Interview und Podcast

Bauen in planetaren Grenzen

27.01.2025

Auf der Bau 2025 in München drehte sich alles um die Zukunft des Bauens. Vorträge wie jener von Professor Eike Roßwag-Klinge von der TU Berlin zeigten, wie sich die Branche neu erfinden muss, um den ökologischen Herausforderungen gerecht zu werden.

Im Gespräch skizzierte Professor Eike Roßwag-Klinge zentrale Schritte, um das Bauwesen nachhaltiger zu gestalten – vom Umdenken im Neubau bis hin zur Verknüpfung von Bau- und Landwirtschaft.

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Neubau: Moratorium statt Expansion

Professor Roßwag-Klinge, Leiter des Natural Building Labs an der TU Berlin, ist überzeugt: „Der Neubau ist der Klimakiller.“ Seine Forderung lautet daher, Neubauten stark zu hinterfragen und stattdessen Bestandsgebäude in den Fokus zu rücken. Ein Neubau-Moratorium solle keine generelle Verbotsregelung sein, sondern den Prozess kritisch evaluieren. Bis zu 80 Prozent der Raumbedürfnisse könnten laut Roßwag-Klinge durch Umnutzung und Sanierung des Bestands gedeckt werden.
Darüber hinaus plädiert der Wissenschaftler für eine Reduktion der genutzten Flächen: Statt 50 Quadratmeter Wohnfläche pro Person könnten 40 Quadratmeter genügen. Dies gelte auch für Büros. „Durch kleinere Flächen entsteht automatisch weniger Bedarf an neuen Gebäuden, und wir können die vorhandenen Ressourcen effizienter nutzen“, so Roßwag-Klinge.

Kreislaufwirtschaft und Bioökonomie als Schlüssel

Um die Bauwirtschaft nachhaltiger zu gestalten, fordert Roßwag-Klinge eine radikale Abkehr von fossilen Ressourcen wie Beton, Stahl und Zement. „Die Branche muss auf nachwachsende Rohstoffe setzen, um CO₂-Speicher zu schaffen und Materialien im Kreislauf zu halten.“ Kreislaufgerechtes Bauen, bei dem alle Stoffe wiederverwendet werden können, sieht er als eine zentrale Aufgabe für die Zukunft. Ein weiteres Element sei das sogenannte „Low-Tech-Bauen“, bei dem auf übermäßige Technisierung verzichtet werde. Dies reduziere nicht nur Kosten, sondern fördere auch die Wiederverwendbarkeit von Materialien.

Großes Interesse an den Vorträgen und Workshops auf der BAU 2025, Copyright: Messe München GmbH 2025

Verknüpfung von Bau- und Landwirtschaft

Ein ungewöhnlicher, aber vielversprechender Ansatz liegt laut Roßwag-Klinge in der Verbindung der Bauwirtschaft mit der Landwirtschaft. Nachwachsende Rohstoffe wie Holz, Lehm oder Hanf könnten stärker genutzt werden, um fossile Materialien zu ersetzen. Allerdings bedeute dies einen grundlegenden Wandel in der Ökonomie: „Wir müssen komplett anders bauen und denken“, betont der Experte.

Die Bauindustrie sei zwar bereit, sich zu transformieren, doch es fehle an klaren politischen Rahmenbedingungen. Ein Beispiel dafür sei die Debatte um das Heizungsgesetz, dessen Verzögerung die Wärmepumpenindustrie stark getroffen habe. „Wir brauchen eine Politik, die konsequent handelt und die notwendigen Schritte einleitet, um der Bauwirtschaft Sicherheit zu geben“, so Roßwag-Klinge.

Kooperation statt Konkurrenz: Ein neues Miteinander

Ein weiterer Vortrag auf der Messe von Architekt Stephan Schwarz zeigte, dass Zusammenarbeit in der Branche ebenfalls neue Wege eröffnet. Am Beispiel des “Quartiers am Rotweg“ in Stuttgart erklärte Schwarz, wie interdisziplinäre Teams und projektbezogene Kooperationen von Architekturbüros erfolgreich funktionieren können. Die Stärken verschiedener Partner ergänzen sich und führen zu innovativen Lösungen. Schwarz hebt hervor, dass die Krise in der Bauwirtschaft auch Chancen biete: „Solche Zeiten schaffen Freiräume, um bestehende Ansätze zu überdenken und Neues auszuprobieren.“ Sein Projekt demonstriert, wie ökologische Freiräume, barrierefreies Wohnen und flexible Wohn- und Arbeitsräume harmonisch vereint werden können.

Zu den Personen

Eike Roßwag-Klinge © Christian Kielmann, TU Berlin

Eike Roßwag-Klinge ist Professor an der TU Berlin und leitet das Natural Building Lab bei ZRS Architekten Ingenieure in Berlin. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im kreislaufgerechten Bauen und der Integration von nachwachsenden Rohstoffen in die Bauwirtschaft. Er engagiert sich für eine nachhaltige Transformation des Bauwesens und ist ein gefragter Experte auf internationalen Fachkonferenzen.

Stephan Schwarz, Copyright: www.isssresearch.com

Stephan Schwarz ist Architekt und Founding Partner von ISSS Research Architecture Urbanism Sabatier Schwarz Architekten. Mit seinen Projekten setzt er auf innovative, kooperative Planungsansätze und nachhaltige Bauweisen, wie im Quartier „Rotweg“ in Stuttgart.

 

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