Auf Messers Schneide
Im steirischen Furnierwerk Merkscha werden seit 1948 edle Furniere produziert. Die Königsdisziplin des gesamten Produktionsablaufs ist das Messern, für das es ein perfektes Zusammenspiel von Mensch und Maschine braucht.

Das in Gratwein nahe Graz ansässige Unternehmen mit 95 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird auf einer Betriebsfläche von vier Hektar als Lohnmesserwerk betrieben. Das heißt, die Kunden liefern das Rundholz selbst an, nach zahlreichen Arbeitsschritten stehen die fertigen Furniere zur Abholung für die Weiterverarbeitung bereit. Hochsaison ist Jänner bis Juli, wenn das Holz der Winterschlägerungen verarbeitet wird. Bis auf zwei Wochen Betriebsurlaub im August, der auch für Revisionsarbeiten genutzt wird, ist das Werk ganzjährige in Betrieb. Bei Bedarf wird auch im Mehrschichtbetrieb gearbeitet, die Grubenkontrolle ist allerdings rund um die Uhr aktiv – ist es doch äußerst gefährlich, sollte beim „Holzkochen“ etwas schief gehen.
18 mal berührt

© Merkscha
An dem Standort wird Rundholz sowohl in großen Mengen als auch aus Einzelstämmen seit mittlerweile 77 Jahren zu Furnieren verarbeitet. Anliefernde sind v.a. Holzhändler und Tischlereien bzw. Möbelproduzenten aus ganz Österreich, aber zunehmend auch aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz – das kommt daher, dass es in diesen Ländern nur mehr wenige oder gar keine Furnierverarbeiter mehr gibt. Liegt das daran, dass kein Bedarf mehr an dem Produkt besteht? „Nein“, sagt Martin Dobnik, der seit über 35 Jahren als Geschäftsführer fungiert. Aber dieses „Mittelding aus Handwerk und Industrie“ sei eine aufwendige Sache, für die es viel Knowhow und fachkundiges Personal brauche. Eine weitere Automatisierung als sie jetzt vorhanden ist, sei kaum mehr möglich, auch weil schlicht keine Industrie dahinter stehe, die für diese Nische passende Maschinen produzieren könnte: „Wir haben kaum Automatisierung und greifen das Material vom Abladen der Rundholzstämme bis zum Verladen der fertigen Furniere das Material 18 mal an“, erzählt Dobnik.
Preis und Wert
Und ein solch arbeitsintensive Verarbeitung haben eben – vor allem in Länder mit hohem Lohnniveau – ihren Preis, aber auch ihren Wert: Denn menschliches Wissen spiele für die Qualität der fertigen Furniere eine entscheidende Rolle. Natürlich gebe es auch günstigere Furniere, z. B. aus der Türkei, aus Rumänien oder aus Asien. Hier liegt die Crux aber im Detail, die Philosophie ist eine andere: „Günstigere Produkte haben natürlich eine geringere Stärke, im Durchschnitt 0,5 Millimeter. Wir liefern Furniere mit Stärken zwischen einem und fünf Millimetern. Diese sind um ein Vielfaches langlebiger und gut zu be- und verarbeiten. Das wissen unsere Verarbeiter zu schätzen, denn auch sie wollen ihren Kunden qualitativ hochwertige Produkte bieten“, so Dobnik.
Die Stunde der Wahrheit
Wie verläuft er aber nun konkret, der Weg vom Holz zum Furnier? Das Holz wird am Werksgelände zwischengelagert und zum Schutz vor Austrocknung und Rissbildung bewässert. Im ersten Bearbeitungsschritt werden die Stämme auf der Blocksäge aufgetrennt. Hier schlägt quasi „die Stunde der Wahrheit“. Denn sagen beim Rundholzkauf lediglich die Stirnseiten und die Rinde etwas über die Qualität des Baumes aus, kann nach diesem Schritt der Stamm besser bewertet werden.
Gerader Wuchs ist gefragt
Ein möglicher „Mangel“, der während des Aufschneidens sichtbar wird, ist der sogenannte Buchs, der so entsteht: Bäume sind während ihres Wuchses in der Regel einer Hauptwindrichtung ausgesetzt, gegen die sie quasi anwachsen. Nadelbäume drücken sich gegen die Belastung, Laubbäume ziehen sich dorthin – der Effekt ist der gleiche: Es bilden sich stärkere Jahresringe, die – salopp gesagt – mehr Holz enthalten. Was an sich eine großartige Reaktion der Natur ist, erschwert allerdings die Verarbeitung: „Dieses Holz reißt stärker bzw. verzieht sich stärker, wenn es um die Schnittholzverarbeitung geht. Bei uns macht die Welligkeit Probleme in der Verarbeitung“, erklärt Dobnik und führt weiter aus: „Je gleichmäßiger der Baum gewachsen ist, desto einfacher ist die Verarbeitung hier wie dort.“
Da man nach dem Aufschneiden nun mehr Informationen darüber hat, wie der Baum wirklich gewachsen ist, wird im Anschluss von den Kunden selbst oder vom Sägemeister entschieden, in welcher Schnittstärke der Furnierstamm aufgearbeitet wird. Bereits hier erhalten die Stämme einen „Ausweis“. Anhand dieser Nummer kann die Herkunft des fertigen Furniers bis in den Wald zurückverfolgt werden.
Holz in der Grube

