Holz als Ideenspender
Wieder einmal hat sich die Vielseitigkeit der Designwelt offenbart: Eine ganze Woche lang stand Mailand im Zeichen von Gestaltung, Kunst und Vision. Dabei spielt Holz immer noch eine der wichtigsten Rollen.

Es scheint, als wären es die Launen der Natur, die die Menschen derzeit am meisten begeistert. Vieles kommt gegenwärtig auf den Tisch wie Kork, Bambus, Brennnesselfasern, Naturstein und immer wieder Holz, verarbeitet in verschiedenen Varianten und geformt zu unterschiedlichsten Produkten. Ganz vorne mischt die Eiche mit, die sich mit Nussholz das Siegerpodest teilt, aber auch Esche, Birke und Buche sind stark nachgefragt.
Der intensive Griff zum Holz mag auf den ersten Blick vielleicht unter dem Hashtag Nachhaltigkeit ein bisschen plakativ wirken, doch ist in den Gesprächen mit den einzelnen Herstellern eine echte Ernsthaftigkeit zu erkennen, die die Wichtigkeit eines radikalen Umdenkens erkannt haben.
Viele denken in Generationen über die Vererbbarkeit eines langlebigen Möbelstücks nach, andere garantieren eine gewisse Zahl von Nachpflanzungen, sobald ein Produkt verkauft wird. Andere wiederum studieren die alten Handwerkskünste, um besser ohne Metalle und Leime auszukommen, damit das fertige Stück schließlich nur noch aus einem Material dasteht. Egal, welche Strategien verfolgt wird: Sie sind alle begrüßenswert.

Asien liegt im Trend
Formal betrachtet gibt es eine starke asiatische Tendenz, die sich insbesondere bei Stühlen und Tischen, aber auch bei Sideboards, Kommoden und ganzen Küchen nachvollziehen lässt. Gesamt betrachtet lässt sich damit einhergehend auch ein gewisser Minimalismus und eine beherrschte Reduktion festmachen, die eigentlich dem Trend zu mehr Opulenz bei den Polstermöbeln und teilweise auch bei den Leuchten widerspricht. Beides zusammen funktioniert jedoch wunderbar: zwei gegensätzliche Bewegungen, die harmonisch neben-, nein, miteinandere in sämtlichen Kontexten koexistieren können.
Holz als verlässlicher Partner
Auch für die Kombination mit Stein, Keramik oder Leder ist Holz nach wie vor ein verlässlicher Partner, wobei es sehr präsent und dennoch nicht aufdringlich wirkt. Kaum ein anderes Material kann das von sich sagen. Aufgrund dieser außergewöhnlichen Qualitäten genießt Holz besondere Privilegien, etwa jenes, dass kleine Ausreißer wie Äste gestattet sind und die Farbigkeit variieren kann. Doch das ist für die Designer andererseits ein ganz entscheidendes Kriterium, denn die Natürlichkeit darf keinesfalls verloren gehen – auch wenn man das Holz biegt, in Bretter schneidet und ihm damit eine unnatürliche Form gibt.

Kampfer-Holz Kusunoki / Kusu und erhältlich in sechs verschiedenen Sitzhöhen. (C) Nagano Interior
Die unglaubliche Varianz, die sich durch die spezifischen Eigenschaften des Holzes anbietet, ruft von den charmantesten bis zu den verrücktesten, von den elegantesten bis zu den zweckmäßigsten sämtliche Kreationen hervor. Vom ganzen Stamm bis zum hauchdünnen Holzblättchen zeigt das Material, was es kann. So ließen sich auch auf dem Salone wieder faszinierende Entwürfe entdecken, die vor allem eines eindrücklich zeigten: Holz kann (fast) alles und passt (fast) überall – als Leuchte, als Blickfang, als japanischer Teeschrank, als Designklassiker oder einfach als Möbel zum Anfassen.

Apropos Anfassen: Deutlich spürbar war es diese Jahr in Mailand auch, dass die Haptik eine immer größere Rolle bei der Entscheidung spielt. Kaum noch ein Lack, der die Oberflächen komplett verschließt zu sehen, dafür zumeist geölte Flächen, die die Strukturen, Maserungen und teilweise sogar die Rauheit immer noch gut ertasten lassen und gleichzeitig schützen. Denn klar ist sicher eines: Zurück zur Natur bedeutet auch, sie sichtbar und spürbar zu lassen, nicht zuletzt, um die Wertigkeit dieses Material begreifbar zu machen.