Baufahrzeuge am Weg in die Zukunft
Traditionelle Dieselfahrzeuge prägen heute zwar noch das Bild vieler Baustellen, doch die Hersteller arbeiten intensiv am Wandel Richtung mehr Effizienz – mit Fokus auf alternative Antriebstechnologien und autonome Systeme.

Baustellen sind traditionell ein Ort schwerer Maschinen, hoher Emissionen und robuster Technik. In den letzten Jahren haben aber verstärkt alternative Antriebstechnologien – von batterieelektrischen Lösungen über Wasserstoffantriebe bis hin zu Hybridmodellen – Einzug auf der Baustelle gefunden. Zudem kommen immer mehr autonome Systeme, die nicht nur Fahrfunktionen übernehmen, sondern komplette Transport- und Logistikketten automatisieren können. Die Baubranche steht vor einem technologischen Wandel, den Herstellerunternehmen massiv vorantreiben. Das Versprechen dahinter – nicht nur umweltfreundlichere, sondern gleichzeitig auch effizientere Baustellen. Unternehmen wie Goldhofer, Humbaur, Iveco, Man, Mercedes-Benz, Scania, Schwarzmüller, Schmitz Cargobull, Tschann und Volvo positionieren sich als Treiber dieser Transformation, indem sie alternative Antriebskonzepte entwickeln und intelligente Systeme erforschen, die den Baustellenalltag enorm verändern könnten.
Eine der größten Herausforderungen für alternative Antriebe ist dabei die vielfach noch unzureichende Ladeinfrastruktur für elektrische Fahrzeuge und das Fehlen einer flächendeckenden Wasserstoffinfrastruktur. Nicht selten befinden sich Baustellen in abgelegenen Gebieten ohne Zugang zu geeigneten Tankstellen oder Ladestationen. Zudem ist die Reichweite elektrischer Fahrzeuge aktuell noch begrenzt und kann je nach Einsatzbereich schnell zum Problem werden. Ein Ausweg aus diesem Dilemma können Wasserstofffahrzeuge sein, allerdings benötigen diese eine entsprechend ausgebaute Betankungsinfrastruktur.

