Eine glitzernde Spielwiese

28.04.2015

Im 20. Jahr ihres Bestehens bauen die Swarovski Kristallwelten um. Unter den Augen des Riesen entsteht eine ausgedehnte Parklandschaft mit einer sich im dunklen Wasser spiegelnden Kristallwolke, einem Spielturm, einem gläsernen Restaurantpavillon, einem Shop unter Birkenstämmen und neuen Wunderkammern.

von Gretl Köfler

Die Kristallwelten in Wattens brechen mit jährlich 650.000 Besuchern alle Rekorde. Selten hat sich eine Sehenswürdigkeit dank ausgeklügelter Werbung in so kurzer Zeit in so lichte Höhen katapultiert, auch wenn der dahinterstehende Konzern lahmt. Trotzdem hat man bei Swarovski viel Geld – nämlich 34 Millionen Euro – in die Hand genommen, um die Kristallfans aus aller Welt mit neuen Attraktionen zu überraschen, sie kontinuierlich das ganze Jahr über anzulocken und ihre Verweildauer auf bis zu vier Stunden auszudehnen. Dazu wurde die Fläche des Parks auf 7,5 Hektar verdoppelt und ein Amalgam aus Kunst, Architektur, Landschaftsplanung, Entertainment und Shopping kreiert, bei dem die Inszenierung der Kristalle im Mittelpunkt steht. 
Das Landschaftskonzept ist das Herz des Ganzen. Es stammt vom französisch-amerikanischen Duo Cao/Perrot, das schon in der Vergangenheit Plätze zum Träumen geschaffen hat. In der Mitte zieht die Kristallwolke alle Blick auf sich. Die Wolkenfläche von 1.400 Quadratmetern ist geformt aus Maschendrahtknäueln in zwei unterschiedlichen Dichten und behängt mit 600.000 Swarovski-Kristallen. Die Wolke wurde nach exakten Vorgaben in Wattens gefertigt und unter Aufsicht der Künstler montiert, die dabei sehr penibel zu Werk gingen. Die Wolke ist mit Stahlstützen und Netzen am Boden festgezurrt. Sie spiegelt sich in einem 25 Zentimeter tiefen, dunkel gefärbten Teich. Ins Spiegelwasser führt ein Steg, am Rande besetzt von Glühwürmchenlicht, wo sich die Besucher der Kristallwolke ganz nahe fühlen können. Rund um den See verlaufen konzentrische Bodenwellen; sie heben den Horizont an und bringen die Außenwelt bis an den Fuß der Berge zum Verschwinden. Das Gelände ist in aufwändiger Handarbeit geformt. Wie in barocken Gärten eröffnen sich unterschiedliche Blickachsen, Blumenwiesen und ein Birkenhain mit 400 Bäumen begrünen die Anlage. Die bereits vorhanden 15 Kunstwerke wurden entlang der gekiesten Wege im Park neu situiert.

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Spielen

Eine offene Spiellandschaft mit neuen Spieltypologien richtet sich an die jungen Besucher. Sie soll auch lokal ansässige Familien mit Kindern zwischen vier und 14 Jahren in den Park locken, die sonst nicht zu den typischen Swarovski-Kunden zählen. Beim Versuch, Spiele dreidimensional zu denken, haben sich die Architekten von Snøhetta ihre Kinderträume erfüllt. Es ist ein Spielplatz voller Abenteuer. Statt einer simplen Sandkiste gibt es einen bodennahen Überraschungsraum. Entlang einer mit Kantholz belegten, gekrümmten Stahlplatte mit Holzausfachungen entwickeln sich verschachtelte Räume, bestückt mit verschiedenen Spielgeräten wie Spiegel, Rutschen und – ja auch – einer Sandkiste. Gleich daneben steht der Spielturm, vor Überlastung schützt ihn eine Zugangszählung, die maximal 120 Personen Eintritt gewährt. Das Beton-Stahl-Tragwerk reicht über sieben Geschoße, davon sind die oberen vier Spielebenen, der Rest ist anderen Nutzungen vorbehalten. 170 Glasscheiben unterschiedlichen Zuschnitts und in verschiedenen Winkeln montiert bilden die Außenhaut. Die Gläser sind mit jenen Swarovski-Tieren bedruckt, die sich weltweit als Souvenir und Sammlerstücke verbreitet haben. Der Baukörper vermittelt den Eindruck eines verspielten Kristalls. Er ist bauphysikalisch dicht, wirkt aber luftig. Im Inneren dominiert eine Farbskala aus dem Bereich der Rottöne. In jedem Geschoß gibt es ein anderes Spielangebot: eine Holzhöhle aus Leimbinder mit angearbeiteter Krümmung, zwei in den Boden eingelassene Trampoline, ein gespanntes Stahlnetz als Estrich, eine Edelstahlrutsche über ein Geschoß, große Puzzleteilen an den Wänden. Um Verletzungen abzuwenden, sind an kritischen Stellen weiche Matten ausgelegt. Sicher ist, dass auch abenteuerlustige Erwachsene am Spielangebot viel Freude haben werden.

