Interview

"Ich habe den Endspurt richtig genossen!"

EuroSkills
20.10.2021

Aktualisiert am 21.10.2021
Er ist der erste Europameister im Beruf Glasbautechnik. Wir haben den österreichischen EuroSkills-Gewinner Christoph Greiner nach seinem Weg zum Sieg und die Veränderungen, die er mit sich bringt, befragt.
EuroSkills-Gewinner Christoph Greiner ist der erste Europameister in Glasbautechnik.
EuroSkills-Gewinner Christoph Greiner ist der erste Europameister in Glasbautechnik.

Herzliche Gratulation zur Goldmedaille bei den EuroSkills 2021! Hast du dich inzwischen etwas von den Strapazen des Wettbewerbs erholt? Und schon realisiert, dass du Europameister im Beruf Glasbautechnik bist?

Christoph Greiner: Vielen herzlichen Dank. Ich denke schon. Ich musste mir nach den EuroSkills eineinhalb Wochen freinehmen, um mich wirklich von dem ganzen Druck, der Belastung und Anstrengung der letzten zwei Jahre, insbesondere dem Wettkampf, zu erholen. Der Sieg ist eine Wahnsinns-Bestätigung für die Leistung und Energie, die man aufgebracht hat, um ganz oben zu stehen, daher wird das ganze immer realer.

Wie hast du dich auf den Wettbewerb vorbereitet?

Mit den ersten Trainings habe ich im Herbst 2019 gestartet. Anfang 2020 kamen dann erste Teammeetings mit SkillsAustria und die ersten Trainingslager mit meinem Experten Jo Fiechtl in Kramsach. Das erste Trainingslager Ende Februar 2020 war sehr richtungsweisend und war eigentlich die beste Trainingswoche der gesamten zwei Jahre Vorbereitung. Anfang 2020 startete ich auch mit dem mentalen Training. Leider verstarb mein Mental Coach Klaus zwei Monate später in der ersten Corona-Phase. Ich konnte aus dieser kurzen Zeit aber sehr viel mitnehmen. Dann kam eine erste schwierige Phase mit sehr viel Unwissenheit was die Skills betraf. Ende 2019 startete ich auch parallel zu Beruf und Training mit dem Hausbauen. Die erste Corona-Phase nutzten wir natürlich, um beim Haus richtig viel weiterzubringen, was dem Training für die Skills nicht zugute kam. Und durch die zwei Corona-bedingten Verschiebungen war die Motivation von mir und anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus dem Team Austria ziemlich am Boden.
In der Zeit zwischen Herbst 2020 und Frühjahr 2021 hatten wir aber mehrere Zoom-Meetings. Dort konnten wir uns durch den Teamspirit und den Zusammenhalt, den wir bei den Teambuildings von unseren Teamleadern gelernt haben, profitieren und uns gegenseitig zu schlussendlich 33 Medaillen bei den EuroSkills 2021 motivieren. Obwohl viele, wie auch ich, dazwischen mit dem Gedanken gespielt haben, aufzuhören. Auch, da die Auftragslage für viele von uns sehr gut war und die Arbeit in der Firma nicht auf der Strecke bleiben durfte.
Einen Restart beim Training, nach einer sehr anstrengenden Hausbau-Phase, hatte ich im Juli 2021. Hier hatten wir ein Trainingslager in Wels von den AustrianSkills-Teilnehmern, wo ich mittrainieren konnte. Danach, wie davor, trainierte ich eigentlich in der Firma mit meinem Arbeitskollegen und meinem Trainer Daniel. In ständiger Absprache mit anderen Trainern und meinem Experten bauten wir hier eine großartige Trainingsmöglichkeit auf, wo ich mit Disziplin und Unterstützung alles gab. Es gab Ups und Downs, aber die hat man beim Wettkampf genauso. Insgesamt komme ich auf knapp 770 Stunden Training, verteilt auf zwei Jahre.

Das sind viele Stunden! Musstest du während deines Trainings auf vieles verzichten?

Leider musste ich auf einiges verzichten. Ich habe hauptsächlich nach der Arbeit von 17 bis 21 Uhr und Freitag, Samstag und Sonntag trainiert. Da blieb einfach nicht viel Zeit über, und ich konnte meine volle Energie nicht in meine Familie, Frau und Kind, investieren wie es sich für einen Familienvater gehört. Daher bin ich sehr dankbar für ihr Verständnis und ihre Unterstützung! In der Firma konnte ich mein Service für die Kunden auch nicht wirklich umsetzen, da meine Gedanken permanent bei den EuroSkills waren. Eine sehr schwierige Zeit, da ich gerne jedes Projekt mit voller Energie erledige.

