Bruno Moser: Kein Maßanzug für Bauherren

25.07.2016

Der Tiroler Architekt Bruno Moser lebt dort, wo er arbeitet, in der Nähe seiner Werke. Er möchte für alle greifbar sein, für seine zufriedenen Bauherrn ebenso wie für Kritiker. Seine Leidenschaft gilt zwar dem Reisen und der Großstadt, aber wohnen und arbeiten möchte er dennoch nur am Land. Warum er, wie er selber von sich sagt, der Regionalität verhaftet ist und woher seine Vorliebe für den Baustoff Holz kommt, erzählte er FORUM, das ihn in einem seiner Bauten traf, in der Egger Firmenzentrale in St. Johann in Tirol – einem Bau ganz aus Holz. Christine Müller im Gespräch mit Bruno Moser

Woher rührt Ihre Vorliebe für Holz?
Nun, mein Vater ist Zimmerer. Während der Schulzeit habe ich in den Ferien in der Zimmerei, in der mein Vater tätig war,  gearbeitet. Dort habe ich gelernt, Probleme in der Umsetzung zu lösen. Mein Ansporn war schon damals, mehr zu schaffen, als etwas, das nur funktioniert. Meine Entscheidung, Architektur zu studieren, war die logische Konsequenz daraus. Auch später während des Studiums habe ich mit der manuellen Arbeit Geld verdient, Know-how erworben und gelernt, wie man Elemente zusammenfügt und einsetzen kann. Aber vor allem habe ich erfahrene Mitarbeiter mit einem untrüglichen Gespür für das Material Holz kennengelernt, die mir alles beigebracht haben, was ich heute darüber weiß. 

Der Holzbau hat doch einen sehr hohen Vorfertigungsgrad, trifft das auch für Sichtbeton zu? 
Nun, vor dem Einschalen und Betonieren auf der Baustelle kann man noch viel verändern. Beim Holz geht das nicht, da die Teile vorgefertigt sind. Wenn das Holz erst einmal auf der Maschine liegt, geht nichts mehr. Es ist aber möglich, etwas in einer Vorsatzschale unterzubringen. Mich fasziniert, dass man Holz mit den eigenen Händen so bearbeiten kann, durch Hobeln, Schleifen, Schneiden mit relativ einfachen Mitteln im rein handwerklichen Teil und mit einem minimalen Werkzeug Häuser bauen. Man hat dabei also das Gefühl, wirklich alles selbst machen zu können, also viel mehr als nur einen Plan zu zeichnen, den jemand anderer ausführt. Ich mag kein Material, das sich nachträglich bearbeiten lässt, wo einfach zugeputzt, versteckt und zugeschmiert wird. Ich stehe zu dem, was ich gemacht habe, selbst wenn es Fehler hat, die sieht man dann eben. Aber das ist mir lieber, als vereinheitlichende Tünche über alles drüberzuziehen.

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Es muss aber nicht zwingend Holz sein?
Ich versuchte einmal, einem potenziellen Bauherrn die Vorteile des Holzbaus zu erläutern. Er schien angetan. Nach einer gewissen Zeit, hat er dann gemeint, ein massives Haus würde ihm doch besser gefallen, ob ich denn so etwas überhaupt machen würde? Nun, wenn dann auch richtig massiv und aus Beton. Es entstand eine Physiotherapiepraxis mit Wohnhaus, eines aus Holz, das andere aus Sichtbeton. Also natürlich haben auch andere Materialien durchaus ihren Reiz.

Warum haben Sie entschieden, auf dem Land zu wohnen und zu arbeiten, nahe Ihres Geburtsorts und lieber kleinere regionale Bauvorhaben auszuführen?
Hier bin ich aufgewachsen, hier sind meine Freunde, und ich bin Teil einer Gemeinschaft, die man in der Stadt nicht findet. Vielleicht bin ich deshalb hier geblieben, ohne je in einer Stadt gelebt zu haben. Zwar fasziniert mich die Großstadt, das Pulsierende, die Lebendigkeit. Aber für mich war klar, nach dem Studium nicht nach Innsbruck zu ziehen.  

Haben Sie nur hier in der Region gebaut?
Nein, mittlerweile auch für Egger in Rumänien (lacht). Hauptsächlich Gewerbebauten, Wohnbauten noch nie, außer ein Einfamilienhaus und Seniorenwohnheime. Ich wurde etwa noch nie zu einem Wettbewerb zur Errichtung eines Wohnbauses eingeladen – aber ich ich kritisiere da eher, was gebaut wird.

Was macht denn gute Architektur aus?
Dass es zusätzlich zur gewährleisteten Funktionalität einen bestimmten Mehrwert gibt, er etwa eine gewisse „Schönheit“, also ein gewisses Plus in puncto Gestaltung widerspiegelt. 

