Hilfspaket Bauwirtschaft

Booster für den Bau?

Konjunktur
11.10.2023

Aktualisiert am 20.10.2023
Die Regierung hat ein Milliardenpaket gegen die Flaute am Bau angekündigt. Die Vertreter der Bauwirtschaft reagieren unterschiedlich.
Baukran trägt die Jahreszahl 2023
Baukran trägt die Jahreszahl 2023

Die Aussichten am Bau sind düster – so düster wie schon lange nicht mehr: Im dritten Quartal 2023 ist der Auftragsbestand im Baugewerbe um 18,7 Prozent zurückgegangen. „Seit 2011, seit dieser Indikator abgefragt wird, haben wir noch nie einen Rückgang der Aufträge in dieser Höhe beobachtet“, meint Christina Enichlmair von KMU Forschung Austria. Und eine Trendumkehr ist laut Enichlmair nicht in Sicht. Der Ausblick auf das vierte Quartal hat sich sogar noch weiter verfinstert: Laut KMU Forschung Austria rechnen im Segment „Baugewerbe und Kunststoffverarbeiter“ 50 Prozent der Unternehmen mit einem weiteren Umsatzrückgang, während nur zehn Prozent einen Anstieg erwarten. Der Saldo, so Enichlmair, liege also bei minus 40 Prozent. Den gleichen Wert von minus 40 Prozent hat sie für das Bauhilfsgewerbe erhoben. Im Holzbau liegt er sogar bei minus 60 Prozent.

Angesichts dieser Zahlen hatten Wirtschaftsforschungsinstitute und Wirtschaftskammer in den vergangenen Wochen vehement ein rasches Handeln der Politik gefordert. Sie wurden erhört – jedenfalls in Ansätzen: Die Bundesregierung hat umfangreiche Maßnahmen angekündigt, um die schwächelnde Konjunktur zu beleben. Dazu gehören ein drei Milliarden Euro schweres für den Bau. Renate Scheichelbauer-Schuster, Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk in der WKÖ, zeigt sich erleichtert: „Der Einbruch der Baukonjunktur trifft das gesamte Handwerk und Gewerbe massiv, da das Baugewerbe und seine nachgelagerten Branchen für 55 Prozent des Umsatzes im Gewerbe und Handwerk stehen. Deshalb begrüßen wir sehr, dass sich die Regierung sehr rasch für den von uns geforderten ‚Booster‘ für den Bau entschlossen hat.“

Das Baupaket setzt den Hebel an mehreren Stellen an – von der Sanierungsoffensive über die Verlängerung der Schwellenwert-Verordnung bis hin zur Ankurbelung von öffentlichen und grünen Bauinvestitionen. Scheichelbauer-Schuster: „Wenn dieses Paket nun rasch in die Umsetzung kommt, kann das neben dem gewünschten Konjunkturimpuls auch einen Anschub zum Erreichen der Klimaziele bewirken.“ 

Booster statt düster?

Weniger zufrieden zeigt Robert Jägersberger, Bundesinnungsmeister des Baugewerbes. Für ihn greift das Paket zu kurz: „Grundsätzlich sind die von der Regierung angekündigten Maßnahmen im Bereich der technischen Gebäudesanierung – Heizung, Photovoltaik – sowie das Vorziehen von öffentlichen Bauprojekten zu begrüßen“, so Jägersberger. Allerdings würden diese Maßnahmen nicht den Kern des Problems treffen, nämlich jene Marktsegmente, welche für den aktuellen Einbruch bei den Auftragseingängen am Bau verantwortlich seien. Jägersberger: „Zentrales Problem ist nämlich die ausbleibende Baunachfrage im Bereich des großvolumigen Wohnbaus, des privaten Neubaus und der baulichen Sanierung – vor allem im thermischen Bereich.“

Um die Nachfrage in diesen Marktsegmenten zu stabilisieren, plädiert Jägersberger für zielgerichtete Maßnahmen, die direkt die Investitionsbereitschaft der Bauherren und Hausbauer stimulieren: Dazu gehört eine massive Aufstockung der bestehenden Wohnbauförderung durch zusätzliche Bundesmittel um 600 bis 700 Millionen Euro für die nächsten beiden Jahre. Der Bundesinnungsmeister schlägt vor, die geplante Mehrwertsteuerbefreiung für PV-Anlagen auszuweiten – und zwar auf alle Investitionen von Privaten zur Schaffung oder Sanierung von selbst genutztem Wohnraum und für den Kauf von neu geschaffenem Wohnraum zur Eigennutzung. Zudem fordert er die befristete Einführung einer degressiven Afa von 6 Prozent für Gebäude für sinnvoll oder alternativ die Anhebung der linearen Afa-Sätze.

Einig ist man sich, dass etwas getan werden muss, und die Bauwirtschaft als Lokomotive der Wirtschaft eine besondere Bedeutung hat. Spartenobfrau Scheichelbauer-Schuster: „Die Bauwirtschaft ist das Zugpferd.  Schwächelt der Bau, dann wirkt sich das auf gesamte Wirtschaft aus.“ Ähnlich sehen das die Wirtschaftsforscher. Die beiden Forschungsinstitute WIFO und IHS hatten Anfang Oktober ihre Herbstprognose zur Konjunktur veröffentlicht – und dabei ihre Wachstumserwartungen für die österreichische Wirtschaftaft kräftig nach unten geschraubt: Laut Wifo wird die Wirtschaft heuer um 0,8 Prozent schrumpfen, laut IHS um 0,4 Prozent. Im Juni hatten beiden Institute noch ein Wachstum von 0,3 beziehungsweise 0,5 Prozent prognostiziert. So wie die Daten von KMU Forschung Austria zeigen auch die Zahlen von WIFO und IHS, dass die Bauwirtschaft besonders stark von der Konjunkturflaute betroffen ist: Das WIFO rechnet damit, dass die Investitionen in der Baubranche im laufenden Jahr um 2,7 Prozent sinken werden.

Zusätzlich zum Konjunkturpaket fordern Jägersberger und Scheichelbauer-Schuster eine Abschaffung oder Reform der umstrittenen KIM-Verordnung, die den Banken strenge Auflagen bei der Vergabe von Wohnbaufinanzierungen an private Kreditnehmer macht. Die Kreditregeln, so Scheichelbauer-Schuster, müssten „wieder Investitionen in den Wohnbau ermöglichen, damit sich junge Familien ein Eigenheim schaffen können“. Mit Blick auf die Wirtschaftslage hat Reinhard Kainz, Geschäftsführer der Bundessparte Gewerbe und Handwerk, zudem einen Wunsch an die Arbeitnehmervertreter bei den Lohnverhandlungen, den man mit einem Wort beschreiben kann: „Zurückhaltung“.