Nach dem Sägen wird das Holz in eine der insgesamt 28 Kochgruben transportiert. Um es für die Messerung vorzubereiten und die für die Weiterverarbeitung nötige Geschmeidigkeit zu erreichen, wird es bis auf den Fasersättigungsgrad durchnässt und schonend in Wasser bei ca. 95 Grad gekocht.
Die Dauer des Prozesses variiert je nach Holzart und Durchmesser des Stammes, sie kann zwischen drei Tagen und einem Monat betragen. Längeres Kochen beeinträchtigt die Farbgebung des Holzes, was bei Stämmen mit Farbfehlern durchaus gewünscht ist – das Material wird dunkler, die Fehler weniger sichtbar. Zu langes Kochen kann das Holz aber auch verderben und damit viel Geld vernichten. Daher sind im Werk auch rund um die Uhr Personen anwesend, die den Kochvorgang kontrollieren. Danach werden die Stammhälften plangehobelt und per Hand nachgereinigt. „Ein Furnier, das einheitlich gleich aussieht, gibt es nicht. Das ist aber auch nicht das Ziel: Wir produzieren Unikate, die genauso einzigartig sind wie der Baum, von dem sie stammen“, so Martin Dobnik.
„Königsdisziplin“ messern

Im nächsten Schritt geht es um die „Königsdisziplin“ des gesamten Produktionsablaufs – das Messern: Wobei das Bedienen einer der fünf im Werk betriebenen Messermaschine die leichtere Übung ist, anspruchsvoll wird es beim „Lesen“ des Holzes: „Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind alle Profis mit viel Erfahrung. Sie erkennen bei der Sichtkontrolle, wie das Holz gewachsen ist. Um eine glatte Oberfläche zu erhalten, müssen die Messereinstellungen angepasst werden und je nach Kundenwunsch die Schnittstärken millimetergenau arretiert werden“, erklärt Martin Dobnik, der das Prinzip der mit einem Messer und einem Gegenmesser ausgestatteten Maschine leicht verständlich mit dem eines Gurkenschälers erklärt – nur das jener bei Merkscha 5,2 Meter lang ist. Das Holz wird sowohl vor dem Messern genau auf Unregelmäßigkeiten und Einschlüsse wie z. B. von Steinen kontrolliert, um ein Verformen der Messer zu vermeiden. Denn das würde Striche im Furnier verursachen, die natürlich nicht auftreten dürfen. Solche und andere Fehler würden den geschulten Augen bei der optischen Qualitätskontrolle direkt beim Herausnehmen der Furniere aus der Messermaschine sofort auffallen.
Trocknung und Zuschnitt

© Merkscha
Es folgt die Trocknung der Furnierblätter: Diese werden in den Trockenanlagen mittels heißer Luft entfeuchtet und mit Hilfe großer Walzen gebügelt. Ein Metallzylinder sorgt dafür, dass die Furniere nicht wellig werden. Auf der Scherenstraße werden die Furniere nun zugeschnitten, gekappt und vermessen. Sorgfalt und Erfahrung der „Scherenmannschaft“ sind entscheidend für die optimale Ausnutzung der wertvollen Stämme. Wobei der Output natürlich von Art und Qualität des „Ausgangsholzes“ sowie der Schnittstärke abhängt, eine Faustregel gibt es dennoch: Bei einer Schnittstärke von einem Millimeter erhält man aus einem Kubikmeter Buchenrundholz 500 bis 600 Quadratmeter Furnier, bei einer Fichte sind es an die 450 bis 500 Quadratmeter pro Kubik.
Alle Hölzer sind geeignet

Die beiden Hauptholzarten, die bei Merkscha verarbeitet werden, sind Eiche und Buche. Für die Furnierverarbeitung geeignet sind allerdings alle Hölzer, sowohl Laub- als auch Nadelhölzer. Hier liegt die Fichte ganz vorne in der Verfügbarkeit, ist Österreich doch ein „Fichtenland“. Allerdings, so Dobnik, gibt es kaum „durchgehend schöne Fichten. Mein Favorit bei den Nadelhölzern ist die elegante Tanne, die lange als „Stiefkind“ behandelt wurde. Nicht zu vergessen ist die Lärche und natürlich die Zirbe, die einen besonderen Stellenwert am Markt hat.“
Unschlagbar nachhaltig
„Wir sind uns einig, dass der Mensch und Holz gut zusammenpassen und dass Massivholz, wenn man so möchte, das „ehrlichere“ Produkt ist. Allerdings ist es aus Gründen der Verfügbarkeit und der Sparsamkeit nicht möglich, alle Möbel massiv auszuführen. Und hier kommt das Furnier ins Spiel: Es ist einfach sparsamer, es kann ein weitaus größerer Anteil eines Stammes verarbeitet werden als das bei der Nutzung als Schnittholz der Fall ist. Und seine Herstellung ist um vieles umweltfreundlicher als die von Dekoroberflächen“, erklärt der Geschäftsführe die Vorteile von Furnieren. Und abgesehen davon, dass furnierte Oberflächen zum einen nie weg waren, zum anderen trendmäßig gerade wieder einen Aufschwung erleben, sind sie in Sachen Nachhaltigkeit nicht zu schlagen. „Furniere sind zu hundert Prozent aus Holz und das ist einfach unschlagbar nachhaltig“, merkt man Martin Dobnik die Begeisterung für „seinen“ Werkstoff an.
Führungen durch´s Werk
Das Furnierwerk Merkscha bietet kostenfreie Führungen an, die Zielgruppen, die man anspricht, sind breit gefächert: Schüler*innen aller Stufen und Schultypen, Lehrlinge und Betriebe können im Rahmen eines rund einstündigen Rundgangs den spannenden Weg vom Baumstamm zum Furnier begleiten. Weitere Informationen und Kontaktdetails hier.