Lehrlingsausbildung

Image im Aufwind

04.11.2025

Die Lehrlingswarte Vorarlbergs, der Steiermark und des Burgenlandes sprechen über die Lehrlingssituation in ihrem Bundesland. Geprägt von der geografischen Lage und unterschiedlichen Mentalitäten wird die Situation zum Teil differenziert bewertet.

„Die Tischler-Lehrausbildung hat bei uns ein sehr gutes Image. Das ist auch der in Vorarlberg tief verwurzelten Handwerkstradition geschuldet.“Josef Schertler, LLW Vorarlberg © WKV
„Die Tischler-Lehrausbildung hat bei uns ein sehr gutes Image. Das ist auch der in Vorarlberg tief verwurzelten Handwerkstradition geschuldet.“
Josef Schertler, LLW Vorarlberg © WKV

Das Handwerk allgemein und im Speziellen das Holzhandwerk haben in Vorarlberg seit jeher einen besonderen Stellenwert – das schlägt sich auch in den vergleichsweise hohen Lehrlingszahlen nieder. Im gemessen an der Einwohnerzahl zweitkleinsten Bundesland Österreichs absolvieren aktuell 220 Personen eine Tischlerlehre. Auch wenn das gegenüber dem Vorjahr einen Rückgang von rund 30 Auszubildenden bedeutet, ist Landeslehrlingswart Josef Schertler zufrieden: „Wir schöpfen zwar nicht mehr wie noch vor einigen Jahren aus dem Vollen, aber die Betriebe finden nach wie vor gute und motivierte Lehrlinge.“ Ein Plus gibt es zum Beispiel bei Quereinsteigern, verstärkt auch aus dem süddeutschen Raum, denn „unsere praxisorientierte Ausbildung genießt über die Grenzen hinaus einen ausgezeichneten Ruf. Auf Nachfrage, warum sie sich für eine Lehre in Vorarlberg entscheiden, geben viele an, dass es eine vergleichbare Ausbildung in Deutschland so nicht gibt. Das dortige System wird als zu verschult und wenig praxisnah empfunden“, so Schertler, der sich besonders darüber freut, dass sich der Großteil dieser – sehr engagierten – Ausgebildeten auch für einen Verblieb in Vorarlberg entscheidet.

Bewusste Entscheidung

Ähnlich sieht es Wolfgang Hasenburger, LLW in der Steiermark: Aktuell sind 350 Lehrlinge in allen vier Lehrjahren aktiv, im ersten Lehrjahr zählte man mit dem Stichtag 30.9.2025 109 Personen. „Auch in der Steiermark bemerken wir im ersten Lehrjahr weniger Anfänger nach der Pflichtschule, dafür mehr „späterberufene“ Quereinsteiger, die sich sehr bewusst für den Beruf entscheiden.“ Umgekehrt ortet Hasenburger auch eine höhere Bereitschaft der Betriebe, Schul- oder Studienabbrecher bzw. Maturanten in Form einer verkürzten Lehre aufzunehmen. Also eher Lehre nach Matura als Lehre mit Matura? „Ja“, ist Wolfgang Hasenburger der Meinung, denn, „Lehre mit Matura ist in kleineren Betrieben ohne Lehrwerkstatt oft schwierig umzusetzen. Aber umgekehrt bin ich ein echter Verfechter eines späteren Lehreinstiegs, denn davon profitieren beide Seiten. Lehrlinge über 18 erhalten einen höheren Lohn, sie können früher an die Maschinen und bei den Montagen beim Kunden – auch wenn diese mal länger dauern – dabei sein. Das ist eine Win-win-Situation für alle.“ Eine gute Förder-Initiative in diesem Zusammenhang ist für den Steirer auch die Zam-Stiftung, die den Einstieg von Frauen in die Technik fördert.

