Stabil, aber ausbaufähig
Im aktuellen Teil des Überblicks zum Thema Lehre stehen Kärnten, Oberösterreich und Tirol im Fokus: Mit interessanten Inputs zu Quereinsteigern und Spätberufenen, zum Finden motivierter Talente und Erfolgen der frühen Nachwuchsförderung.

„Die Entwicklung bei den Lehrlingszahlen ist bei uns stabil“, sagt Helmuth Hehenberger, der als Tiroler Landesinnungsmeister auch die Funktion des Landeslehrlingswarts bekleidet. Diese Stabilität sei auch durch die 40 bis 50 Quer- bzw. Späteinsteiger bedingt, die jährlich eine Tischlerlehre beginnen. „Natürlich sind ältere Lehreinsteiger bzw. jene, die über den zweiten Bildungsweg zum Tischlerhandwerk finden, eine Nebenerscheinung – allerdings eine sehr wichtige“, so der Tiroler. Die Biografien hinter diesen Berufsentscheidungen sind vielfältig, ebenso wie die Möglichkeiten abseits der „klassischen“ Lehre. „Es gibt Schulabbrecher ebenso wie fertig ausgebildete Personen, die z. B. den Weg einer verkürzten Lehre wählen. Zumeist kommt eine solche Beschäftigung durch Vermittlung des Arbeitsmarktservices oder auch über die Arbeitsstiftung Tirol zustande. Diese Unterstützung ist auch insofern gut, da es für die Ausbildungsbetriebe nicht immer einfach ist, einen Überblick über die sich ändernden Möglichkeiten zu behalten“, so Hehenberger. Im eigenen Betrieb beschäftigt er aktuell auch einen „Spätberufenen“, der mit 31 Jahren und nach längerer Tätigkeit in der Gemeindeverwaltung nun das Tischlerhandwerk erlernt. „Es ist gut, dass es diese Varianten gibt und die große Zahl an späteren Einsteigern bestätigt den Wert unseres Handwerks.“ Auch wenn ältere Lehrlinge, die bereits voll im Berufsleben standen, in ein anderes Gehaltsschema fallen als Jugendliche, verdienen sie in den meisten Fällen weniger als zuvor. Diese Differenz wird dann eben von Stellen wie dem AMS ausgeglichen.
Praxisnahe Unterstützung
Zur Unterstützung während der Ausbildung stellt die Tiroler Innung eine Ausbildungsmappe zur Verfügung, die für beide Seiten hilfreiche Informationen enthält und nach der Lehrvertragsunterzeichnung automatisch verschickt wird. „Es gibt vielfältige Möglichkeiten, auszubilden und hier sind durchaus auch die Betrieb in der Pflicht. Denn die Art, wie Lehrlinge in das betriebliche Geschehen eingebunden werden, ist ein wesentlicher Faktor für die Zufriedenheit und den Verbleib im Beruf“, so Hehenberger, der aber auch weiß, dass es im Tagesgeschehen nicht immer einfach ist, alles exakt umzusetzen: „Hier unterstützt die Mappe meiner Meinung nach sehr gut. Sie gibt einen Überblick über die verpflichtenden Lehrinhalte je Lehrjahr, es gibt Beispiele, die den Übertrag in die Praxis erleichtern sollen.“
Ausreichend Betriebe

Helmuth Hehenberger, LIM & LLW Tirol
Foto: © WKT
