Anna Kovacs: Netzwerk als Erfolgsrezept
Mit 26 hatte Anna Kovacs, alias Nana, bereits alle Gütesiegel, die man sich als frischgebackene Absolventin der Architektur holen kann: Studium an verschiedenen Universitäten inklusive Erasmusjahr, ihre Diplomarbeit wurde für die Archdiploma ausgewählt, und schließlich qualifizierte sie sich auch noch für das Schindler-Stipendium, das sie ein weiteres Mal ins Ausland, diesmal nach Los Angeles, führte. Dennoch musste sie, wie sie sagt, nach dem Abschluss feststellen, dass sie auf das Berufsleben eigentlich überhaupt nicht vorbereitet war. Nicht nur deshalb begann sie ihre Karriere zunächst mit einem Brotjob. Gemeinsam mit Klaus Schwarzenegger, der seit 2014 als Partner dazugekommen ist, betreibt sie mit Nana nun aber doch ein ganz klassisches Architektur büro, wären da nicht die Yogastunden. Gertrud Purdeller im Gespräch mit Anna Kovacs

Wie sind Sie eigentlich zur Architektur gekommen?
Ich war nach dem Gymnasium noch unschlüssig, ob es Jura oder Architektur werden sollte, und bin zunächst für ein halbes Jahr nach Italien gegangen, um eine Fremdsprache zu lernen, so erklärte ich es zumindest meinen Eltern. Ehrlicherweise ging es mir hauptsächlich darum, mal aus Salzburg rauszukommen. Die Zeit in Perugia sowie verschiedene Reisen von dort aus waren schlussendlich aber tatsächlich ausschlaggebend dafür, dass ich mich für Architektur entschieden hab, wenn ich auch, von einem musischen Gymnasium kommend, eine gewisse Scheu vor dem vermeintlich sehr technischen Studium hatte. Eine Sorge, die sich als ungerechtfertigt erwies, zumal mich das Studium auf die technischen Herausforderungen des Berufslebens wenig vorbereitet hat.
Sie haben in ihrem ersten Büro gleichzeitig eine Bäckerei betrieben? Wie kam es dazu?
Nach meinem Studium habe ich mehrere Jahre in unterschiedlichen Architekturbüros gearbeitet, war nebenher aber eigentlich immer auch selbstständig unterwegs. Gemeinsam mit Bernhard Wolf habe ich etwa weiterhin das Thema unserer Diplomarbeit „Treibstoffarchitektur“, Tankstellen angetrieben durch die Kraft der Architektur verfolgt, für das wir das Schindler-Stipendium erhalten haben. Aus Los Angeles zurückgekehrt, waren mein damaliger Partner und ich auf der Suche nach einem relativ günstigen Büro und stießen auf ein leerstehendes, total sanierungsbedürftiges Erdgeschoßlokal in der Neustiftgasse – eine ehemalige Backstube. Wir beschlossen, dieses eigenhändig für unsere Zwecke zu sanieren. Während wir begonnen haben, diverse Basisarbeiten zu tätigen, kamen verschiedene Nachbarn auf uns zu und wollten wissen, ob denn hier auch eh wieder eine Bäckerei entstehen würde. Als es dann auch noch eine Unterschriftenaktion gab, dachte ich mir, warum eigentlich nicht. Zufällig lernte ich dann auch noch Helmut Gragger kennen, einen oberösterreichischen Bäcker mit ausgezeichnetem Brot ohne Backmischungen, der mir angeboten hat, mich zu beliefern. Damit war die Entscheidung, ohne groß zu überlegen, gefallen, leider nicht zu Freuden meines Partners, der sich auf die Architektur konzentrieren wollte. Somit begann ich mein zweites Standbein alleine und das Konzept ist voll aufgegangen. Gerade in der Phase, in der ich den Ziviltechniker machte und den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, war die Bäckerei meine finanzielle Absicherung und deckte meine Fixkosten komplett ab. Allerdings hatte ich aus dem Nichts heraus auch zwei Firmen, einen Bäckereibetrieb und ein Architekturbüro.