Mein Experte Jo Fiechtl und ich wählten die Taktik, dass ich von Anfang an die Konkurrenz mit Geschwindigkeit beeindrucke. Der Plan ging voll auf!

Christoph Greiner

Etwas Wettkampferfahrung hattest du ja schon von den AustrianSkills, die du 2018 gewonnen hast. Wie hast du diesen internationalen Wettbewerb in Graz nun erlebt? Wie stark war die Konkurrenz?

Die EuroSkills waren viel intensiver. Allein die Vorbereitung mit den internationalen Trainings 2019 in Kramsach und Haan – in der deutschen Zentrale des Hauptsponsors Bohle – waren wertvoll und aufschlussreich. Natürlich stieg mit diesen Trainings auch der Druck. Ich konnte in Haan eine gute Leistung abrufen und somit war die Erwartungshaltung von Trainer, Sponsor, Innung und natürlich auch meine eine viel höhere. Das hatte ich in Salzburg 2018 nicht. Dort war alles neu, und keiner wusste, wie es ablaufen wird. Ich wusste schon vereinzelt von den anderen Teilnehmern wie und was sie trainieren, da ich Kontakt per Facebook und Instagram hatte. Aber es war immer eine Ungewissheit dabei, ob mein Training auch reicht für die starke Konkurrenz. Das ist natürlich auch mental belastend.
Zum Glück hatte ich bei den EuroSkills einen super ersten Tag und konnte somit perfekt in die drei Wettbewerbstage starten. Am ersten Tag verlief alles nach Plan. Mein Experte Jo und ich wählten die Taktik, dass ich von Anfang an die Konkurrenz mit Geschwindigkeit beeindrucke. Der Plan ging voll auf! Am zweiten Tag wollte ich die Vitrine fertig machen, was mir leider nicht ganz gelungen ist, da ich eine Flächenverklebung verhaut habe. Am dritten und letzten Tag bereitete ich mich schon um 6.30 Uhr in der Früh vor. Ich ging alle Handgriffe in Gedanken durch, um keine Zeit zu verlieren, weil ich wusste, ich muss nochmal alles investieren. Schlussendlich konnte ich dann sogar die Bleiverglasung in einer Zeit von 2,45 Stunden machen. Die Trainingszeiten waren immer um 3,15 Stunden. Es beflügelte mich, dass so viele Menschen dort waren und mich anfeuerten. Ich denke, das spürte man auch. Die letzten zwei Stunden des Wettkampfs waren dann der pure Genuss. Ein Moment für mich, den ich nie vergessen will. Die ganze harte Arbeit mit fachlichem Training, mentalem Training, Hausbauen, Firma, Familie und sehr viel Verzicht haben sich ausgezahlt. Ehrlich gesagt, ich habe den Endspurt richtig genossen!

In den drei Wettkampftagen waren sehr viele Besucher*innen bei den EuroSkills, die sich für die Berufe interessiert und mit den Teilnehmer*innen mitgefiebert haben. War das eine große Ablenkung bei der Arbeit?

Eigentlich war es für mich ein Vorteil. In der Firma habe ich alleine trainiert, dort haben meine Trainer mit lauter Musik, Glasscherben brechen und sonstigen lauten Geräuschen versucht, mich abzulenken. Genau das nahm ich mit, um fokussiert zu bleiben. Schwierig war es, gewisse Stimmen, wie Trainer, Experte, Arbeitskollegen und Familie, die man natürlich im Kopf hat, auszublenden.

Was war für dich die größte Herausforderung bei den EuroSkills?

Die Konzentration über drei Tage lang auf dem höchsten Niveau zu halten. Ich wusste, sobald ich vom Kopf nicht zu 150 Prozent bei der Sache bin, werde ich schwach und abgelenkt. Auch die Phasen der Anspannung und Entspannung richtig zu wählen, war sehr schwierig. Ich schlief nicht viel, daher musste ich auch schauen, dass ich gut erholt in den nächsten Tag ging. Im Hotel setzten wir uns am Abend noch zusammen und motivierten uns gegenseitig. Egal welche Berufssparte wir im Team Austria hatten, wir bauten jeden auf. Damit waren Herausforderungen leicht überwindbar.

Christoph Greiner in voller Konzentration bei den EuroSkills 2021.

Neue Produkte, Ausbildung von Lehrlingen inklusive Förderung der Lehrlinge sind meiner Meinung nach der richtige Weg, um ein top Image des Glasbautechnikers zu erreichen.