Ist ein Begriff wie Genius Loci für Sie eine gültige Planungsvorgabe? 
Raumprogramm und Funktion bilden die Grundlage, also die  Bauaufgabe an sich. Der Genius Loci zählt für mich insofern als man das Bestehende und den Ort, an dem ein Bau entsteht, ernst nehmen sollte. In Tirol, wo alles hügelig und geneigt ist, macht man kurzerhand alles eben, anstatt das Vorhandene wahrzunehmen und darauf zu reagieren. Schon aus einer ganz einfachen Geste kann viel Positives entstehen. Das Wichtigste ist mein Bauherr, ich baue ja für ihn, nicht für mich. 

Ist es nicht manchmal schwieriger, einen Bauherrn glücklich zu machen, der ganz genaue Vorstellungen davon hat, was er umgesetzt sehen möchte?
Oft sind dessen Vorgaben sehr oberflächlich, und er kann nicht begründen, warum es genau so sein soll. Ich bin in der glücklichen Lage, für Bauherren zu arbeiten, die mir freie Hand lassen, oder ich hinterfrage deren Wünsche. Bei einem meiner wenigen nicht in Holz ausgeführten Bauten, hatte die Ehefrau des Bauherrn, als bedingungsloser Toskanafan, den Wunsch, alles müsse toskanisch ausssehen. Das habe ich ganz klar abgelehnt, ich kann ja auch kein typisches Tiroler Haus bauen. Von der einfachen Skizze, die ich dann präsentiert habe, mit einer sogar für mich ungewöhnichen Form, wegen der eigenartigen Grundstückskonfiguration, waren beide so begeistert, dass wir nie mehr über die Toskana gesprochen haben – vielleicht fahren sie da noch im Urlaub hin … 

Wollten Sie schon immer selbstständiger Architekt sein?
Ich kann mir nicht vorstellen, nicht selbstständig zu sein. Vielleicht habe ich ja ein Autoritätsproblem. Aber ich wollte schon immer meine eigenen Fehler machen. Zur Zeit meiner Bürogründung war die professionelle Marketingschiene, die sofort zeigt, von wem das Bauwerk ist, noch nicht angelaufen. Heute wird ja oft schon so lange vor dem Entstehen publiziert, dass man gar nicht weiß, ob es nun schon gebaut ist oder nicht. 
Alejandro Aravena, der chilenische Architekt uud Kurator der diesjährigen Architekturbiennale in Venedig, hat die soziale Verantwortung von Architektur zum Thema gemacht. Er hat etwa Pläne für Wohnhäuser kostenlos ins Netz gestellt. Etwas Vergleichbares machen Sie mit Egger und dem gemeinsan entwickelten Konzepthaus. Das klein und kostengünstig für ganz viele Möglichkeiten einsetzbar ist. Wie kommt man auf eine solche Idee?
Ich hatte einen Anruf von Ulrich Bühler, dem Geschäftsführer von Egger, der wollte, ich solle mir überlegen, wie man entsprechende und kostengünstige und schnell errichtbare Unterkünfte schaffen könne. Wir haben ein Modul mit 30 Quadratmetern entwickelt auf Grundlage der Plattenmaße 2,80 x 11,40 Meter, mit Schlafmöglichkeit, Nasszelle und Wohnbereich – alles kombinier-, erweiter- und stapelbar. Die Pläne dazu stehen im Internet, jeder könnte das einfach nachbauen.  

Ist Holz wirklich so nachaltig? 
Nun, der Rohstoff Holz wird nur in dem Ausmaß aus der Natur entnommen, in dem er auch wieder nachwächst. Und einen gewissen Anteil davon aus der Natur zu entnehmen, ist ja per se kein Fehler, wenn man danach trachtet, dass genug – in unserem Fall Holz – nachwächst. Der wichtigste Schritt, um nachhaltig zu bauen, ist doch schon mal die grundlegende Entscheidung, wo ich mein Gebäude hinstelle, um damit auf die nachhaltige Gestaltung des Umfeldes einzuwirken. Das Nachhaltigste ist jedoch, Bestehendes zu ergänzen, aufzustocken oder zu erweitern. 

Das Verdichten ist also das Zukunftshema?
Ja, unbedingt. Wir haben immer Angst vor der Dichte, unberechtigterweise, weil man oft die falschen Beispiele im Kopf hat. Denken Sie an New York, eine wirklich dicht bebaute Stadt, die dennoch eine menschenmaßstäbliche Atmosphäre hat. Wir Architekten erfüllen eine wichtige Aufgabe. Es zählt viel mehr, wie die Gebäude zueinander stehen, als wie sie aussehen. Meist wird ein Haus mitten auf das Grundstück gestellt. Grundstücksgrenzen sind aber rein fiktive Linien in der Landschaft, die nichts mit der Natur zu tun haben. Würde man sich an gewachsener Bebauung orientieren, an einem Weiler aus mehreren Häusern, gruppiert um einen Baum etwa, entstünde Städtebau. So lange wir es schaffen, für die Autos, die ja wirklich kein Dach brauchen, eigene Häuser zu bauen, könnten wir uns auch eine Lösung zur Unterbringung von Flüchtlingen leisten. Aber leider gilt es noch immer als erstrebenswert, wenn man zeigen kann, dass man es zu einem gewissen Wohlstand gebracht hat.

