Mayr in Lunz am See ist Mitbegründer des Formdepot, einer Plattform, die Architekten, Designer und Handwerksbetriebe vereint. Hier werden Materialien, Ideen und Projekte geteilt, im Schauraum in Wien gezeigt und bei Workshops diskutiert.

Vom Tischler zum Netzwerkgestalter

Joachim Mayr leitet die Tischlerei Mayr in Lunz am See und ist Mitbegründer des Formdepot, einer Plattform für Architekten, Designer und Handwerksbetriebe, die sich auf hochwertige, gestalterisch anspruchsvolle Projekte spezialisiert. © Sophie Kirchner
Joachim Mayr leitet die Tischlerei Mayr in Lunz am See und ist Mitbegründer des Formdepot, einer Plattform für Architekten, Designer und Handwerksbetriebe, die sich auf hochwertige, gestalterisch anspruchsvolle Projekte spezialisiert. © Sophie Kirchner

Joachim Mayr leitet die Tischlerei Mayr in Lunz am See und ist Mitbegründer des Formdepot, einer Plattform für Architekten, Designer und Handwerksbetriebe, die sich auf hochwertige, gestalterisch anspruchsvolle Projekte spezialisiert. Das Formdepot betreibt in Wien einen Schauraum mit Materialbibliothek und regelmäßigen Veranstaltungen. Als Bauherr des Hotelprojekts Refugium Lunz (das Tischler Journal hat berichtet) hat Mayr zahlreiche Projekte umgesetzt, die nahezu vollständig von Mitgliedsbetrieben des Formdepot realisiert wurden – ein gelungenes Beispiel für interdisziplinäre Kooperation im Handwerk.

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Ein Paradebeispiel für diese Haltung ist das hauseigene Refugium Lunz (das Tischler Journal hat berichtet). Dieses Boutique-Hotel am Lunzer See hat Mayr als Bauherr zusammen mit Mitgliedsbetrieben des Formdepot erdacht und umgesetzt.

Tischler Journal: Herr Mayr, Sie sind Tischler, Unternehmer und Mitbegründer des Formdepot. Wie ist aus der Idee, gemeinsam mit anderen Gestaltern zu arbeiten, eine funktionierende Designplattform geworden?

Joachim Mayr: Meine Perspektive war es, eine Plattform für Architektur und designaffine Handwerksfirmen zu schaffen und gemeinsam mit Innenarchitekt*innen, Architekt*innen und einer Sammlung besonderer und schöner Materialien für unsere Kundinnen und Kunden einen – nennen wir es – „One Stop Shop“ zu schaffen.

Welche Herausforderungen und Chancen bringt dieser interdisziplinäre Ansatz im täglichen Projektgeschäft mit sich?

Die Mitglieder des Formdepot stellen sich mit jedem Projekt, mit jeder Umsetzung der Herausforderung, „für unsere Kundinnen und Kunden bestmögliche Produkte zu entwerfen und zu bauen“. © Gabriel Buechelmeier
Die Mitglieder des Formdepot stellen sich mit jedem Projekt, mit jeder Umsetzung der Herausforderung, „für unsere Kundinnen und Kunden bestmögliche Produkte zu entwerfen und zu bauen“. © Gabriel Buechelmeier

Unsere tägliche Herausforderung liegt immer darin, für unsere Kunden bestmögliche Produkte zu entwerfen und zu bauen. In der Zusammenarbeit mit anderen Firmen braucht es, wie in allen Gemeinschaften, die Bereitschaft aller Mitwirkenden, für ein gemeinsames Ziel zu arbeiten. Das wichtigsten Instrumente sind hier die Kommunikation und die ständige Abstimmung mit allen Partnern.

Die Chancen wiederum sind riesig. Jeder unserer Member und Partner bringt unendlich viel Erfahrung und Wissen mit in unsere Zusammenarbeit – so kann immer wieder Neues geschaffen werden. Ich bin immer wieder begeistert, wenn ich von einem Kollegen oder Architekten neue Details oder eine neue Oberfläche, ein neues Material kennenlernen darf.

