Vergaberecht

Nachträgliche Angebotsänderung trotz Verhandlungsverbot

19.05.2025

Der Europäische Gerichtshof hat entschieden: Unter bestimmten Bedingungen darf ein Angebot nachträglich angepasst werden – ohne das Verhandlungsverbot zu verletzen.

Verhandlungen über Angebote sind im Vergaberecht streng verboten – außer natürlich im Verhandlungsverfahren. Dennoch hat der Europäische Gerichtshof in einer Entscheidung vom 13. Juni 2024 einen Weg zur nachträglichen Änderung des Angebots als zulässig genehmigt.

Ein Fall im Staate Dänemark

Ein dänischer Auftraggeber führte ein offenes Verfahren, aufgeteilt in zwei Lose, durch. Man konnte nicht nur ein Los anbieten, sondern ein Angebot galt automatisch für beide Lose. Der Bieter, der das billigste Angebot abgibt, erhält das größere Los 2. Außerdem sollte Folgendes gelten: Dem zweitgereihten Bieter wird vom Auftraggeber angeboten, das kleinere Los 1 zu erhalten – aber nur, wenn er akzeptiert, dass er exakt zu den Preisen des erstgereihten Bieters leistet. Sollte der zweitgereihte Bieter das nicht akzeptieren, erhält der drittgereihte Bieter diese Möglichkeit und so weiter. Wenn alle Bieter das ablehnen, erhält der erstgereihte Bieter auch das Los 1.
Gegen die Zuschlagsentscheidung für das kleinere Los zugunsten des zweitgereihten Bieters (zu den Preisen des erstgereihten Bieters) wurde dann aber Beschwerde eingelegt, die zunächst auch erfolgreich war: Der zuständige Beschwerdeausschuss meinte, dass dies einen Verstoß gegen das Verhandlungsverbot darstelle, das sich aus den Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Transparenz ergebe. Die nächste dänische Instanz war unsicher und legte die Frage dem EuGH zur Auslegung vor.

Advertorial

Die Entscheidung des EuGH

Der EuGH betonte zunächst die Bedeutung der vergaberechtlichen Grundsätze der Gleichbehandlung und Transparenz. Diese stünden „jeglicher Verhandlung zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und einem Bieter entgegen, was bedeutet, dass ein eingereichtes Angebot grundsätzlich nicht mehr geändert werden kann, und zwar weder auf Betreiben des öffentlichen Auftraggebers noch auf Betreiben des Bieters“.
Aber: Die gegenständliche Ausschreibung und Vorgangsweise enthielt laut EuGH „kein Verhandlungselement“ in diesem Sinne. Der Auftraggeber hätte weder die Möglichkeit gehabt, von seinen Festlegungen nachträglich abzuweichen, noch den Bieter zu einer Angebotsänderung – außer jener, die Preise des erstgereihten Bieters zu akzeptieren – aufzufordern.
Entscheidend war für den EuGH auch, dass die nachgereihten Bieter die freie Möglichkeit haben, sich dagegen auszusprechen, zu den Preisen eines anderen Bieters zu leisten. Ein Zwang, solche Preise zu übernehmen, die man bei der eigenen Angebotslegung nicht kannte, wäre wohl nicht zulässig.
Bei diesem Modell würden daher – so der EuGH – die eingereichten Angebote nicht nachträglich geändert (abgesehen von der Übernahme der Preise des erstgereihten Bieters im Falle der Zustimmung durch den nachgereihten Bieter), und es fänden auch keine Verhandlungen mit dem Auftraggeber statt. Kein Bieter hätte die Möglichkeit, durch eine nachträgliche Angebotsänderung die Reihenfolge der Bieter oder die abgegebenen Preise zu ändern.

Offene Fragen und mögliche Risiken

Diese Entscheidung eröffnet interessante Möglichkeiten für Auftraggeber. Ungeklärt, weil in dieser Entscheidung nicht thematisiert, ist aber zumindest folgendes Problem, das etwaige Geschäftsgeheimnisse berührt: Wie glücklich wäre man als Bieter damit, dass – im Falle, dass man an erster Stelle liegt – das eigene Angebots-LV dem nächstgereihten Bieter bekanntgegeben wird? Das wäre nämlich unumgänglich, damit der nächstgereihte Bieter prüfen kann, ob er zu diesen Preisen leisten will. Und nebenbei: Eine Offenlegung und Prüfung der Kalkulation auf Basis von K-Blättern könnte man beim nächstgereihten Bieter wohl auch vergessen, denn dieser hätte die Preise ja nicht kalkuliert.

 


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RA Mag. Thomas Kurz
RA Mag. Thomas Kurz; Copyright: Bildagentur Zolles KG/Christian Hofer

RA Mag. Thomas Kurz ist Rechtsanwalt bei Heid und Partner ­Rechts­­­anwälte GmbH, ­Kundmanngasse 21, A-1030 Wien