 Aternative Wohnformen sind immer mehr Thema, etwa auch das Generationenwohnen. 
Die werden immer wichtiger, diese Thematik wäre auch für den Wohnbau ein interessanter Ansatz. Struktureller zu denken, nicht an das fertige Design, sondern daran, dass man gute Strukturen macht und flexible Grundrisse. Aber auch eine mögliche generationenübergeifende oder auch soziale Durchmischung hat weniger mit der Architektur zu tun, sondern mehr mit der Struktur an sich, nämlich damit, dass Wohnungsgrundrisse auch anpassbar gedacht werden, weil sich die Bedürfnisse im Verlauf eines Lebens verändern. Das Schlimmste ist für mich „der Maßanzug für den Bauherrn“, schnell hat eine Familie um ein Kind mehr als geplant, und schon passt der Maßanzug nicht mehr.

Leider zählt meist nur, was nach außen hin sichtbar ist. 
Auch bei den Materialien. Es gibt Holz, das aussieht wie Stein, Stein, der aussieht wie Holz, aber Holz als natürliche Oberfläche verwendet fast niemand mehr. Und wenn, dann am liebsten gleich gealtertes Holz, man hat keine Geduld mehr zu warten, dass Holz mit der Zeit von selbst altert. Aber jeder, der über eine alte Kirchenstiege geht, findet das toll, wenn die so abgtreten ist, aber zu Hause verwendet man neue Bohlen und jammert, dass die verschmutzen könnten. Es gibt diese Angst davor, dass sich Dinge verändern. Aber Zeit erfährt man nur durch Veränderung. Wenn etwas nicht altert, merkt man nicht, dass die Zeit vergangen ist. 
Wendet man sich im ländlichen Raum eher an einen Baumeister als an einen Architekten, der außerdem noch das Image hat, teurer zu sein? 
Streng genommen ist der Baumeister ein „Meister“ seines Fachs, aber man sollte noch unterscheiden zwischen planend und bauend. Bei uns am Land werden sehr viele Projekte durch Baumeister realisiert, in der Planung wie in der Ausführung; Leider kenne ich genügend Architektenkollegen, die die Gebäudequalität auch nicht besser hinkriegen. Wenn jemand das nötige Gespür, die Fachkenntnis und Emotion mitbringt, muss er nicht Architektur studieren, um Architektur zu machen, man muss nur die richtigen Fragen stellen und die entsprechenden Antworten dazu finden. Es kommt vor, dass junge Architektenkollegen, die das Studium abgeschlossen haben, die Baumeisterprüfung machen, um sofort selbstständig ein eigenes Büro eröffnen zu können und nicht Zwangsmitglied der Architektenkammer sein wollen. Denn die typische Beschäftigungsart als freier Mitarbeiter ist ja faktisch nicht mehr möglich. Es kann also durchaus sein, dass ein Baumeister auch studierter Architekt ist.

Wie kann man einem Bauherrn erklären, worin der Mehrwert der Architektenleistung besteht?
Der gesamte Leistungsumfang eines Architekten ist den meis­ten Bauherren nicht wirklich klar, erst wenn sie die verschiedenen Leistungen für Entwurf, Einreichung, Polierplan, Details und speziell Ausschreibung sehen, verstehen sie, dass das was kosten darf und mit viel Aufwand verbunden ist. Den Mehrwert vom „Architektenhaus“ erkläre ich mit der Idee, dem Geist eines Projekts. Sobald der Bauherr diesen Gedanken mitträgt und verstanden hat, lernt er bei jedem Planungsschritt mit und erlebt Räume, Ausblicke oder Proportionen viel bewusster. 

Woran inspirieren Sie sich?
Man saugt ja als Architekt das ganze Leben auf. Ob ich jetzt Schitouren gehe oder mich sonstwie in der Natur bewege. Viele Architekten sind zwar große Denker, aber leben eigentlich etwas anderes als sie machen. Von daher denke ich, bin ich schon authentisch, ich arbeite wie ich lebe, das zeigt sich auch in meinen Arbeiten, die sind vielleicht nicht der Hype, aber sie sind sehr solide und zuverlässig (lacht).

Da sind wir wieder bei der Nachhaltigkeit.
Ja, authentisch zu sein, nicht nur als Architekt, ist das Um und Auf.

Bruno Moser: “Ich kann mir nicht vorstellen, nicht selbstständig zu sein. Vielleicht habe ich ja ein Autoritätsproblem. Aber ich wollte schon immer meine eigenen Fehler machen.”

Redaktion

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