„Jeder Jugendliche, der den Tischlerberuf erlernen möchte, findet einen Ausbildungsbetrieb in seiner Nähe“, ist Hehenberger von dem guten Angebot in Tirol überzeugt. Von den 1.249 Gewerbeinhabern (Stand 31. Juli 2025) sind rund die Hälfte produzierende Betriebe, aktuell bilden circa 130 davon insgesamt rund 329 Lehrlinge in allen vier Jahren aus. „Ich weiß, dass mehr Betriebe einen Lehrling aufnehmen würden, aber keinen passenden gefunden haben.“ Zwei Punkte sind für Hehenberger auffällig in der Statistik: In ihrem Angebot breit aufgestellte Betriebe mit einer guten Maschinenausstattung tun sich leichter mit der Nachwuchsfindung als Spezialisten wie z. B. Fenster- oder Türenbauer – hier werde von Seiten der Lehrlinge und deren Eltern durchaus vorselektiert. Und: Betriebe, die ausbilden, tun dies meist mehrfach. Dafür sei vor allem die Mundpropaganda unter den Jugendlichen verantwortlich: „Ist ein Lehrling in seinem Betrieb glücklich, macht er dafür Werbung bei seinen Freunden – und die wirkt erfahrungsgemäß am besten.“
Ab ins Kino
Dennoch macht man in Tirol auch anderweitig Stimmung für die Ausbildung – und setzt dabei auf verschiedene Säulen. Eine wichtige Rolle spielt die Kinowerbung, laut Hehenberger ein relativ günstiger Werbeweg mit einer breiten Streuung und sehr guten Rückmeldungen: „Wir starten im Herbst eine neue Lehrlingskampagne, auf den Slogan ‘Was macht dich stolz’, in der besondere Gesellenstücke im Fokus standen, folgt im Herbst nun ‘Was macht dich glücklich? ’“. Weitere Maßnahmen sind u.a. die Aktion „Achtung Baustelle“ und die Plakataktion, mit der man bei Wettbewerben erfolgreiche Lehrlinge und deren Ausbildungsbetriebe großflächig vor den Vorhang holt sowie die frühe Nachwuchsförderung im Rahmen der Tischler Trophy.
Erfolgsmodell Tischler Trophy
Um das Handwerk für Jugendliche schon früh sichtbar zu machen, setzt man auch in Oberösterreich auf dieses Erfolgsmodell: Ganze Mittelschulklassen der siebten Schulstufe designen und fertigen im Werkunterricht gemeinsam Stücke, dabei werden sie von einem Patronanztischler unterstützt. „In Oberösterreich nehmen seit neun Jahren jährlich circa zwanzig Schulen teil. Als Folge des Projektes konnten schon viele Lehrlinge gewonnen werden“, berichtet Claudia Hindinger, Landeslehrlingswart in Oberösterreich. Zudem veranstalten einige Bezirksstellen der Wirtschaftskammer eine Job-Rallye: Hier kommen Schülerinnen und Schüler direkt in die Firmen, erhalten Einblicke in das Tischlerhandwerk und dürfen selbst ein Werkstück fertigen. „Auch in der Job-Week öffnen Tischlereien ihre Tore, um auf die Betriebe aufmerksam zu machen. Sehr hilfreich sind vor allem die Schnuppertage im Zuge der neunten Schulstufe. Von all diesen Möglichkeiten, Jugendliche in unser Handwerk einzuführen, profitieren alle Beteiligten ungemein“, ist Hindinger überzeugt.
Stabiles Oberösterreich
Bei den Zahlen sieht Hindinger nach in den letzten Jahren leicht rückläufigen Lehrlingszahlen aktuell eine Stabilisierung. Mit dem Stichtag 30. Juni 2025 gab es in Oberösterreich 259 Tischlerlehrlinge in 149 Lehrbetrieben, 136 Lehrlinge in 85 Betrieben im Beruf Tischlereitechnik (TIT) Produktion sowie 88 Lehrlinge TIT Planung in 56 Betrieben. Zusätzlich werden drei Tischlereitechniker mit Schwerpunkt Modell- und Formenbau in zwei Betrieben und acht Lehrlinge Bootbau in vier Betrieben ausgebildet. Diese Aufteilung zeigt die vielfältigen Varianten auf, die der Beruf mittlerweile bietet – und diese gehört massiv in der Öffentlichkeit verbreitet, darin sind sich die Verantwortlichen einig.
