Brennpunkt Lehrlingsausbildung

Qualität sichern, Image stärken

08.09.2025

Motivierte Lehrlinge sind ein Garant für qualifizierte Fachkräfte von morgen. Das Tischler Journal fragt in den Bundesländern nach, welche Aktivitäten notwendig sind, um den Branchennachwuchs langfristig zu sichern.

Die Lehrlingszahlen sind – trotz einer gewissen Entspannung – nach wie vor in allen Bundesländern rückläufig. Die Gründe dafür sind vielfältig. An oberster Stelle steht die demografische Entwicklung und der daraus resultierende „Kampf“ um die Jugendlichen, den Ausbildungsbetriebe und (höhere) Schulen untereinander austragen. Zudem hält sich hartnäckig in vielen Köpfen ein veraltetes Image des Tischlerberufes. Wie auch immer: Ein Investieren, sowohl von Energie als auch von finanziellen Mitteln, zahlt sich aus und ist unumgänglich – denn die Ausbildung sichert den Berufsstand und wirkt dem Fachkräftemangel entgegen. Um den einzelnen Herangehensweisen zur Lösung brennender Fragen auf den Grund zu gehen, fragt das Tischler Journal in den Ländern nach. Den Anfang machen Wien, Niederösterreich und Salzburg.

„Sonderfall“ Wien

„Durch die Öffnung von Weiterbildungsmaßnahmen für andere Bundesländer profitieren alle durch ein Mehr an Teilnehmenden, ein größeres Netzwerk und einen vielfältigeren Input.“Ludwig Weichinger-Hieden, BLW und LIM Wien
„Durch die Öffnung von Weiterbildungsmaßnahmen für andere Bundesländer profitieren alle durch ein Mehr an Teilnehmenden, ein größeres Netzwerk und einen vielfältigeren Input.“
Ludwig Weichinger-Hieden, BLW und LIM Wien
© Weinwurm

„In Wien ist die Situation eine besondere“, sagt Ludwig Weichinger-Hieden, Bundeslehrlingswart und Wiener Landesinnungsmeister. Circa 45 Lehrlinge würden in Wien in rund dreißig Betrieben ausgebildet, überbetriebliche Ausbildungsstätten nicht mit eingerechnet. Die Zahl scheint bei 1.100 Mitgliedsbetrieben der Wiener Innung doch sehr gering: „Von diesen Betrieben haben 65 Unternehmen eine Tischlerwerkstatt. Der Rest setzt sich aus Holzgestaltern und Montagetischlern zusammen. Zuwachs verzeichnen wir vor allem im Bereich „Zusammenbau von Möbelsätzen“. Dieses neue Gewerbe, für dessen Ausübung es kaum Vorgaben gibt, bereitet uns nicht wirklich Freude“, erklärt Weichinger-Hieden, warum „der Schein hier trügt“. Von den produzierenden Betrieben verliere man seit zehn Jahren jährlich ein bis zwei, vor allem durch Pensionierungen. Gibt es in der Familie keinen Übernehmer bzw. wurde in den letzten Jahren nichts mehr investiert, ist eine Nachfolge zumeist schwierig. „Zudem steigen die Mieten bei einer Übernahme oft ins Unleistbare. Wer 3.000 Euro für eine Werkstatt mit zweihundert Quadratmetern zahlen soll, der überlegt sich die Selbständigkeit mehrmals“, so der Landesinnungsmeister. Was Lehrlinge betrifft, würden sich bei den verbleibenden Betrieben genügend Kandidaten bewerben – leider sei der Großteil davon nicht ausreichend vorqualifiziert, in vielen Fällen stehe die Sprachbarriere einem Berufseinstieg im Weg. Angesprochen auf die überbetriebliche Ausbildung, in der Wien eine Vorreiterrolle eingenommen hat, sieht Weichinger-Hieden vor allem in der integrativen Ausbildung durch Wien Work eine sinnvolle Ergänzung.