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Spürbarer Imagewechsel

Diese Entwicklungen sind für die Lehrlingsbeauftragten ein gutes Zeichen dafür, dass sich das Image der Lehre weiter stabilisiert: Natürlich gebe es nach wie vor in vielen Schulen die Tendenz, dass Lehrer Schülern mit guten Noten empfehlen, sich für eine weitere Schulausbildung zu entscheiden anstatt eine Lehre zu machen. Zudem seien die verschiedenen Lehr-Varianten und die erhöhte Durchlässigkeit der Bildungswege noch immer zu wenig bekannt. Dennoch, „die Tischlerlehre hat bei uns einen guten Ruf“, so Josef Schertler, der überzeugt ist: „Ein guter Handwerker hat immer Arbeit und wird dafür auch angemessen entlohnt.“

Guter Draht

„Wir haben in Vorarlberg die Lehrlingsarbeit in einem Vierer-Team gut aufgeteilt und haben einen guten Draht zu der Berufsschule in Dornbirn und den Betrieben. Das schlägt sich im hohen Ausbildungsniveau nieder, das sich u.a. Jahr für Jahr in den Lehrabschlusstücken, die meiner Meinung nach oft schon ein meisterliches Niveau haben“, so Schertler. Eine Besonderheit im Ländle hat man vor einigen Jahren für das vierte Lehrjahr Tischlereitechnik etabliert: Im Rahmen eigener Aktionswochen arbeiten mehrere Lehrlinge gemeinsam an einem Projekt – „eine tolle und praxisnahe Vorbereitung“.

Planungs-Knowhow stärken

Apropos Tischlereitechnik, auch in der Steiermark gibt es hier eigene Initiativen: „Der durchschnittliche Tischlereibetrieb hat bei uns acht bis 12 Mitarbeitende. In diesen Betriebsgrößen können wir bei den Kunden gut mit individueller Planungsleistung punkten. Daher bin ich dafür, den Planungsbereich noch stärker zu pushen“, so Wolfgang Hasenburger. Aktuell habe man dazu in der Steiermark einen Testlauf gestartet, um den Planenden verstärkten Input zu geben. Unabhängig vom Schwerpunkt nimmt Hasenburger die Ausbildungsbetriebe in die Pflicht, die Lehrlinge im vierten Lehrjahr „wirklich hin zu lassen“, also aktiv in Projekte einzubinden und damit den Stellenwert der praktischen Ausbildung noch zu verstärken. Von einer z. B. von Tirol und Kärnten angeregten Zusammenlegung der Ausbildungsbereiche Produktion und Planung hält der steirische LLW wenig. Für ihn sind die Ausbildungsschwerpunkte „definitiv zwei verschiedene Paar Schuhe – und sollen das auch bleiben.“

Groß versus klein

Zurück ins Ländle: Ausbildungsbetriebe gibt es laut LLW Schertler genügend, von den rund 580 eingetragenen Tischlereien (inklusive EPUs) bilden an die 150 Lehrlinge aus. Allerdings seien kleinere Betriebe mit vier bis sieben Mitarbeitenden teils mit dem Vorurteil konfrontiert, nicht gut bzw. umfangreich ausbilden zu können – dabei sei eher das Gegenteil der Fall: „In einem kleineren Betrieb gibt es eine deklarierte Ansprechperson, die sich dezidiert um die Lehrlinge kümmert. Wir bekommen hier sehr gute Rückmeldung von den Auszubildenden, die hier oft mehr lernen, da sie vielfältiger eingesetzt werden. Bei größeren Betrieben mit spezialisierten Teams hören wir durchaus von Mankos in Tiefe und Umfang der praktischen Ausbildung.“

Vier für Vorarlberg: LLW Josef Schertler, zu dessen Schwerpunkten die Lehrabschlussprüfungen und die Kommunikation zu den Kolleg*innen aus den anderen Bundesländern zählen, zur Seite stehen Lukas Mähr, Karl Müller und Daniel Versluis. Letzterer ist das jüngste Mitglied des Teams und zuständig für die Abwicklung der Lehrlingswettbewerbe. (v.l. Karl Müller, Josef Schertler, Lukas Mähr, Daniel Versluis)©Sophie Stockinger wmuf.at
Vier für Vorarlberg: LLW Josef Schertler, zu dessen Schwerpunkten die Lehrabschlussprüfungen und die Kommunikation zu den Kolleg*innen aus den anderen Bundesländern zählen, zur Seite stehen Lukas Mähr, Karl Müller und Daniel Versluis. Letzterer ist das jüngste Mitglied des Teams und zuständig für die Abwicklung der Lehrlingswettbewerbe. (v.l. Karl Müller, Josef Schertler, Lukas Mähr, Daniel Versluis) ©Sophie Stockinger wmuf.at