Wie kann man sich das vorstellen?
Um ehrlich zu sein, war ich total überfordert, weil die Bäckerei ein voller Erfolg war und die Nachfrage extrem groß. Das einzig Gute war, dass es Stoßzeiten gab: von halb sechs bis neun, von mittags bis zwei und von halb sieben bis sieben. Dazwischen und danach hatte ich Zeit zum Zeichnen. Das erste Jahr war nicht leicht, vor allem weil ich am Anfang noch alles allein machte um Ausgaben zu sparen. Als meine Selbstständigkeit dann immer mehr anlief, holte ich mir irgendwann aber doch Unterstützung von Studenten. Verständlicherweise waren auch meine Eltern anfangs skeptisch und haben sich gefragt, was ihre Tochter mit ihrem abgeschlossenen Architekturstudium macht, aber das bin nun mal ich. Ich purzle gern in Situationen, die plötzlich auftauchen, mir extrem viel abverlangen, dann aber doch – zumindest bisher – zum Glück gut ausgehen. Glück und Zufall spielen in meinem Leben generell eine große Rolle.
Wie sind Sie zu ihren ersten Aufträgen gekommen?
Auch hier spielte Glück eine wichtige Rolle. Glück, an die richtigen Personen zu geraten. In meiner Familie gibt es niemanden, der bereits etwas mit Architektur zu tun hatte, insofern musste ich mir meine Kontakte selbst aufbauen. Hilfreich war damals auf jeden Fall ein Studentenwettbewerb, an dem ich teilgenommen hatte. Es ging um Büroräumlichkeiten im ersten Bezirk, dessen Innenraum für ein Unternehmensberatungsbüro komplett saniert werden sollte. Das Gute daran war, dass ganz viele der damaligen jungen Unternehmensberater inzwischen wichtige Positionen bei großen Konzernen wie Palmers, Rewe oder Huber Gazelle belegen. Wir haben uns damals sehr ins Zeug gelegt, und ohne dass ich es damals wusste, hat sich dort mein erster Kundenstamm aufgebaut. Sie habe sich Jahre später bei mir gemeldet und mir meine ersten Aufträge gegeben.
Das Büro Nana gibt es nun seit fünf Jahren, inzwischen in einer neuen Konstellation mit Klaus Schwarzenegger als Partner. Was ist euer Erfolgsrezept?
Eines unserer Konzepte ist, dass wir wie ein offenes Netzwerk arbeiten und anders als viele Kollegen nicht das Gefühl haben, alles selbst machen zu müssen. Wir denken, dass es besser funktioniert, wenn sich jeder auf seine Kernkompetenz konzentriert. Natürlich ist man als Architekt auch ein bisschen Grafiker. Aber ich beschränke mich darauf, einen Rohentwurf zu machen und gebe diesen dann weiter, etwa an die Typejockeys, die beispielsweise zu unserem Netzwerk gehören. Sie arbeiten viel effizienter als wir, weil es ihr Spezialgebiet ist, mit einem ganz anderen Output.