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Kursprogramm am Start

Wird ein Lehrling in einem Wiener Betrieb aufgenommen, wird einiges an Unterstützung und Weiterbildung geboten. So bietet die Innung für Lehrlinge spezielle Trainings, die gleichzeitig mit dem Schuljahr im September beginnen. Die Anmeldung für die in der Regel eintägigen Workshops erfolgt über die Betriebe, die Kosten werden bis zu 75 Prozent gefördert. Die Einheiten machen „Fit für den Beruf“, es gibt Tipps u.a. für das richtige Auftreten, in einem zweiten Lehrgang werden Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und selbständiges Arbeiten thematisiert. „Die Landesinnung unterstützt alle Betriebe, die einen Lehrling aufnehmen im ersten Lehrjahr einmalig mit 200 Euro. Dieses Geld könnte z. B. in einen solchen Kurs investiert werden“, erklärt Weichinger-Hieden. Für alle interessant seien zudem die Fachkurse z. B. zum Thema Bodenlegen ebenso wie das aktive Tischlerinnen und Architektinnen-Netzwerk, geleitet von Tischlermeisterin Franziska Brugger.

Bundesländer-Austausch

Nicht nur auf die Lehrlinge begrenzt ist die gegenseitige Öffnung von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, die Wien, Niederösterreich und das Burgenland seit kurzem praktizieren. So geschehen bei den Techniktagen und den Viertelsveranstaltungen in Niederösterreich, auch Wien bietet sein Kursprogramm anderen an. „Das ist eine tolle Sache, von der alle profitieren. Jedes Bundesland lukriert dadurch mehr Teilnehmenden, das Netzwerk wird größer, der Input vielfältiger“, freut sich Ludwig Weichinger-Hieden.

Gemeinsamer Weg

„Die Herausforderung in der Ausbildung liegt darin, moderne technische Anforderungen sowie traditionelle Handwerkstechniken zu vereinen.“ David Rößl, LLW Niederösterreich
„Die Herausforderung in der Ausbildung liegt darin, moderne technische Anforderungen sowie traditionelle Handwerkstechniken zu vereinen.“
David Rößl, LLW Niederösterreich
© David Schreibe

Ein solches Miteinander ist auch David Rößl besonders wichtig. Er ist der jüngste im Bunde der Lehrlingsverantwortlichen und seit Oktober 2023 im Amt. Sein Vorgänger, Stefan Zamecnik, der für vieles in Sachen Lehrlingsarbeit den Grundstein gelegt hatte, ist nunmehr als Landesinnungsmeister aktiv. „Wir wollen in der Ausbildung mit allen Bundesländern einen gemeinsam Weg gehen, von anderen profitieren und unsere Erfahrungen gerne weitergeben“, sagt David Rößl. Alleingänge des Bundeslandes wie z. B. in den letzten Jahren in Sachen Meisterstück, werde es mit dem neuen Team nicht mehr geben. „Die Kommunikation unter den Landeslehrlingswarten ist aktuell sehr gut und wir ziehen alle an einem Strang. Denn eine Herausforderung haben wir alle gemeinsam – die Lehrlings-Zahlen zu stabilisieren, im Idealfall zu erhöhen sowie die Qualität der Ausbildung auf einem hohen und zeitgemäßen Niveau sicherzustellen.“

„Es könnte mehr sein“

Die aktuellen Lehrlingszahlen für 2025 liegen in NÖ noch nicht vor; 2024 wurden im Land 397 Lehrlinge in den Berufen Tischlerei, Tischlereitechnik und Fassbinder in 188 Lehrbetrieben ausbildet. 2021 waren es 432, 2016 435, im Jahr 2010 noch 685 Auszubildende. „Grundsätzlich haben sich die Lehrlingszahlen in der Branche nach stärkeren Rückgängen in den letzten Jahren wieder etwas stabilisiert. Dennoch könnten es mehr sein. In Sachen Ausbildungsbetriebe gibt es hingegen ein sehr gutes Angebot bei uns“, sagt Rößl.

