Rosenheimer Fenstertage: Transformation als Chance
Unter dem Motto „Die Fensterwelt im Wandel“ widmeten sich die 52. Rosenheimer Fenstertage am 8. und 9. Oktober 2025 den großen Umbrüchen der Branche. Zwischen Klimawandel, geopolitischen Krisen, steigenden Baukosten, Fachkräftemangel und Digitalisierung diskutierten Expertinnen und Experten aus Industrie, Forschung und Beratung, wie sich Hersteller, Systemgeber und Zulieferer auf die Zukunft vorbereiten können.

Nach der Eröffnung der 52. Rosenheimer Fenstertage am 8. Oktober 2025 durch ift-Geschäftsführer Jochen Peichl und Institutsvorstand Oskar Anders zeichnete Institutsleiter Winfried Heusler ein umfassendes Bild der globalen Veränderungsprozesse. In seinem Vortrag „Die Welt im Umbruch“ machte er deutlich, dass ökologische, demografische, geopolitische und technologische Entwicklungen immer stärker ineinandergreifen.

Nachhaltigkeit werde künftig zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor: Bereits heute bewerten Finanzinstitute Immobilien ohne Nachhaltigkeitsnachweis mit schlechteren Konditionen, und die neue Bauproduktenverordnung verankert Nachhaltigkeit als zentrale Anforderung. Heusler plädierte für ein Umdenken in Richtung Kreislaufwirtschaft. Die neun „R“ – von Repair über Reuse bis Remanufacture – stünden für eine verlängerte Nutzungsdauer und Wiederverwendbarkeit von Bauelementen. Recycling oder gar Verbrennung dürften nur das letzte Mittel sein. Künftige Fenster- und Fassadenkonstruktionen müssten daher von Beginn an kreislauffähig entwickelt werden. Serielle und modulare Bauweisen seien hier ein Schlüssel, um Qualität und Produktivität zu steigern. Heusler rief die Branche dazu auf, die Transformation als Evolution zu begreifen und nicht auf eine disruptive Entwicklung zu warten.
Neue Wertschöpfung, neue Denkweisen
Auch Roland Sitzberger von Porsche Consulting unterstrich die Notwendigkeit eines grundlegenden Umbaus der Wertschöpfungsketten. Steigende Energiepreise, Fachkräftemangel und Wohnungsnot würden die Bauwirtschaft zwingen, produktiver zu werden. Digitalisierung, Industrialisierung und Kundenzentrierung seien dabei entscheidende Hebel. Mittelständische Betriebe sollten gezielt Partnerschaften eingehen, um digitale Kompetenzen zu bündeln und effizientere Prozesse aufzubauen.
Nachhaltigkeit als Leitprinzip
Wie eng Klimaschutz und soziale Verantwortung miteinander verbunden sind, zeigte Manfred Fischedick vom Wuppertal Institut. Unter dem Titel „Earth for All“ appellierte er an die Branche, ihren Beitrag zur Reduktion von Treibhausgasemissionen und zur Einhaltung planetarer Grenzen zu leisten. Politische und technologische Lösungen seien vorhanden – nun gelte es, sie konsequent umzusetzen. Die Fenster- und Fassadenindustrie spiele dabei eine zentrale Rolle, insbesondere bei der energetischen Sanierung des Gebäudebestands.
Aktuelles aus Recht, Forschung und Normung
Ein juristisches Update gab Christian Niemöller (SMNG), der praxisnah über neue Rechtsfragen informierte – vom „Justizstandort-Stärkungsgesetz“ bis zu aktuellen BGH-Urteilen zu Baustellenprotokollen, AGB und Kündigungsfristen bei VOB/B-Verträgen. Besonders praxisrelevant: Wer einem kaufmännischen Bestätigungsschreiben nicht unverzüglich widerspricht, gilt als einverstanden.
Im Themenblock „Nachhaltigkeit und Resilienz“ präsentierte das ift Rosenheim aktuelle F&E-Projekte zur Kreislaufwirtschaft. Norbert Sack und Martin Teich (Hochschule München) zeigten, wie ReUse, Refurbish und Remanufacture bei Flachglas konkret umgesetzt werden können. Alexander Stolz (Fraunhofer EMI) demonstrierte, wie Softwarelösungen helfen, die Wirtschaftlichkeit klimasicherer Bauprodukte zu bewerten.
Der Bereich Digitalisierung stand ganz im Zeichen des Aufbaus eines vernetzten Bau-Ökosystems. Thomas Kirmayr (Fraunhofer-Allianz Bau) mahnte zur strukturierten Datenerfassung und warnte vor unkoordiniertem Datensammeln. Erst standardisierte Formate und klare rechtliche Vorgaben ermöglichten echte Interoperabilität.
Michael Breckl-Stock (ift Rosenheim) erläuterte den kommenden Digitalen Produktpass (DPP) nach der neuen Bauproduktenverordnung: rund 300 maschinenlesbare Produktdaten, 25 Jahre verfügbar, digital verknüpft mit jedem Bauelement. Ziel sei, den Aufwand für Hersteller so gering wie möglich zu halten.
Neue Bauproduktenverordnung und Markttrends
Jörn P. Lass (ift Rosenheim) stellte die wesentlichen Änderungen der neuen BauPVO vor, die Nachhaltigkeit als achte Grundanforderung ergänzt. Leistungs- und Konformitätserklärungen sollen künftig um Umweltwirkungen erweitert werden. Für Türen, Fenster und Fassaden laufen bereits „Fast Track“-Normungsverfahren.
Frank Lange (VFF) und Jochen Grönegräs (BF) berichteten über Marktentwicklungen: Während der Neubaumarkt schwächelt, bleibt der Sanierungsmarkt mit rund 68 % stabil. Förderanreize sollen ab 2026 neue Impulse setzen – vorausgesetzt, die Politik schafft verlässliche Rahmenbedingungen.
Architektur, Praxis und Ausblick
Ein Höhepunkt war der Themenblock „Fassade und Architektur“ mit Einblicken in das innovative Laborgebäude Translational Science Center von Merck. Architektin Dana Bilek zeigte, wie digitale Simulationen die Planung energieeffizienter Fassaden unterstützen.
Martin Drexler (Schindler Fenster + Fassaden) und Heribert Ley (Sunovation) berichteten aus der Praxis über Holz-Alu-Fassaden mit integrierter Photovoltaik.
Im Themenblock „ift Praxis“ standen konkrete Herausforderungen der Fenstermontage im Mittelpunkt. Felix Fischbacher zeigte typische Fehlerquellen und Lösungen, während Bernd Saß neue Methoden zur schalltechnischen Bewertung kritischer Einbausituationen präsentierte.
Den Wandel aktiv gestalten
Die 52. Rosenheimer Fenstertage boten einen kompakten Überblick über die tiefgreifenden Umbrüche der Branche – von neuen rechtlichen Rahmenbedingungen über Nachhaltigkeit bis zur Digitalisierung. Die Veranstaltung zeigte eindrucksvoll: Wer den Wandel aktiv gestaltet, kann aus den Herausforderungen von Klimawandel, Fachkräftemangel und Kostensteigerung neue Chancen schöpfen. Neben hochkarätigen Fachvorträgen boten Networking, Laborführungen und der traditionelle bayerische Festabend „Bella Italia“ den idealen Rahmen für Austausch und Inspiration.
(bt)
