Alles oder nichts?

25.03.2015

Die Vertragsbestimmungen über Dokumentation und Mitteilungspflichten werden immer komplexer, Sanktionen immer strenger.

Text: Katharina Müller

Vertragliche Regelungen über Dokumentation und Mitteilungspflichten gegenüber dem Vertragspartner bei Leistungsabweichungen sind im Bau- und Baunebengewerbe bereits Standard. Die Tendenz in der Praxis zeigt aber, dass diese Vertragsbestimmungen zum einen immer komplexer und zum anderen die Sanktionen bei einem Verstoß immer strenger werden. Oftmals sehen Ausschreibungsbestimmungen vor, dass einem Auftragnehmer (AN) bei Verstoß gegen vertragliche Mitteilungs- und Anmeldepflichten bei Leistungsabweichungen der gänzliche Verlust seines Anspruchs auf Mehrkosten und Bauzeitverlängerung droht.

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Ausgangslage

Ist ein AN bei der Ausführung seiner Leistung behindert oder erschwert, hat er unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Abgeltung der daraus entstandenen Mehrkosten und Bauzeitverlängerung. Ist auf den Vertrag die ÖNorm B 2110 anwendbar, hat der AN dafür die darin vorgesehenen Anspruchsvoraussetzungen einzuhalten. 
Gemäß ÖNorm B 2110 ist der AN verpflichtet, dem Auftraggeber (AG) über drohende oder bereits aufgetretene Behinderungen Mitteilung zu machen. Im nächsten Schritt hat er seinen Mehrkosten- und Bauzeitverlängerungsanspruch ehestens dem Grunde nach anzumelden. Ebenso hat ein AN die Höhe des Anspruchs dem AG ehestens in prüffähiger Form zu übermitteln. Schließlich sieht Punkt 7.4.3 ÖNorm B 2110 einen relativen Anspruchsverlust vor: Versäumt ein AN die Anmeldung dem Grunde nach, verliert er seinen Anspruch in dem Ausmaß, in dem die dadurch verursachte Einschränkung der Entscheidungsfreiheit des AG zu dessen Nachteil führt. Mit anderen Worten, den Anspruch auf jene Mehrkosten, die der AG selbst bei fristgerechter Anmeldung nicht hätte verhindern können, verliert der AN nicht. Die verspätete Vorlage der Mehrkosten der Höhe nach führt hingegen nach der ÖNorm B 2110 nicht zum Anspruchsverlust.

Die Praxis

Die Anwendbarkeit der ÖNorm B 2110 muss vertraglich vereinbart werden. Deren Bestimmungen können allenfalls auch abgeändert werden. Insbesondere die beschriebenen Mitteilungs- und Anmeldepflichten werden in Ausschreibungsunterlagen oder allgemeinen Geschäftsbedingungen des Öfteren zulasten des AN abgeändert. Dabei wird bei Versäumnis der Mitteilungs- und Anmeldepflichten oftmals ein absoluter Anspruchsverlust vorgesehen. Ein absoluter Anspruchsverlust bedeutet den gänzlichen Verlust von Mehrkostenforderungen (MKF) bei Versäumnis der Anmeldung.

Rechtliche Betrachtung

Bereits gemäß dem allgemeinen Zivilrecht muss niemand über Umstände aufgeklärt werden, die ihm ohnedies bekannt sind oder bekannt sein müssen. Die Mitteilungs- und Anmeldepflichten zielen darauf ab, den AG über ihm unbekannte Umstände aufzuklären und ihm damit eine Reaktionsmöglichkeit zu schaffen. Nimmt der AN dem AG diese Reaktionsmöglichkeit durch eine unterlassene Anmeldung, muss er sich die Kürzung seines Anspruchs gefallen lassen. Wenn ein AG allerdings trotz Wissens um bestimmte Umstände oder Behinderungen nicht handelt, hat er selbst die Folgen daraus zu tragen. Fraglich ist daher, ob ein in Ausschreibungsbedingungen enthaltener absoluter Anspruchsverlust gröblich benachteiligend im Sinne von § 879 Abs 3 ABGB und damit nichtig ist. Bei der Beurteilung einer gröblichen Benachteiligung zieht die Rechtsprechung auch die ÖNorm B 2110 als Maßstab heran. Eine nachteilige Abweichung von den ÖNorm-Regeln bedarf einer sachlichen Rechtfertigung. Nach der Judikatur fehlt eine sachliche Rechtfertigung, wenn die einem Vertragspartner zugedachte Rechtsposition in einem auffallenden Missverhältnis zur vergleichbaren Rechtsposition des anderen Vertragspartners steht. Ein absoluter Anspruchsverlusts dient in der Praxis oftmals nicht dazu, die Entscheidungsfreiheit des AG zu sichern, sondern die Geltendmachung von MKF des AN einzuschränken. Derartige Klauseln sind daher im Einzelfall zu prüfen und jedenfalls kritisch zu hinterfragen. Eine eindeutige Rechtsprechung liegt dazu noch nicht vor.

Zur Autorin

DDr. Katharina Müller 
ist Partnerin bei Müller Partner Rechtsanwälte
Rockhgasse 6, A-1010 Wien
www.mplaw.at

Redaktion

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