Die Macht der Kante

Für jedes Plattenmaterial, jede Optik und jede Oberfläche gibt es das passende Kantenmaterial. Es wäre fatal, dies allein auf den Möbelbau zu begrenzen. Der klassische Möbelbau macht nur einen Bruchteil dessen aus, was moderne und vielseitig aufgestellte Tischlereibetriebe leisten. Hier werden nicht nur Ladeneinrichtungen, sondern auch ganze Einkaufszentren, Museen, Messestände, Hotels und vieles mehr im gewünschten Design gefertigt und ausgestattet. Kantenmaterialien sind in einer Vielzahl von Materialien und Optiken erhältlich. Genau hier setzt das Tischler Journal an und informiert über aktuelle Trends und außergewöhnliche Designs. Für welche Einsatzgebiete sind die neuen Optiken geeignet? Wie komme ich an meine eigene Optik? Und was sollten Tischlerinnen und Tischler bei der Bestellung von Kantenmaterialien, die auf Wunsch angefertigt werden, dringend wissen?

Kantenvielfalt

Egal, ob in Echtholz, als Furnierkante oder Melamin-Kante, in ABS-Ausführung, in Echt-Holzoptik oder als Schichtstoffkante in Metalloptik, glänzend oder matt, spiegelnd oder mit Miniperl-Oberfläche und Holzporen. Je nach Einsatzgebiet sind sie in unterschiedlichen Dicken und Breiten sowie Ausführungen und Verarbeitungsmethoden erhältlich. Bereits mit Schmelzkleber versehen, als Rohkante oder mit Primer vorbehandelt? Wer die Wahl hat, hat die Qual. Als erstes Auswahlkriterium sollte die Funktion stehen. Erst im Nachgang sollten Haptik und Verarbeitung in die Entscheidung einfließen.

Funktionskanten

Kantenmaterialien müssen entsprechend ihrer technischen Eigenschaften bestimmte Aufgaben übernehmen. Hierzu zählt etwa die Beständigkeit gegen Hitze und Wärme, die bei einer Küchenarbeitsplatte wichtig ist. Für diese Anforderung sind Schichtstoffkanten am besten geeignet. Anders ist es, wenn eine hohe Beständigkeit gegen Beschädigungen gefordert ist. Es sollen Tischplatten für ein Hotel beschafft werden. Sind für diese Tische möglicherweise klappbare Tischgestelle vorgesehen? Dann bleiben sie selten an ein und demselben Ort, sondern werden häufig verschoben, transportiert oder umgestellt. Hier können zwei bis drei Millimeter dicke ABS-Kantensysteme mit ihren Vorteilen punkten. Eine weitere Anwendung ist das Abdecken des verwendeten Plattenmaterials in der passenden Materialoptik. Hier sind preiswerte Melaminkanten eine gute Wahl. Sie sind einfach zu verarbeiten und bei Plattenstößen oder Schmalflächen, die zur Wand oder zum Fußboden zeigen, eine preiswerte Alternative. Möbel und Möbelteile machen einen professionellen und hochwertigen Eindruck, wenn das eingesetzte Material nicht auf den ersten Blick sichtbar ist.

Parameter Plattenmaterial

Bevor eine endgültige Entscheidung über das Kantenmaterial getroffen wird, müssen alle Parameter noch einmal überprüft werden. Grundsätzlich gilt: Je dünner das aufgetragene Kantenmaterial ist, desto unsichtbarer ist die Kante auf der Fläche. Natürlich kann im Umkehrschluss auch genau der entgegengesetzte Effekt gewünscht sein. Eine Kante, die einen optischen Rahmen um die Platte bildet. Bei der Auswahl der Kanten sollte jedoch beachtet werden, dass sich unter gewissen Umständen der Aufbau des verwendeten Plattenmaterials abzeichnen kann. Wenn das eingesetzte Kantenmaterial sehr dünn ist, können nach dem Anfahren des Kantenmaterials beispielsweise die unterschiedlichen Schichten einer Spanplatte als Schatten auf der Oberfläche sichtbar werden. Was bei einer Funktionskante an einer Stoßfuge kein Problem darstellt, kann bei sichtbaren Kanten unter bestimmten Lichteinwirkungen als Mangel wahrgenommen werden. Schattierungen können auf das eingesetzte Material hinweisen. Hier gilt es, entweder ein dickeres Kantenmaterial zu verwenden oder ein anderes Plattenmaterial zu wählen. MDF wäre in diesem Fall eine Alternative.

Kanten aus Naturholz

Furnier- und Echtholzkanten sind in verschiedenen Dicken, Breiten, Holzarten und Designs erhältlich. Sie übertragen das Bild der Fläche auf die Schmalfläche. Bisher stellten markante Optiken wie Altholz, Multiplex, Hirnholz, Säge- oder Wurmholzoptik eine Herausforderung dar. Oft konnten diese nur mit zusätzlichem Aufwand umgesetzt werden. Mittlerweile sind dafür Lösungen auf dem Markt erhältlich. Auch dickere Kantenmaterialien aus Massivholz sind verfügbar. Da nicht alle Kantendicken als Rollenware bezogen werden können, sind dickere Massivholzkanten als Leistenware in einem gewissen Längespektrum erhältlich. Ein großer Vorteil von dickeren Massivholzkanten ist, dass sich Oberflächenakzente, zum Beispiel durch Bürsten, auf die Schmalfläche übertragen lassen. Es muss jedoch grundsätzlich genau geprüft werden, ob die Farbtöne der eingesetzten Hölzer übereinstimmen. Holz ist ein Naturprodukt. Hier gilt: Die Holzfarben können mitunter abweichen. So kann es beispielsweise vorkommen, dass der Farbton einer Eiche nicht mit dem Farbton der Oberfläche übereinstimmt oder der Farbton einer Buchenkante nicht mit dem Farbton des Buche-Furnier auf der Oberfläche übereinstimmt.