Viele Betriebe kämpfen mit zunehmender Spezialisierung und Zeitdruck. Wie gelingt es Ihnen, handwerkliche Qualität und kreative Freiheit zu vereinen?

Ich persönlich bin vor allem für die hochwertige Umsetzung und die letzten Details in der Fertigung bei unseren Projekten zuständig. Die künstlerische Leitung liegt seit vielen Jahren bei meinem Geschäftspartner Heinz Glatzl. So können wir uns gemeinsam mit unseren Mitarbeitenden immer wieder neue Konzepte einfallen lassen, die vielleicht am Anfang noch gar nicht funktionieren – ich kann dann mit meinen handwerklichen Qualitäten und meinen Erfahrungen ganz unbeschwert Lösungen dafür suchen. Aber Sie haben Recht: für einen Handwerker steht meist bereits die machbare Lösung im Kopf und so wird eine kreative Alternative oft erst gar nicht gedacht.

Ich persönlich liebe es, Details, Oberflächen und Funktionsweisen immer wieder zu hinterfragen, neu zu denken, und neue Lösungen zu finden. Joachim Mayr

Das Refugium Lunz gilt als Paradebeispiel für die Verzahnung von Handwerk, Architektur und Design. Wie kam es dazu, und was war Ihnen bei diesem Projekt besonders wichtig?

Meine Familie ist seit Generationen eng mit dem Tourismus in Lunz am See verbunden, schon mein Vater stand vor über fünzig Jahren vor der Entscheidung, eine Tischlerei oder ein Hotel zu bauen. So ist mit die Idee, Hotelier zu werden, quasi in die Wiege gelegt.

Als sich die Chance ergab, jenes Haus zu erwerben, ganz zentral in Lunz am See, entstand die Idee, ein hochwertiges, eigentlich ungewöhnlich hochwertiges Hotelkonzept gemeinsam mit meinem Geschäftspartner und mit unseren Partnern aus dem Formdepot zu entwickeln und zu realisieren. In dieses Hotel sind alle unsere Erfahrungen mit Design, Innenarchitektur und Architektur aber auch zum Thema Hospitality, die wir in den letzten 25 Jahren gesammelt haben, eingeflossen.

Welche Materialien oder Oberflächen erleben Sie aktuell als besonders spannend und „trendy“?

Eiche ist und bleibt ein Dauerbrenner unter den Materialien. © Gabriel Buechelmeier
Eiche ist und bleibt ein Dauerbrenner unter den Materialien. © Gabriel Buechelmeier

In unserer sehr künstlichen Welt haben vor allem ehrliche Materialien, damit meine ich in der Natur gewachsene, egal ob Stein oder Holz, einen großen Wert für unsere Projekte. Seit vielen Jahren begleitet uns die Eiche, sie ist immer noch sehr stark im Einsatz. In letzter Zeit verwenden wir immer öfter Nussholz, vor allem amerikanische Nuss. Ich persönlich bin ein großer Fan der heimischen Lärche, die man großartig für modernes,aber auch historisierendes Design verarbeiten kann.

Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Wie gehen Sie als Tischler damit um?

Arbeiten in der Tischlerie Mayr: nachhaltig und gemeinschaftlich © Bianca Hochenauer
Arbeiten in der Tischlerie Mayr: nachhaltig und gemeinschaftlich © Bianca Hochenauer

Generell bin ich der Meinung, dass Handwerk sehr nachhaltig ist, da wir Möbel für Generationen bauen. In den letzten Jahren haben wir viel in das Thema Photovoltaik investiert. Wir produzieren aktuell eineinhalbmal so viel Strom wie wir in der Tischlerei verbrauchen und habe nun auch das Refugium und das Seebad Buffet zu einer EEG (Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften) zusammengeschlossen und können so einen Großteil der zirka 180 MW, die wir im Jahr produzieren, in den eigenen Unternehmen verbrauchen. Mit der nächsten Betriebserweiterung, die gerade in Planung ist, soll auch die Photovoltaikanlage erweitert und um eine Batterie ergänzt werden, damit wir unsere bereits bestehenden, aber auch zukünftige Fahrzeuge mit eigenem Strom versorgen können.

