Das Werk von Francis Kéré: Hinaus in die Welt

ArchitektIn
27.02.2017

Im Architekturmuseum der TU München wurde die spektakuläre Ausstellung „Radically Simple“ über den Architekten Francis Kéré wegen anhaltendem Zuspruchs um einen Monat verlängert.
Lycée Schorge in Kou-dougou/Burkina Faso, 2016
Lycée Schorge in Kou-dougou/Burkina Faso, 2016

Kéré Architecture nahm an der vorjährigen Architekturbiennale Venedig, „Reporting from the Front“ teil, aktuell darf er sich freuen, mit seinem Vitra-Campus-Pop-Up-Store einer der drei Gewinner des Euro Shop Design Awards 2016 zu sein.

Seit der in Burkina Faso geborene Architekt Francis Kéré 2004 den Aga Khan Award für die Volksschule in Gando erhalten hat, ist er aus der Szene einer sozial engagierten Architektur nicht mehr wegzudenken. Die Ausstellung „Radically Simple“ im Münchner Architekturmuseum ist die erste Personale über sein Werk. Sie erzählt die Lebensgeschichte des Architekten anhand seiner Werke, die man an vielen Stationen besuchen kann. Der extravagante Eingang durch einen „Wald“ aus vier Meter hohen Baumstämmen bezeichnet eine experimentelle Schwelle, wie die Kuratorin Ayca Beygo erläutert. Hier wird nicht nur ein sensorischer Übergang markiert, auch eine Initiation wird symbolisiert, der Zeitpunkt, der einen Jugendlichen ins Erwachsenenleben und in die Verantwortung überführt.

Veränderung des Lebens

Kéré verweist in seinen Gesprächen immer wieder auf die Prägung durch seine Herkunft und seine Ausbildung in Deutschland. Er vertritt eine eigenständige Architektursprache, die sich durch einen reichen afrikanischen Kulturhintergrund, europäisch geprägtes technisches Know-How und ein anhaltend starkes Forschungsinteresse inspiriert zeigt. Außerdem gibt es eine stark künstlerische Komponente in seinen Auffassungen, von der nicht zuletzt die Kooperation mit Christoph Schlingensief beim Projekt Operndorf Burkina Faso zeugte.

Francis Kérés Werke sind mittlerweile international gefragt und preisgekrönt, er gilt längst als einer der einflussreichsten Architekten des afrikanischen Kontinents. Darüber hinaus hat er sich einen festen Platz unter jenen Architekten gesichert, deren Anliegen Nachhaltigkeit, Partizipation und soziales Engagement sind.

Die Besucher der Ausstellung sind eingeladen, in Gando zu starten und die räumlichen und persönlichen Transformationen des Architekten nachzuvollziehen. Um diesen Lebensweg ranken sich viele Geschichten über Mut, glückliche Fügungen, Optimismus, Fleiß, Ambition und Engagement. Der Lebensweg von Francis Kéré beginnt in einem kleinen Ort in Burkina Faso, den er schon bald verlässt, um als einziges Kind des Dorfes in der Stadt eine Schule zu besuchen. Nach der Schule reist Kéré nach Deutschland, lernt zunächst das Tischlerhandwerk, beginnt aber bald ein Architekturstudium in Berlin. Nach Gando kehrt er in der Folge erstmals mit dem Plan zurück, im Ort eine eigene Schule zu bauen.

Transformation des Raumes

Die Ausstellung führt zunächst die Projekte in Burkina Faso, dann weitere Projekte in Afrika detailliert vor, um dann die europäischen Werke zu zeigen. Die Transformation des Raumes folgt den Veränderungen im Leben des Architekten und seinen internationalen Aufträgen – so das Narrativ der Ausstellung; und so endet diese auch in Ouagadougou in Burkina Faso, wo Kérés Rückkehr mit einem urbanen Projekt gefeiert wird. Neben Modellen, Bild- und Videodokumenten sind zahlreiche Installationen zu sehen. Etwa wird ein Klassenzimmer der Schule in Gando in einer 1:1 Grafik dargestellt, ergänzt von jenen Sesseln nach Entwürfen von Kéré, die im Original-Klassenzimmer in Verwendung sind. Auch der mittlerweile berühmte Hocker – er wurde 2016 beim Salone del Mobile in Mailand vorgestellt –der von gebündelten Holzstäben inspiriert ist –wird in der Ausstellung gezeigt. Dessen Struktur soll sogar Vorbild für Gebäudeplanungen so etwa für ein Hochhaus sein. Überhaupt wird viel Material, das wesentlichen Anteil an diversen Projektentwicklungen hat, gezeigt – gerade wenn diese wie in Afrika in Kooperation mit den jeweiligen Bewohnern erfolgt. So bietet die Ausstellung auch Gelegenheit, das umfangreiche Archiv unterschiedlicher Tonziegel und traditioneller Bauutensilien kennenzulernen.

Anlässlich der Ausstellung erschien der erste Katalog mit allen bisherigen Projekten Kérés im Verlag Hatje Kantz – er ist mit großer Wahrscheinlichkeit schon demnächst vergriffen.

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