Materialprüfung im Mikroformat

Forschung
13.12.2017

Von: Redaktion Metall
Ein oberösterreichisches Start-up ermittelt zuverlässige Werkstoffparameter für Mikro-Bauteile.
Zweiter Platz beim Handwerkspreis der WKO Oberösterreich für die Hightech-Entwicklung von Microsample.
Zweiter Platz beim Handwerkspreis der WKO Oberösterreich für die Hightech-Entwicklung von Microsample.
Das Labor von microsample in Scharnstein ist eines der kleinsten in ganz Österreich.
WKO-Mitarbeiter Gerald Stöger (li.) hat Georg Rathmayr bei Förderansuchen in der Entwicklungsphase, bei der Firmengründung und mit Kontakten zu Firmenkunden unterstützt.

Die Materialeigenschaften von Leiterbahnen, Beschichtungen oder einzelner Schichten in Schweißnähten analysiert das Start-up-Unternehmen Microsample mit selbst entwickelten Maschinen.

Das Labor von Microsample in Scharnstein ist wohl eines der kleinsten in ganz Österreich. Eingerichtet hat es Firmengründer Georg Rathmayr. Auf gerade einmal 10 m2 führt der promovierte Werkstoffwissenschaftler Mikro-Zugprobenprüfungen durch. Die größten Proben, die dort einer zerstörenden Werkstoffprüfung unterzogen werden, sind wenige Millimeter groß. Die kleinsten haben einen Durchmesser von nicht einmal 80 μm (0,08 Millimeter). Unternehmen wie die Miba Gleitlager Austria GmbH oder die ASMAG – Anlagenplanung und Sondermaschinenbau GmbH lassen die Materialeigenschaften ihrer Gleitlager oder Kupferrohre im Labor von Microsample testen.

„Es gibt weltweit keine technisch adäquate Fertigungseinrichtung für Mikro-Zugproben“, sagt Georg Rathmayr. Ermittelt werden dabei die Zugfestigkeit, Streckgrenze, Brucheinschnürung, Dehnung, Verfestigungsverhalten oder Duktilität des Materials. Doch nicht der Zugversuch selbst ist die eigentliche Herausforderung bei den Materialtests im Miniaturformat. „Viel komplizierter ist die Herstellung der Proben“, betont Rathmayr. „Die Probenfertigung ist der Schritt mit der größten Fehlerwahrscheinlichkeit.“ Herzstück des mit rund 250.000 Euro teurer Technik ausgestatteten Labors ist daher auch die von Rathmayr selbst entwickelte Mikro-Zugprobenschleifmaschine. Ganz langsam schleift die komplett flüssigkeitsgekühlte Maschine runde Proben aus den Werkstücken. Siliziumkarbid oder Aluminiumoxid kommen als Schleifmittel zum Einsatz.

Schleifen, polieren, vermessen

Für einen Kunden wurde aus einem ca. 5 mm hohen mehrschichtig aufgebauten Verbundwerkstoff aus einer Zwischenschicht mit einer Stärke von gerade einmal 140 μm eine solche Probe mit einem Durchmesser von 80 μm geschliffen. Dieser Durchmesser entspricht etwa einer Haaresbreite. „Werden Proben durch Drehen, Zerspanen oder Fräsen gewonnen, schädigt das die Werkstoffe so sehr, dass die Prüfergebnisse wertlos sind“, erklärt Rathmayr. Bereits kleinste Oberflächendefekte führen zu einem vorzeitigen Versagen der Probe im Zugversuch und damit zu grob verfälschten mechanischen Kennwerten des Materials. Außerdem können mit diesen Verfahren lediglich viereckige Querschnitte gefertigt werden. Da es in diesen Dimensionen praktisch unmöglich ist, exakt rechtwinkelige Proben herzustellen, ist auch eine präzise Vermessung der Geometrie nicht möglich. „Deshalb erzeugt unsere Mikro-Zugprobenschleifmaschine runde Geometrien. Sind diese im schlimmsten Fall elliptisch, bleiben sie dennoch leicht zu berechnen“, präzisiert Rathmayr. Um Oberflächendefekte zu minimieren, unterzieht Microsample die Zugproben im Bedarfsfall zusätzlich einem mehrstufigen Polierprozess mit Diamantsuspension.

Sorgsame Behandlung

Während des gesamten Vorgangs – also vom Schleifen über das Polieren bis zur Befundung der Qualität – bleibt die Probe in der Mikro-Zugprobenschleifmaschine. „Sobald die Probe die Maschine verlässt ist keine Nachbearbeitung mehr möglich“, erklärt Rathmayr. Dieser extrem sorgsame Umgang mit dem Materialproben ist wohl der akademischen Prägung des Materialwissenschaftlers geschuldet. Rathmayrs gesamte Entwicklungsarbeit ist ein Spin-off seiner Dissertation am Erich Schmid Institut für Materialwissenschaft der Österreichischen Akademie der Wissenschaften an der Montanuniversität Leoben. Gerade in der wissenschaftlichen Grundlagenforschung hat man es oft mit Materialproben zu tun, die extrem teuer sind und eine mehrjährige Messhistorie haben. „Zerstört man diese Proben, verliert man kostbare Forschungsarbeit“, sagt Rathmayr.

Microsample holte zum Beispiel auch Materialproben aus dem Inneren einer Schweißnaht. „Nur so kommt man zu Erkenntnisse über deren Beschaffenheit“, betont Rathmayr „Will man die lokalen Eigenschaften von Materialien verstehen, muss man genau dort Mikro-Proben ziehen.“

Miniaturisierung als Motor

Da der Trend zu Miniaturisierung von Bauteilen in beinahe allen Branchen gegenwärtig ist, bedient Microsample einen Wachstumsmarkt. „Spitzenunternehmen in der Autobranche, in der Füge- und Beschichtungstechnik oder der Mikroelektronik sind darauf angewiesen, ihre Produkte lückenlos analysieren zu können, um ihre Technologieführerschaft zu behaupten“, sagt Rathmayr. Dennoch geht er davon aus, dass sich die meisten Industriekunden keine microsample-Maschinen kaufen werden. „Das Equipment alleine reicht nicht, um aussagekräftige Prüfergebnisse zu erzielen. Man braucht auch spezielles Know-how, um diese mehrstufigen Materialprüfungen durchführen und die Ergebnisse korrekt interpretieren zu können.“

Neben der hochspezialisierten Mikrozugprobenfertigung 
hat Microsample auch ein Probeneinspannsystem
 entwickelt, das Einspannkräfte bzw. Torsionsbelastungen auf die Probe – und damit signifikante Verfälschung der Versuchsergebnisse – verhindert. Ein berührungsloses optisches Dehnungsmesssystem im Durchlichtverfahren liefert Aufnahmen des gesamten Probenquerschnittes. Die Microsample-Auswertungs-Software ermittelt schließlich die korrekten Zugversuchskennwerte. „Außerdem können wir auch wahre Spannungs-Dehnungskurven für FEM-Berechnungen erstellen“, betont Rathmayr.

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