Das Ergebnis ist ein großer Mehrwert für beide, und zeigt mir, dass unsere Philosophie durchaus Sinn macht. Das Ganze funktioniert auch vice versa. Als junges Büro möchte man gerade am Anfang alles selbst machen, um Kosten zu sparen. Das ist aber ein Trugschluss. In Wahrheit ist es viel ressourcenschonender die Kompetenzen durch Fachkonsulenten zu erweitern. Dadurch entstehen tolle Synergieeffekte und zudem ein größerer Auftragsanfragenpool, wovon alle profitieren. Nur ein Beispiel für eine ziemlich erfolgreiche Zusammenarbeit war etwa ein Wettbewerb der Immofinanz für eine Parkgarage, den wir gewonnen haben. Gemeinsam mit den Typejockeys haben wir ein bis ins Detail stimmiges und funktionierendes Konzept erarbeitet, das schlussendlich auch den Auslober überzeugt hat. Meiner Meinung nach sind es genau die fließenden Grenzen, die unsere Projekte ausmachen. Architektur beschränkt sich bei uns nicht einfach auf das Bauen eines Gebäudes. Sie beginnt im Außenraum und geht im Inneren Weiter. Mit den richtigen Partnern an der Seite können wir alle Segmente abdecken, für den Kunden kommt aber alles aus einer Hand. Meiner Meinung nach macht es dieses Konzept überhaupt erst möglich, als junges Büro zu funktionieren. Dieser Wettbewerb hat uns immerhin eine wichtige Tür geöffnet. Die Immofinanz ist für uns inzwischen einer unserer wichtigsten Auftraggeber. Ein zweites Erfolgskonzept ist sicher auch die Büroatmosphäre. Wir pflegen ein sehr freundschaftliches Miteinander. Solidarität und Teamfähigkeit sind uns dabei ganz wichtig. Wir haben keine strengen Hierarchien, sondern jeder macht eigentlich alles, und wir besprechen sehr viel in der Gruppe. Einmal in der Woche kommt etwa eine Yogalehrerin, und wir machen auf der Galerie in unserem Büro gemeinsam Yoga. Solche Initiativen entstehen bei uns aber nicht aus der Überlegung heraus, was können wir tun, um das Team zu verbessern, sondern kommen aus einem Selbstverständnis heraus. Dennoch entsteht dadurch ein ganz anderer Zusammenhalt.
Wie steht ihr als junges Büro dem Thema Wettbewerbe gegenüber?
Ich finde Wettbewerbsaufgaben immer spannend, bin aber froh, nicht auf diese angewiesen zu sein. Die Arbeit an einem Wettbewerb macht wahnsinnig viel Spaß, aber die Ausbeute ist einfach elendig. Man investiert irrsinnig viel Zeit, die zu 99 Prozent verschenkt ist. Abgesehen davon bin ich inzwischen an einem Punkt, wo ich sage, es ist auch schön, ein Leben abseits der Architektur zu haben, und finde, dass es sehr befruchtend für die Arbeit ist, wenn man in der Freizeit einen anderen Ausgleich sucht. Ich habe mich im Gegensatz zu anderen Kollegen auch bewusst dagegen entschieden, mich überall ehrenamtlich zu engagieren, sondern versuche lieber Lebensqualität in anderen Bereichen zu finden. Ich bin inzwischen nicht mehr bereit, wie damals noch im Backraum abends und am Wochenende zu arbeiten, und das möchte ich auch nicht von meinen Mitarbeitern. Im Fall des aktuellen Wettbewerbs zum Wien Museum machen wir mit, da wir es als kulturelle Verpflichtung sehen, sich daran zu beteiligen. Und natürlich auch, weil man eine so spannende Auftragsanfrage sonst nicht bekommt. Voraussetzung ist für uns aber in jedem Fall, dass ein Wettbewerb von der Kammer unterstützt wird und dementsprechend geprüft wurde.
Inzwischen sind Sie auch in der Lehre tätig und unterrichten am Studio Städtebau der TU Wien. Was ist ihnen wichtig, an die Studenten weiterzugeben?
Ich will den Studenten vermitteln, wie wichtig es ist, ihr Projekt entsprechend zu präsentieren. Man hat mit dem besten Projekt keine Chance, wenn es nicht richtig dargestellt wird. Ich versuche die Studenten schon früh darauf hinzuweisen, wie ein Büroablauf aussieht. Sie müssen lernen, sich Fristen zu setzen, bis wann ein Entwurf stehen muss, und dann das Beste aus diesem zu machen. Selbst wenn sie nicht 100-prozentig von ihrem Projekt überzeugt sind, ist es wichtig, dass sie voll und ganz dahinterstehen. Das ist eine Fähigkeit, die besonders in der Praxis unentbehrlich ist.
Anna Kovacs: „Unsere Unternehmensphilosophie: Zusammen sind wir mehr.“