Breites Farbspektrum

Viele Melamin- und ABS-Kanten präsentieren sich in Farben, die Laune machen und Signale aussenden. Das Angebot an Farbtönen ist so vielfältig wie die Ansprüche der Auftraggeber. Sonnengelb, Signalrot oder Smaragdgrün. Warum nicht einmal einen farbigen Kantenakzent setzen? Es muss ja nicht gleich das gesamte Möbelstück sein. In Kombination mit einer pfiffigen, individuellen Beleuchtung können bestimmte Möbelteile wie das Regal einer Münz- oder Plattensammlung durch farbige Kanten zum Mittelpunkt eines Raumes bzw. der Wohnung werden. Eine weitere Möglichkeit ist, einen im Gebäude vorherrschenden Farbton aufzugreifen und auf die Einrichtungsgegenstände zu übertragen. So kann beispielsweise ein bestimmter Farbton, wie der des Natursteinbodens, aufgegriffen und an den Einrichtungsgegenständen weitergeführt werden. Aber auch funktionale Aufgaben lassen sich mit farbigen Kantenmaterialien abdecken. Achtung, hier ist eine Gefahrenstelle! Ein Kantenmaterial in Signalfarbe macht sofort aufmerksam. Auch ganz spezielle Möbel wie Schränke für Gift- und Gefahrstoffe können mit einem entsprechend farbigen Kantenmaterial einen wirkungsvollen Akzent setzen. Weiterhin ist es möglich, die Firmenfarben aus dem Firmenlogo mithilfe farbiger Kantenmaterialien auf die Einrichtungsgegenstände zu übertragen. So werden Empfangstresen oder Besprechungstische ohne großen Aufwand stimmig in das Erscheinungsbild eines Unternehmens integriert.

Kanten auf Wunsch

Fantasiedekore auf Möbeloberflächen dienen zunehmend als orts- bzw. anlassbezogene Blickfänge. Plattenmaterialien mit Stilelementen wie Einschlüssen, Farbverläufen und großformatigen Mustern rücken daher zunehmend in den Fokus der Gestalter. Möbel und Einrichtungsgegenstände werden nicht mehr als separates Mobiliar wahrgenommen, sondern vielmehr in das Einrichtungs- und Markenkonzept integriert. Hotels, Veranstaltungshäuser, Shop-in-Shop-Möbel, aber auch Banken sind unter anderem an solchen Einrichtungen interessiert. Auch für diese nicht alltäglichen Plattenoberflächen sind die passenden Kantenmaterialien erhältlich. So erhalten Sie beispielsweise ein edles Nussbaumdekor mit einem Muster aus goldenen Linien oder ein ganz persönliches Fantasiedekor.

Eigene Optik und Haptik

Optik und Haptik, die keine Wünsche offenlassen – so werben die Anbieter in diesem Segment. Haben Sie einen Auftrag mit einem Plattenwerkstoff, für den kein Kantenmaterial erhältlich ist? Dann nehmen Sie Kontakt mit dem Anbieter auf. Mittels spezieller Verfahren lassen sich die meisten Kundenanfragen umsetzen. Egal, ob Farbe, Bilder, Muster oder Struktur. Die Hersteller und Anbieter helfen gerne weiter. Möchte ein Auftraggeber sein Logo, sein Produkt, seine Dienstleistung oder einen Strich- bzw. QR-Code auf der Kante abgebildet haben? Auch darauf kann man die Kantenabieter ansprechen. Es gibt sicherlich einige Anforderungen an die Umsetzbarkeit, aber grundsätzlich ist mehr möglich, als man sich vorstellen mag. Sicher sind bestimmte Mengenvorgaben bzw. Mindestabnahmemengen einzuhalten. Diese können bei einer Anfrage erfragt und abgestimmt werden.

Das Fazit

Wer sich mit dem Thema Kantenmaterial beschäftigt, stellt schnell fest, dass der Markt fast unüberschaubar vielfältig ist. Kante ist nicht gleich Kante, und die Optik ist nicht alles. Fast alles ist möglich! Jedoch muss alles, was außerhalb der Norm liegt, auch entsprechend vorbereitet werden. Hierfür sind Anfragen und Absprachen mit den Herstellern und Anbietern erforderlich, um das passende Produkt herauszufiltern. Wenn die richtige Zuordnung auf das geeignete Material trifft und es entsprechend den Ansprüchen verarbeitet wird, kann die Kante ihre volle Wirkung durch eine zum Projekt passende Optik und Haptik jederzeit ausspielen.