Bau´ dir einen Klappstuhl

Um schon früh auf den Tischlerberuf aufmerksam zu machen, ist die Innung Vorarlberg auf regionalen Berufs- und Lehrlingsmessen präsent, zudem ist gerade ein ganz spezielles Projekt zur frühen Nachwuchsförderung am Anlaufen: Unter dem Namen „Klappstuhl“ – der nicht wie in einer erfolgreichen Filmkomödie ausgegraben sondern zusammengebaut wird – spricht man Mittelschulen im ganzen Land an – 15 haben sich schon angemeldet. Sie alle erhalten Pläne und Material, das im Werkunterricht zugeschnitten und weiter verarbeitet wird.

Mit der „Tischler Trophy“, mit der auch die Steiermark erfolgreich ist, ist dieses Projekt vom Ziel her vergleich, der Ablauf ist jedoch etwas anders: Der „Klappstuhl“ ist kein Wettbewerb und der Möbelbau erfolgt ohne Unterstützung eines Patronanztischlers. „Damit wollen wir die Neugierde der Schülerinnen und Schüler für unseren Beruf wecken, handwerkliches Geschick austesten und quasi früh den Fuß in der Tür haben“, so Schertler, der diese Aktion auch als Unterstützung für lehrlingssuchende Ausbildungsbetriebe sieht.

Ein paar extra Meter gehen

„Wir sehen Wettbewerbe als eine tolle Vorbereitung für die Lehrabschlussprüfung, als Motivationsinstrument und nicht zuletzt als wirksame Werbung für unseren Beruf.“Wolfgang Hasenburger, LLW Steiermark © Silvia Hasenburger
„Wir sehen Wettbewerbe als eine tolle Vorbereitung für die Lehrabschlussprüfung, als Motivationsinstrument und nicht zuletzt als wirksame Werbung für unseren Beruf.“
Wolfgang Hasenburger, LLW Steiermark © Silvia Hasenburger

Das traditionell gute Abschneiden der steirischen Teilnehmer*innen bei den Bundeslehrlingsbewerben – heuer „räumte“ man mehrere Stockerlplätze und den Mannschaftssieg ab – bereitet so manchem Konkurrenten Kopfzerbrechen. Was machen die Steirer anders als die anderen? „Wir nehmen das Training vor den Bewerben sehr ernst und investieren viel an Manpower und finanziellen Mitteln. Das ganze Team sieht Wettbewerbe auf allen Ebenen als eine tolle Vorbereitung für die Lehrabschlussprüfung, als Motivationsinstrument für Lehrlinge und Ausbildungsbetriebe und nicht zuletzt als wirksame Werbung für unseren Beruf. Das gilt vom Turnusbewerb im ersten Lehrjahr bis hin zu den internationalen Bewerben“, erklärt Wolfgang Hasenburger, der in der Lehrlingsarbeit u.a. von Klaus Fruhmann unterstützt wird. Insgesamt seien im Durchschnitt 160 Lehrlinge bei den Vorausscheidungen zum Landesbewerb dabei, bei diesem dürfen dann die ersten beiden aus dem Turnus antreten, das sind zumindest acht Personen pro Lehrjahr. „Wir haben die Lehrer der BS Fürstenfeld ins Boot geholt, damit sie die Schüler in der Freizeit auf die Bewerbe vorbereiten. Das kostet Geld, aber wir sind als Innung für einen hohen Mehrwert bereit, ein paar Meter mehr zu gehen.“ Für den Landesbewerb obliegt die Vorbereitung dann den Lehrlingen selbst – ein guter Indikator dafür, wer ausreichend selbständig und motiviert ist. Für den BLWB wiederum hat man ein eigenes Trainerteam, das die Lehrlinge intensiv vorbereitet. Der Erfolg kommt also nicht von ungefähr, bedeutet aber natürlich einen Aufwand, den nicht jedes Bundesland stemmen kann.