Was mir noch einfällt: Bei der Materialwahl versuchen wir freilich, Tropenholz durch heimische Produkte zu ersetzen. Vor allem im Outdoor-Bereich kann man sehr gut Thermo-Esche anstatt Ipe oder Teak verwenden.

Sie arbeiten im ländlichen Raum, sind aber stark mit der urbanen Designszene Wiens verbunden. Wie beeinflusst das Ihre Sicht auf Handwerk und Design?

Ich lebe sehr modern in Lunz am See, arbeite aber seit Jahren in Wien und an vielen anderen Orten unserer schönen Welt. Durch das Formdepot bin ich im ständigen Kontakt mit Innenarchitekten und Architekten aus ganz Österreich und darüber hinaus. Natürlich hat mich meine ländliche Umgebung, der aus heutiger Sicht rustikale Stil meiner Eltern, geprägt; im Sinne der Diversität empfinde ich das jedoch als großen Vorteil.

Das Formdepot betreibt in Wien einen Schauraum mit Materialbibliothek und regelmäßigen Veranstaltungen. ©Fotografie Gabriel Buechelmeier
Das Formdepot betreibt in Wien einen Schauraum mit Materialbibliothek und regelmäßigen Veranstaltungen. ©Fotografie Gabriel Buechelmeier

Das Formdepot versteht sich auch als Wissensplattform. Welche Rolle spielt der Austausch für die Weiterentwicklung des Handwerks?

Ich habe letztens einen schönen Spruch gelesen: „Erfahrung ist die Mutter der Qualität“. Handwerk fußt auf Erfahrung und Traditionen, davon gibt es unendlich viel im Formdepot, und im ständigen Austausch mit anderen Gewerken und Planern gibt es immer Neues zu entdecken und zu lernen.

Welche Designtrends oder gesellschaftlichen Entwicklungen prägen das Tischlerhandwerk aktuell und in den kommenden Jahren?

Ich bin mir nicht sicher, ob ich diese Frage seriös beantworten kann. Grundsätzlich hoffe ich, dass sich unsere Gesellschaft überhaupt positiv weiterentwickelt, manches lässt daran zweifeln.

Im Bereich des Wohnens sind es auf jeden Fall die Räume für soziale Interaktion, die uns immer wichtig waren. Für uns ist die Küche der zentrale Wohn- und Lebensraum und soll für alle Aktivitäten im Kreise der Familie und mit Freunden gerüstet sein.

In den letzten Jahren sind Wandgestaltung mit Holz, Stoff und anderen Materialien wieder ein wichtiges Thema geworden. © Gabriel Buechelmeier
In den letzten Jahren sind Wandgestaltung mit Holz, Stoff und anderen Materialien wieder ein wichtiges Thema geworden. © Gabriel Buechelmeier

Ein Design Trend, der für uns als Tischler sehr wichtig ist, ist die Rückkehr der Wandpaneele und Wandvertäfelungen. In den letzten Jahren haben wir hier sehr spannende Projekte umgesetzt und sehen auch in aktuellen Anfragen, dass die Wandgestaltung mit Holz, Stoff und anderen Materialien wieder ein wichtiges Thema geworden ist. Ein großer Vorteil der Wandvertäfelung ist, dass viele Fragen, die sonst im Rohbau, vor allem bei Stahlbeton, gelöst werden müssen – etwa Elektrik, Soundtechnik, Beleuchtung – gemeinsam mit Tischlereien perfekt gelöst werden können.