Qualität erhalten

Generell sieht David Rößl eine große Herausforderung darin, moderne technische Anforderungen sowie traditionelle Handwerkstechniken in der Ausbildung zu vereinen. „Um diesen Spagat zu schaffen, müssen die Ausbilder offen sein für moderne Technologien, sie dürfen dabei aber die Wurzeln des Berufs nicht vergessen. Verschließt man sich weder der einen noch der anderen Seite und bringt man dadurch diese Anforderungen in Einklang, dann ist der Balanceakt gelungen.“

Einheitliches Ausbildungs-Niveau

Hier hakt Ludwig Weichinger-Hieden in seiner Funktion als Bundeslehrlingswart ein: „In länderübergreifender Zusammenarbeit haben wir bereits viel erreicht. Im Fokus steht u.a. die Lehrabschlussprüfung im ganzen Land einheitlich zu gestalten, wobei ein gewisses Lokalkolorit natürlich berücksichtigt wird. So sind in Tirol z. B. Schnitzereien ein Thema, in Wien wiederum wird mehr Augenmerk auf sicherheitstechnische Maßnahmen gelegt.“ Aktuell sei man dabei, die Fachgespräche im Rahmen der LAP zu überarbeiten – aus dem aktuellen „Frage-und-Antwort-Spiel“ soll eine kompetenzorientierte Aufgabenstellung werden, die eine lösungsorientierte Antwort durch den Kandidaten erfordert. Auch in Sachen Meisterprüfungsordnung sei man gerade beim Evaluieren einiger Punkte: „Wir sind stolz auf diese bundesländerübergreifende Zusammenarbeit, die es so nicht in vielen Branchen gibt.“

Leistungen sichtbar machen

Aber zurück nach Niederösterreich: Seit heuer werden die Sieger der Lehrlingswettbewerbe auf zwei 16-Bogenplakaten im Einzugsbereich der jeweiligen Lehrbetriebe plakatiert. Diese Aktion schaffte es sogar in die auflagenstärkste Zeitung des Landes – ein großer Erfolg und wichtiger Schritt für mehr Sichtbarkeit. „Diese Art der Ehrung wurde sehr gut angenommen. Die Lehrlinge und die Betriebe sind stolz auf ihre Leistungen und darauf, diese auch einer breiten Öffentlichkeit zeigen zu dürfen“, sagt David Rößl. Als weitere Maßnahme unterstützt die Innung den Messeauftritt der Landesberufsschule Pöchlarn auf der Aus- und Weiterbildungsmesse Schule & Beruf in Wieselburg, heuer vom 25. bis 27. September. Dieser dient der überbetrieblichen Lehrlingsrekrutierung und der Imagepflege des Berufsstandes. Auch in allen rechtlichen Fragen rund um die Lehre wird für beide Seiten Beratung angeboten, ebenso wie eine konkrete Kursförderung.

„Nur Tischler“ gilt nicht

„Es ist enorm wichtig, positives Kunden-Feedback und Wertschätzung an die Lehrlinge weiterzugeben. Das fördert das Selbstbewusstsein und die Zufriedenheit im Beruf.“ Fritz Schwab, LLW Salzburg
„Es ist enorm wichtig, positives Kunden-Feedback und Wertschätzung an die Lehrlinge weiterzugeben. Das fördert das Selbstbewusstsein und die Zufriedenheit im Beruf.“
Fritz Schwab, LLW Salzburg
© WKS

