Stahl-Glas-Konstruktion

Gläsernes Himmelsauge für das Australian War Memorial

15.10.2025

Für den Glasbiegespezialisten Cricursa sind komplexe Projekte seit vielen Jahren Teil der DNA. Dennoch waren die gebogenen, teilweise als Isolierglaselemente ausgeführten Glasblütenblätter für das Himmelsauge im unterirdischen Eingangsfoyer des Australian War Memorials in Canberra in vielerlei Hinsicht herausfordernd. Doppelt gekrümmte Biegungen, entgegengesetzte Krümmungsrichtungen in den Achsen und veredelt mit Digitaldruck und Rillenschliff – das Team musste alle Register ziehen.

Mit seinem weithin sichtbaren Kuppelbau ist das „Australian War Memorial“ in Canberra im wahrsten Sinn des Wortes monumental. Gegründet als ein Ort, an dem den Gefallenen und Verwundeten gedacht werden kann und der in seiner Funktion als Museum zugleich ein tieferes Verständnis für die Folgen des Krieges vermittelt, umfasst das rund 14 Hektar große Gelände fünf Gebäude sowie einen Skulpturengarten. Der Grundstein für das ikonische Denkmal wurde 1919 gelegt, 1941 erfolgte die Eröffnung, bis 2028 wird es seit einigen Jahren umfassend neu gestaltet.
Der wohl spektakulärste Part des Umbaus ist „The Oculus“, das runde Himmelslicht im neuen, am 3. Februar 2025 eröffneten Eingangsfoyer. Die neun Meter breite und zwölf Tonnen schwere Stahl-Glas-Konstruktion ist eine mathematische Inversion der byzantinischen Kuppel auf dem zentralen Gedenkort des War Memorials, der „Hall of Memory“. Anders als die in die Ferne wirkende Kuppel schafft „The Oculus“ eine intime, nach innen gerichtete Atmosphäre. Der Wechsel aus Licht und Schatten fördert Stille und Besinnung und verbindet die Architektur subtil mit der eigentlichen Bestimmung als Raum der Erinnerung.

Seit einigen Jahren wird das Australian War Memorial neu gestaltet. Der wohl spektakulärste Teil des Umbaus ist „The Oculus“, das runde Himmelslicht. © Thurston Empson – Architect: Studio SC
Seit einigen Jahren wird das Australian War Memorial neu gestaltet. Der wohl spektakulärste Teil des Umbaus ist „The Oculus“, das runde Himmelslicht. © Thurston Empson – Architect: Studio SC

The Oculus auf der zentralen Sichtachse

Das für den Entwurf verantwortliche Büro Scott Carver Architects aus Sidney wollte eine Sichtbeziehung zwischen dem alten und dem neuen Eingangsbereich herstellen, der direkt unterhalb des bestehenden Eingangsvorplatzes entstanden ist. Von dort können die Besucher*innen durch die gewölbte Glasdecke des Himmelsauges in das unterirdische Foyer blicken. Andererseits ist die kupferne Kuppel von innen sichtbar. „The Oculus“ setzt sich aus einem zentralen sphärischen Glaselement mit drei Metern Durchmesser und 16 doppelt gebogenen gläsernen Blättern zusammen. Die rund 55 Millimeter dicken Isolierglaselemente bestehen aus zweimal extra-klarem, getempertem und mit „SentryGlass“-Folie laminiertem Verbundglas sowie einem 12 Millimeter starken Warme-Kante-Abstandshalter „Super Spacer TriSeal Flex black“ von Edgetech. Variierende Rillenprofile und digitale Druckmuster erzeugen zusammen mit der außergewöhnlichen Geometrie einen optisch faszinierenden Effekt. Im Inneren der Kuppel bilden weitere 16 Verbundglaselemente mit entgegengesetzten Krümmungsrichtungen in jeder Achse einen hyperboloid geformten Schleier aus gläsernen Blüten.

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Die neun Meter breite und zwölf Tonnen schwere Stahl-Glas-Konstruktion ist eine mathematische Inversion der byzantinischen Kuppel auf dem zentralen Gedenkort des War Memorials. © Henry Li Photography
Die neun Meter breite und zwölf Tonnen schwere Stahl-Glas-Konstruktion ist eine mathematische Inversion der byzantinischen Kuppel auf dem zentralen Gedenkort des War Memorials. © Henry Li Photography