Essen

Snøhetta hat auch das neue Restaurant konzipiert. Es ist ein eingeschoßiger gerundeter Pavillon aus Sichtbeton, dessen Panoramafenster die Rundungen mittragen. Der bewegte Raum ohne orthogonale Kanten ist mit einem Terrazzoboden belegt und mit Holzmöbeln samt Lodenbezügen bestückt. Alles wirkt hell, leicht und beschwingt. Der Zugang liegt in einer mit Kupfer verkleideten Spange zwischen dem Pavillon und den Abstellräumen. Sie verstecken sich in einer hohen, hundert Meter langen Betonmauer, die zugleich als Parkmauer dient. Leider ist ihre Außenseite mit Fichtenholzlatten behübscht. 
Die archäologische Grabungsstätte anbei, die einen römischen Münzfund zutage brachte, bleibt erhalten. Die 460 Silbermünzen aus dem vierten nachchristlichen Jahrhundert kommen in die hauseigenen Vitrinen.
Der neue Haupteingang mündet in einen großen, gekiesten Platz, wobei das leichte Gefälle den Blick unweigerlich zum dominierenden „Riesen“ lenkt. Das Wegesystem ist als asphaltiertes schwarzes Band mit Floral Pattern ausgebildet. Die Muster nehmen Anleihen bei der Tiroler Lüftlmalerei. Das Ein- und Ausgangsgebäude von s_o_s architekten besteht eigentlich nur aus einem weitauskragenden Betondach im Ausmaß 30 x 60 Meter, das von einem Heer von Birkenstämmen getragen wird. Zwei Öffnungen im Dach lassen die Bäume in den Himmel wachsen. Das Dach bietet Schutz für die im Sommer alltägliche Warteschlange der an- und abreisenden Bustouristen. Ein speziell entwickeltes Beleuchtungssystem erzeugt Lichtstrudel und intensiviert damit den Eindruck der Durchlässigkeit. Zwei zentral angeordnete Glaskuben mit Birkenholzmöbel für Kasse und Bistro stören dabei nicht. 
Auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes beginnt der neu adaptierte Tunnel mit dem Zugang zu den Wunderkammern. Vier neue sind dazugekommen, wie bisher von prominenten Künstlern gestaltet. Ein weiterer Raum ist der Firmengeschichte vorbehalten, eingerichtet von HG MERZ, der vor vier Jahren auch das Tirol-Panorama auf dem Bergisel gestaltete.
Dass der alte Bestand durch die Übersiedlung des Restaurants wesentlich vergrößert wurde, kommt nun den von s_o_s architekten gestalteten Räumen zugute. Das bisher knapp bemessene Foyer des Veranstaltungssaales wurde vergrößert, der Saal selbst bekam einen neuen Namen, er heißt nicht mehr „Cube“, sondern „Forum“. Auch die sich nach außen öffnende VIP-Lounge und die Bar wurden komplett umgebaut und mit edlen Hölzern ausgestaltet.

Shoppen

Besonderes Augenmerk wurde dem Shop geschenkt. Der von Snøhetta konzipierte Zugang mit einem Lichtband und einer Soundinstallation führt in die neue Einkaufswunderwelt. Die Erweiterung unter Niveau auf zirka 800 Quadratmeter Kundenfläche war aufwändig und ein statischer Balanceakt für zsz Ingenieure. Ein Stützenwald durchzieht den Raum, der vom Schwarz-Weiß-Kontrast lebt. Weiß sind die Akustikdecke, der Acrylboden und alle Säulen, schwarz die Wände, wobei sich die Farbe bis in die weiße Decke zieht. 
Wie ein Flusslauf schlängelt sich die Wegführung durch den Raum, am Rande begleitet von Regalen und Vitrinen in verschiedenen Höhen. Die Glasvitrinen wurden eigens dafür entworfen. Neben dem natürlichen Licht setzt die indirekte Beleuchtung die in unterschiedliche Formen gefassten Glitzersteine in Szene. Die Kuppel über der Kassa ist mit schwarzen Fliesen ausgelegt, mit Swarovski-Steinen besetzt und wird mit einer Lichtinstallation von Martin Klingler zum Glitzern gebracht. Mehr Inszenierung geht kaum.
Da die Neugestaltung der Kristallwelten in den Händen mehrerer Architekturbüros lag, bedurfte es einer längeren Vorlaufzeit. Von Anfang an war das Architekturbüro Schlögl & Süß eingebunden, das bereits früher mit Swarovski zusammengearbeitet hatte. Mit Johann Obermoser begründeten sie die Arbeitsgemeinschaft s_o_s architekten. 
Cao/Perrot wurden vom Bauherrn eingeladen, Snøhetta kam durch einen hausinternen Wettbewerb an Bord. 
Am Beginn standen im August 2012 zwei Workshops mit der Teilnahme aller Beteiligten, bei denen alles besprochen und konkrete Entscheidungen getroffen wurden. Der Spatenstich erfolgte im Oktober 2013, Eröffnung ist am 30. April 2015. 