Gibt es genügend Ausbildungsbetriebe? „Ja.“ Gibt es genügend Auszubildende? „Nein.“ Diese klaren Antworten kommen von Fritz Schwab, seit rund zehn Jahren Landeslehrlingswart in Salzburg: „Natürlich fallen durch die steigende Zahl von EPUs, die vor allem als Montagetischler aktiv sind, Ausbildungsbetriebe weg. Doch das ist kein gravierendes Problem. Dramatischer ist der Rückgang an Lehrlingen. Aktuell verzeichnen wir in Salzburg in der ersten Berufsschulklasse so wenige Anmeldungen wie noch nie zuvor. Diesen Rückgang aufzuhalten, bringt uns regelrecht zum Verzweifeln.“ Woran liegt das nun konkret? Vornehmlich an den eingangs erwähnten Ursachen – dem allgemeinen Rückgang „ausbildungswilliger“ Jugendlicher und der starken schulischen Konkurrenz. Dazu kommt das nach wie vor herrschende Imageproblem: „Wir müssen einfach in den Köpfen verankern, dass man eine Tischlerlehre nicht nur deswegen startet, weil man lernunwillig oder zu schlecht für die Schule ist. Deshalb ist es so wichtig, alle Möglichkeiten, die Vielfalt und die Gleichwertigkeit der Lehrabschluss- und der Meisterprüfung mit anderen Abschlüssen zu vermitteln“, so Schwab. Die gut funktionierende Variante Lehre mit Matura sei zum Beispiel ein Argument, das man bei den Eltern vorbringen kann. Denn sie sind es in vielen Fällen, die ihren Kindern vom Lehrberuf abraten, da sie veraltete Berufsbilder und einen Umgang mit Lehrlingen, wie er heute zum Glück nicht mehr stattfindet, im Kopf haben.

Re-Start für die Bildungskarenz

„Ausbildung muss sich auszahlen. Es sollte lukrativer sein einen Beruf zu erlernen und zu arbeiten als das nicht zu tun“, ergänzt Schwab, der hier u.a. Begünstigungen anspricht, die es für Schüler und Studenten gibt, für Lehrlinge oder Meisterschüler aber nicht.

In diesem Zusammenhang kritisiert der Salzburger auch die Abschaffung der Bildungskarenz für jene, „die sie wirklich brauchen wie eben Meisterschülerinnen und Meisterschüler. Denn es ist schon eine finanzielle Herausforderung, acht Monate oder mehr zu überbrücken.“ Die Pläne von Seiten der Politik, die Bildungskarenz mit genaueren Kontrollen zu reaktivieren, seien auf jeden Fall zu begrüßen.

Anerkennung weitergeben

Sind Jugendliche dann in den Beruf eingestiegen ist eines für Fritz Schwab besonders wichtig: „Ich habe früher viel zu wenig darauf geachtet, positives Kunden-Feedback weiterzugeben. Dabei ist es vom Berufseinstieg an extrem wichtig, Wertschätzung zu erfahren und stolz auf seinen Beruf zu sein“, nimmt sich der Tischlermeister „selbst an der Nase“. Mittlerweile gibt er solche Rückmeldungen stets weiter. Selbstbewusstsein fördert er auch aktiv bei jenen Lehrlingen, die bei ihm die Lehrabschlussprüfung ablegen. „Wir haben einen extrem schönen, vielfältigen und kreativen Beruf und jeder darf auf sein Können stolz sein. Ein „ich bin nur Tischler“ lasse ich einfach nicht gelten“, so Schwab.

Die beste Werbung

Nochmals zurück zum Image: Um ein Umdenken zu fördern, sind die Eltern ein entscheidender Faktor ebenso wie die Jugendlichen selbst: Ist es für sie interessant, eine Tischlerlehre zu machen, haben sie Spaß in ihrem Beruf, sehen sie Sinn, Erfolge und Aufstiegschancen, dann sprechen sie auch in ihrem Freundeskreis für das Handwerk. „Wenn die Protagonisten selbst werben, ist das der beste Weg. Denn Jugendliche hören am meisten auf ihre Freunde“, ist Fritz Schwab überzeugt, der im eigenen Betrieb bereits entsprechende Erfahrungen gemacht hat.