Engste Toleranzen und perfekte Oberflächen

Mehr als fünf Jahre hat ein internationales Team im Auftrag des Generalunternehmers Kane Constructions an der Umsetzung der hochkomplexen Struktur gearbeitet. Der Fassadenspezialist Prism Facades aus Sidney entwickelte die Konstruktion, während Apex Welding & Steel Fabrication aus Thomastown bei Melbourne die Stahlhalterung herstellte. Nach dem Einbau vor Ort wurde jeder Stahlrahmen komplett mit 3 Millimeter starkem Messingblech ummantelt. Die Glaselemente fertigte Cricursa, das auf gebogenes Glas spezialisierte Kompetenzzentrum innerhalb der spanischen Tvitec Group.
Die ersten Muster wurden 2020 hergestellt und dem australischen Designteam zur Visualisierung der Oberflächen übergeben. Es folgte die Fertigung von Prototypen in Originalgröße und die Abnahme durch den Kunden, bevor in der zweiten Jahreshälfte 2023 die gebogenen Glaseinheiten produziert und im September 2024 installiert wurden. „Wir mussten mit sehr engen Toleranzen arbeiten, um die Installationsanforderungen zu erfüllen. Dieses Projekt erforderte ein sehr hohes Maß an Genauigkeit, um nicht nur die Passung zwischen den Glaselementen zu erreichen, sondern auch die komplexe Geometrie mit den unterschiedlichen Oberflächenbehandlungen und Druckdesigns in Einklang zu bringen“, erklärt Carlos Pajuelo, Technischer Direktor bei Cricursa. „Entscheidend war dabei, schon vor dem Biegen die exakte Position von Digitaldruck und Rillenschliff zu berechnen – eine Aufgabe, die besonders anspruchsvoll ist, da diese Oberflächen nicht geglättet werden können. Für diese Berechnungen greifen wir auf interne Methoden zurück, die wir über Jahre entwickelt haben“, fährt er fort.
Jede Glasscheibe wurde mit 3D-Scannern geprüft, um die tatsächliche Silhouette der Scheiben zu erfassen und sie mit den theoretischen Modellen zu vergleichen. Um sicherzustellen, dass alle Glaselemente exakt auf die in Australien gefertigten Stahlrahmen passen, arbeiteten Stahlkonstrukteur und Glasteam auf Basis einer gemeinsamen 3D-Datei, sodass jederzeit aktuelle Daten vorlagen. Zusätzlich wurden dem Auftraggeber 3D-Digitalisierungen der Glassilhouetten bereitgestellt, um die theoretische Passgenauigkeit prüfen zu können. Unterschiede in den thermischen Ausdehnungskoeffizienten von Stahl und Glas werden durch Einbauspalten und Silikonfugen ausgeglichen. Bereits in der frühen Projektphase wurden solche Details analysiert, um potenzielle Probleme zu vermeiden und um sicherzustellen, dass die gebogene Verglasung präzise in die Befestigungspunkte passte. Auch die Toleranzen des Stahlbauers waren mit plus/minus einem Millimeter extrem eng. Mehrere Probemontagen waren erforderlich, um die Verformung während des komplizierten Schweißvorgangs zu kontrollieren und zu minimieren. Vor der finalen Installation in Canberra wurde die gesamte Oculus-Konstruktion einmal komplett montiert, um die Passgenauigkeit der Glasscheiben sowie das strukturelle Verhalten der Baugruppe zu überprüfen.

Anders als die in die Ferne wirkende Kuppel schafft „The Oculus“ eine intime, nach innen gerichtete Atmosphäre. © Thurston Empson – Architect: Studio SC
Anders als die in die Ferne wirkende Kuppel schafft „The Oculus“ eine intime, nach innen gerichtete Atmosphäre. © Thurston Empson – Architect: Studio SC

Flexibilität und Stabilität für komplex gekrümmte Doppelverglasungen

Cricursa setzt seit rund 20 Jahren „Super Spacer“ Abstandhalter für die Fertigung von gebogenen Verglasungen mit komplexen Geometrien ein. „Insbesondere die Einführung des Super Spacer Flex war eine enorme Verbesserung. Er ist ein wenig stärker als andere Super Spacer Produkte und bietet daher bei diesen schweren und komplex gekrümmten Doppelverglasungen die notwendige Flexibilität und Stabilität. Die herausfordernden Geometrien des Oculus konnten nur mit Super Spacer Flex realisiert werden. Wir haben uns daher mit unserem Auftraggeber bereits in einer frühen Planungsphase darauf verständigt, dass die Verwendung dieses Abstandhalters unerlässlich ist, um die Dichtheit des Scheibenzwischenraums sicherzustellen“, so Pajuelo.
Alle Komponenten für den Randverbund der Isolierglaseinheiten mussten so ausgelegt sein, dass sie den mechanischen, windbedingten und klimatischen Belastungen gemäß den Projektanforderungen standhielten. Besonders bei sehr starren, gebogenen Isolierglaseinheiten stellt das eine Herausforderung dar, da das Glas aufgrund seiner hohen Steifigkeit nur minimal nachgibt. Dadurch müssen die Dichtstoffe nahezu sämtliche klimatischen Lasten allein aufnehmen.
Die spezielle Konstruktion des „Super Spacer TriSeal Flex“ Abstandhalters gleicht bei großen und komplex gebogenen Scheiben die Toleranzen in der Parallelität der Scheiben aus. Der Strukturschaum entspricht dem des herkömmliche „T-Spacers“, bietet aber durch die höhere Bautiefe mehr Festigkeit im Randverbund und mehr Fläche zum Auftragen der Primärdichtung. Das sorgt für mehr Sicherheit, geringeren Gasverlust und weniger Feuchteaufnahme.
„Bei hochkomplexen Verglasungen gibt es keinen Spielraum für Kompromisse. Der flexible Strukturschaum des Super Spacer nimmt Spannungen auf, gleicht Toleranzen aus und sorgt dafür, dass der Randverbund auch unter härtesten Bedingungen zuverlässig intakt bleibt“, betont Mike Moran, Vice President Sales bei Edgetech/Quanex.
(bt)