Schwierige Suche

Mit einer etwas anderen Situation als seine Kollegen in den westlichen Bundesländern sieht sich Harald Honigschnabel, seit fünf Jahren Landeslehrlingswart im Burgenland, konfrontiert. Auch wenn sich die Lehrlingszahlen in den letzten Jahren bei rund 60 einpendeln – aktuell sind es 61 Lehrlinge (davon 17 im ersten, 15 im zweiten, 21 im dritten und acht im vierten Lehrjahr) in 38 Ausbildungsbetrieben, „verschärft sich die Lage zunehmend. Die Zahl der produzierenden Betriebe nimmt ab, jene der reinen Montagefirmen zu.“ Aufgrund der Betriebsstruktur im Burgenland gibt es seltener Tischlereien, die mehrere Jugendliche ausbilden. Zumeist gibt es einen Lehrlinge über die volle Lehrzeit, danach werden eine Neue bzw. ein Neuer gesucht.

Mit dem Finden ist das allerdings so eine Sache: „Leider gehen viele Lehrlinge nach der Ausbildung weg. Sie wechseln die Firma, den Wohnort oder gleich den Beruf“, so Honigschnabel, der aus eigener Erfahrung berichtet: „In meinem Betrieb in Wiesfleck im Bezirk Oberwart waren wir immer zu Dritt mit einem Lehrling, aktuell sind wir nur zu Zweit. Es ist schwierig, gute Lehrlinge zu finden, die nach der Ausbildung auch bleiben. Bei uns hat sich in den letzten vier Jahren gar niemand beworben“, so Honigschnabel.

Mehr Unterstützung für Betriebe

„Wir wünschen uns mehr staatliche Unterstützung der Ausbildungsbetriebe, z. B. durch die Bezahlung der Lehrlingsentschädigung während der Berufsschulzeit.“Harald Honigschnabel, LLW Burgenland © WK Burgenland
„Wir wünschen uns mehr staatliche Unterstützung der Ausbildungsbetriebe, z. B. durch die Bezahlung der Lehrlingsentschädigung während der Berufsschulzeit.“
Harald Honigschnabel, LLW Burgenland © WK Burgenland

Die Gründe für ein Weggehen sind vielfältig, oft spiele die Bezahlung eine Rolle – und das auf beiden Seiten. „Besonders für kleinere Betriebe wird die Lehrlingsausbildung immer mehr zum Luxus“, so der Burgenländer, der sich mehr Unterstützung von Seiten der öffentlichen Hand wünscht. „Es gibt Förderungen für schlechte Schüler und Schulabbrecher – für die Guten und die Willigen gibt es allerdings kaum Unterstützung.“ So regt Harald Honigschnabel an, dass der Staat zumindest die Bezahlung der Lehrlingsentschädigung während der Berufsschulzeit übernehmen könnte – das würde die Unternehmen massiv entlasten und Mittel für betriebsinterne Förder- bzw. Unterstützungsmaßnahmen frei machen.

Zur aktiven Lehrlingsansprache arbeitet man aktiv mit der Landesberufsschule Pinkafeld zusammen, gemeinsam wirbt man auf Social Media für den Beruf, auch ein neuer Infofolder für Lehrlinge wurde aufgelegt. Die Tischlerinnung ist ebenso auf der Bildungs- und Informationsmesse Burgenland (Bibi) in Oberwart präsent, stellt dort u.a. die unterschiedlichen Einstiegsmodelle vor. Zudem gibt es eine Onlineplattform, auf der Lehrlinge und Betriebe nach dem passenden „Match“ suchen können.