Die Themen verschmelzen
Wobei es in Sachen Vielfalt für manche ein „Aber“ gibt: So ist für Helmuth Hehenberger die Zusammenführung der Bereiche Produktion und Planung in der vierjährigen Ausbildung Tischlereitechnik eine zentrale Aufgabe für die Zukunft: „Als diese Ausbildungsschiene 1998 eingeführt wurde, sah der Beruf noch ganz anders aus. Heute verschmelzen diese Bereiche in der Praxis zusehends und die Ausbildungsbetriebe verfügen in der Regel sowohl über die notwendige Maschinenausstattung als auch über die Planungstools und -kompetenzen. Das war in den Anfängen nicht so, daher war die Teilung ein guter Weg. Nun ist es aber an der Zeit, die Sparten zusammen zu legen. Natürlich bei gleichzeitiger entsprechender Anpassung der schulischen Ausbildung.“
Auch der Kärntner Peter Preinig ist Innungsmeister und Lehrlingswart in Personalunion – und ebenso für eine Zusammenfassung der Schwerpunkte in der Tischlereitechnik-Ausbildung geht: „Um die hohe Qualität zu halten und den damit verbundenen höheren Ausbildungsaufwand zu rechtfertigen, ist eine breitere Aufstellung sinnvoll.“
„Mangelware“ Auszubildende

Peter Preinig berichtet ebenfalls von stabilen Zahlen aus seinem Bundesland: Die Lehrlingszahl hat sich in Kärnten in den letzten Jahren bei gesamt rund 200 Lehrlingen eingependelt: „Wir verzeichnen weder einen massiven Rückgang noch Steigerungen. Wobei es durchaus große Unterschiede in den Regionen gibt.“ So entwickle sich die Situation in Oberkärnten und in Unterkärnten sehr positiv, in den Ballungsräumen Klagenfurt, Villach und St. Veit an der Glan sinken die Zahlen hingegen. Das liege vor allem an der starken schulischen Konkurrenz, die auch auf das Halten der Schülerzahlen bedacht sei. Zur „frühen Rekrutierung“ setzt man auch in Kärnten auf die bereits erwähnte Tischler Trophy sowie die Präsenz auf der Lehrlingsmesse, die jährlich im Februar in Klagenfurt stattfindet. Hier sei man gerade beim Umorganisieren des Messeauftritts, um die Jugendlichen noch gezielter ansprechen zu können.
Den Beruf ausprobieren
„Grundsätzlich geht es uns nicht darum, einfach Jugendliche von anderen Ausbildungswegen abzuwerben, um unsere Zahlen zu halten. Wir sind auf der Suche nach echten Talenten, die für den Beruf brennen und uns damit auch langfristig erhalten bleiben“, so Preinig. Ein guter Weg, diese zu finden, sei wie auch schon von Claudia Hindinger angesprochen, das „Schnuppern“ im Betrieb: „Für die Jugendlichen ist es aufgrund der Angebotsfülle heutzutage nicht einfach, den richtigen Beruf zu finden. Schnuppertage sind hier eine tolle Möglichkeit, sich auszuprobieren und auszuloten, was wirklich hinter dem Beruf steckt. Und natürlich profitieren auch die Betriebe enorm von solch einem persönlichen Kennenlernen. Denn man sieht sehr schnell, ob es passt – oder eben auch nicht.“
Zeitgemäße Darstellung

© WKOÖ
Unabhängig von allen Werbe- und Förderaktionen – um ein Weiterbestehen des Berufs zu sichern, ist es essenziell wichtig, das Image des Tischlerhandwerks in den Köpfen der Menschen zu heben: „Der Respekt unserer Arbeit gegenüber muss sich deutlich steigern, darin liegt eine der größten Herausforderungen“, sagt Claudia Hindinger, die auch die Medien zu einer zeitgerechten Darstellung des Berufs auffordert: „Ein Tischler mit einem Bleistift hinter dem Ohr, einem Schurz umgebunden, dahinter ein staubiges Durcheinander von Brettern – das gibt es in der Praxis schon lange nicht mehr. Leider wird dieses Bild aber noch viel zu oft transportiert.“