 

 

Projektdaten

Swarovski Kristallwelten, Wattens

Bauherr      D. Swarovski Distribution GmbH, Wattens
Projektleitung   D. Swarovski Tourism Services Gmbh  
Kuratierung und künstlerische Leitung Carla Rumler, Cultural Director Swarovski 
Generalplanung, Eingangsgebäude und Store  s_o_s architekten (Schlögl_Obermoser_Süß, Innsbruck)
Café und Restaurant, Shopzugang, Spielturm, Spielplatz Snøhetta (Oslo, New York / Innsbruck)
Garten Cao/Perrot (Los Angeles / Rennes)
Statik zsz Ingenieure (Innsbruck)
Kunstinstallationen

Silent Light

 

Tord Boontje, Studio Tord Boontje (London)

Into Lattice Sun Lee Bul (Seoul, Südkorea)
Wunderkammer Studio Job (Antwerpen/Amsterdam)
Eden Fredrikson Stallard (London)
Timeless HG Merz, merz merz gmbh (Berlin)
 

Kuppel- und Säulendesign Swarovski

 
Kristallwelten Store Bisazza (Vicenza/I)
Örtliche Bauaufsicht  D. Swarovski KG (Wattens)
Gesamtfläche  7,5 ha
Gesamtinvestitionssumme 34 Millionen Euro

 

 

arch-omo ZT GmbH

 
Arch. DI Johann Obermoser, 1954 in Tirol geboren; 1978 Diplom an der TU Innsbruck; 1978–1983 Praxis bei Architekt Sepp Müller in Wien; 1983 Gründung eines Büros in Innsbruck; 2004 Gründung der Obermoser arch-omo ZT GmbH

Projekte (Auswahl)
2014 Wohnbau Sillinsel Innsbruck; 2013 iceQ Sölden; 2013 Eugenpark Innsbruck; 2011 Grasjoch Hochalpina St. Gallenkirch; 2009 Gaislachkogelbahn Sölden; 2008 Landhaus 1 (mit Schlögl & Süß); 2008 verival bio Produktwerk Langkampfen); 2007 Integrierte Landesleitstelle (mit Schlögl & Süß); 2006 Sportzentrum Wattens; 2006 Bürgergarten Innsbruck; 2006 Volksschule in Sistrans (mit Ralf Eck und Peter Reiter); 2006 BTV Stadtforum in Innsbruck mit Heinz Tesar; 2005 M-Preis Kirchberg

Daniel Süß und Hanno Schlögl

 
Hanno Schlögl
1944 geboren in Hall i. T.; 1967 Diplom bei Roland Rainer an der Akademie der bildenden Künste, Wien; 1973 eigenes Architekturbüro; 1992–1995 Mitglied im Gestaltungsbeirat Feldkirch; 1989–2004 Mitglied im Tiroler Kulturbeirat

Daniel Süß
1965 geboren in Hall i. T.; 1992 Diplom bei Othmar Barth TU Innsbruck; Seit 1996 Mitarbeiter im Architekturbüro Schlögl
Seit 2003 ZT Gesellschaft Daniel Süß und Hanno Schlögl

Projekte (Auswahl)
2011–2012 Ausbau und Innenraumgestaltung der Moser Holding im Pema-Turm Innsbruck; 2011–2012 Adaptierung Altes Landhaus 2. Stock; 2010–2011 Swarovski-Shop Innsbruck Altstadt; 2008–2010 Kindergarten und Volksschule Gries i. Sellrain mit Michael Lukasser; 2008–2009 Swarovski-Shop Wien Kärntner Straße; 2005–2008 Landhaus 1 Innsbruck mit Johann Obermoser; 2004–2008 Hypo Tirol Zentral Innsbruck; 2004–2007 Leitstelle Tirol mit Johann Obermoser

Kjetil Trædal Thorsen

 
geb. 1958 in Haugesund (N); Studium an der TU Graz; seit 1985 Büro in Oslo; 1987 Mitbegründer von Snøhetta Architecture and Landscape; 2004–2008 Professor am Institut für Experimentelle Architektur der Universität Innsbruck

Projekte (Auswahl)
2014 National September 11 Memorial Museum Pavillon New York; 2014 Entwurf für Norwegens neue Banknoten; 2013 Prähistorisches Museum in Montignac F; 2008 Neue Oper in Oslo; 2007 Kindergarten in Eidsvoll N; 2005 Kunstakademie Bergen N; 2004 Museum Complex, WTC New York; „City between the bridges“, Urban Development, Umeå; 2001 Turner Contemporary, Margate (GB); 1989–2002 Bibliotheca ­Alexandrina (Ägypten); 1996 Norwegische Botschaft, Berlin; 
1997 Rathaus, Hamar (N); Museum Moderner Kunst, Oslo 

 

Redaktion

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