Christoph Greiner

Was bringen Wettbewerbe wie die EuroSkills, bei denen die Glasbautechniker nach den AustrianSkills 2018 erstmals dabei waren, für den Beruf und dessen Image?

Die Weiterbildung jedes Teilnehmers muss an erster Stelle stehen! Die organisierten Trainings für AustrianSkills und EuroSkills, die Jo Fiechtl und Franz Schreibmaier von Bohle organisierten, waren und sind ausschlaggebend für den Erfolg. Hier werden Dinge ausprobiert, Rekordzeiten aufgestellt und Teilnehmer einfach zu Bestleistungen trainiert. Auf solchen Erfolgen lässt sich Image viel leichter aufbauen! Nur geht das ohne harte und mühevolle Initiative einfach nicht. Es sind viele Stunden der Vorbereitung auf die Skills investiert worden, die nirgendwo aufscheinen. Aber genau diese Stunden sind der eigentliche Erfolg. Wir haben in Österreich top Ausbildungsmöglichkeiten mit dem dualen System, dem Betrieb und der Berufsschule. Jede der vier Berufsschulen in Österreich leistet hier gewaltige Arbeit, und die gehört honoriert! Denn Lehrlinge und junge Fachkräfte sind unsere Zukunft. Daher beginnt bei mir das Thema Berufs-Image bei der Ausbildung in der Berufsschule in Österreich. Ich finde, dass diese Arbeit in den Schulen nicht genug wertgeschätzt wird.
Mit dem Sieg 2018 konnte ich natürlich in meiner eigenen Firma super Werbung machen. Dadurch wurden junge Schülerinnen und Schüler aufmerksam und wir konnten einige zum Schnuppern in der Firma begrüßen. Da merkte ich einfach, wie toll eine Investition in die Skills-Bewerbe ist. Die Motivation junger Menschen kann man nur mit innovativen Tätigkeiten fördern. Daher sind auch Firmen ein wenig gefordert, auf sich aufmerksam zu machen. Neue Produkte, Ausbildung von Lehrlingen inklusive Förderung der Lehrlinge sind meiner Meinung nach der richtige Weg, um ein top Image des Glasbautechnikers zu erreichen.

Was bedeutet der Beruf Glasbautechniker für dich persönlich?

Da ich eigentlich in der Wiege schon in der Werkstatt meiner Mutter schlief, hatte ich sehr früh einen Bezug zum Glas. Aber erst nach meiner sportlichen Karriere fing ich an, den Beruf zu lieben. Meine Kolleginnen und Kollegen in der Firma machen jeden Tag zu einem Erlebnis, da bei uns kein Tag wie der andere ist. Die Vielseitigkeit des Produktes Glas, die Vielseitigkeit der Montagetechnik, die Vielseitigkeit der Kunden. All diese Dinge und viel mehr machen den Beruf zu einem Traumberuf. Vor allem das familiäre Firmenklima und ein Team im Hintergrund, das zusammenhält, wenn es mal eng ist, macht die Sache viel leichter. Ich durfte und konnte von jedem etwas lernen, und das zeigt mir, wie wertvoll ein Beruf mit motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sein kann!

Du hast viel erreicht. Wie geht es für dich nun weiter, was sind deine nächsten Pläne und Ziele?

Nach den EuroSkills ist vor den AustrianSkills! Ganz kann ich noch nicht abschließen mit dem Skills-Thema, da wir in der Firma einen Teilnehmer für die AustrianSkills im November in Salzburg haben und jetzt die Trainingszeit mit Philipp beginnt. Aber ich werde etwas kürzertreten. Die Skills-Zeit inklusive Hausbauen hat Spuren hinterlassen. Ich werde mich meiner Familie und meiner Gesundheit widmen. Das sind meine wichtigsten Ziele für die nächsten Jahre!

Was siehst du als wichtigste Aufgaben in deiner neuen Funktion als Bundeslehrlingswart der österreichischen Glasbautechniker*innen?

Ich habe hier konkrete Vorstellungen, die abgeklärt werden müssen. Dann sieht man, was sich in den nächsten Jahren alles bewegt und gemacht wird. Ich hoffe, da ist noch der eine oder andere Artikel drinnen, um über dieses Thema genauer zu berichten.

Rückblicke auf die EuroSkills 2021

EuroSkills im Zeitraffer: Hier sehen Sie das Kurzvideo der Glasbautechniker*innen bei den EuroSkills.

Der Endspurt: Ein Video der letzten spannenden Wettbewerbsminuten.

Der Artikel zur erfolgreichen Teilnahme der Glasbautechniker*innen bei den EuroSkills.

Branchen
Glas