©Daimler Truck AG
Wirtschaftlichkeit und Kosten
Die höheren Anschaffungskosten alternativer Antriebe sind Experten zufolge momentan eine der größten Hürden für viele Bauunternehmen. Obwohl die Betriebskosten nicht selten niedriger als bei traditionellen Modellen sind, ist die Anfangsinvestition zumeist erheblich höher als bei konventionellen Fahrzeugen.
Die Gesamtbetriebskosten über die Lebensdauer der Fahrzeuge müssen daher sorgfältig kalkuliert werden, um fundierte Entscheidungen treffen zu können. Dazu zählen auch Nebenkosten, so erfordert die Einführung neuer Technologien im Normalfall umfassende Schulungen für Fahrer*innen und Wartungspersonal. Elektrische und wasserstoffbetriebene Fahrzeuge haben vielfach andere Betriebscharakteristika als Dieselfahrzeuge und erfordern somit auch angepasste Arbeitsabläufe.
Zudem kommt, dass die Akzeptanz neuer Technologien bei Mitarbeiter*innen ein wichtiger Erfolgsfaktor für die Transformation ist. Viele Fahrer*innen und Techniker*innen haben jahrzehntelange Erfahrung mit konventionellen Fahrzeugen. Es ist also wichtig, diese Mitarbeiter*innen von alternativen Technologien zu überzeugen und ihr Interesse daran zu steigern. Moderne Baufahrzeuge sind beispielsweise immer häufiger mit Telematik-Systemen ausgestattet, die kontinuierlich Daten über Fahrzeugzustand, Position und Nutzung sammeln. Diese Systeme ermöglichen es Bauunternehmen, ihre Flotten effizienter zu verwalten und Wartungsbedarfe frühzeitig zu erkennen. Die gesammelten Daten können zur Optimierung von Routen, zur Reduzierung von Kraftstoffverbrauch und zur Verbesserung der Fahrzeugauslastung genutzt werden. Für Bauunternehmen bieten entsprechende Systeme daher enormes Potenzial für Effizienzsteigerungen.
Schrittweise Transformation
Die Vernetzung verschiedener Fahrzeuge und Systeme kann darüber hinaus die Koordination auf Baustellen deutlich verbessern. Wenn Fahrzeuge miteinander und mit einem zentralen System kommunizieren können, lassen sich dadurch Arbeitsabläufe besser koordinieren und Wartezeiten reduzieren. Viele dieser Technologien befinden sich allerdings noch in der Entwicklung, eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg in breitem Rahmen ist daher die Standardisierung der Kommunikationsprotokolle.
Diese Standardisierung ist allerdings ein hochkomplexes Thema, welches verschiedene technische und wirtschaftliche Aspekte umfasst. So verwenden Hersteller aktuell vielfach proprietäre Systeme, die nicht mit- und untereinander kompatibel sind. Dies führt wiederum zu sogenannten „Insellösungen“, bei denen Bauunternehmen entweder alle Fahrzeuge von einem Hersteller beziehen müssen oder mit mehreren, nicht vernetzten Systemen arbeiten.
So nutzen beispielsweise viele Hersteller unterschiedliche Datenübertragungsstandards – Während einige auf Mobilfunknetze (4G/5G) setzen, bevorzugen andere WLAN-basierte Lösungen oder spezielle Industriefunkstandards. Hinzu kommen unterschiedliche Datenformate und Protokolle für die Übertragung von Fahrzeuginformationen. Während ein System Kraftstoffverbrauchsdaten in Litern pro Stunde übermittelt, könnte ein anderes diese Information in Litern pro 100 Kilometer senden. Solche Inkompatibilitäten erschweren eine einheitliche Flottenüberwachung erheblich.
Verschiedene internationale Organisationen arbeiten an der Entwicklung einheitlicher Standards für die Fahrzeugkommunikation. Die International Organization for Standardization (ISO) hat etwa Standards wie ISO 11898 für CAN-Bus-Systeme in Fahrzeugen entwickelt, die auch in Baufahrzeugen Anwendung finden. Für die Kommunikation zwischen Fahrzeugen (Vehicle-to-Vehicle, V2V) und zwischen Fahrzeugen und Infrastruktur (Vehicle-to-Infrastructure, V2I) werden Standards wie IEEE 802.11p und 5G-V2X genutzt. In der Baumaschinenbranche arbeitet zudem die Association of Equipment Manufacturers (AEM) an Standards für Telematik und Maschinenkommunikation. Diese Bemühungen zielen darauf ab, herstellerübergreifende Kompatibilität zu schaffen und den Datenaustausch zwischen verschiedenen Systemen zu ermöglichen.

Problemfaktor Inselsysteme
Die Europäische Union fördert ebenfalls Standardisierungsinitiativen im Rahmen ihrer Digitalisierungsstrategie. Programme wie „Connected and Automated Mobility“ (CAM) unterstützen etwa die Entwicklung einheitlicher Kommunikationsstandards für alle Arten von Fahrzeugen.
Für Bauunternehmen bedeutet die fehlende Standardisierung derzeit praktische Probleme. Ein Bauunternehmen, das Fahrzeuge verschiedener Hersteller einsetzt, muss möglicherweise mehrere separate Telematik-Plattformen verwenden, um seine Flotte zu überwachen. Dies führt zu höheren Betriebskosten, erschwert die einheitliche Datenauswertung und macht die Schulung der Mitarbeiter komplexer. Ein Beispiel hierfür wäre ein Bauunternehmen, welches MAN-Lkw für Materialtransporte, Volvo-Bagger für Erdarbeiten und Mercedes-Transporter für Werkzeugtransporte verwendet. Derzeit müsste das Unternehmen drei verschiedene Telematik-Systeme nutzen, um alle Fahrzeuge zu überwachen. Eine einheitliche Übersicht über die gesamte Flotte ist nicht möglich, auch die Koordination zwischen verschiedenen Fahrzeugtypen wird erschwert.
Die Entwicklung und Implementierung einheitlicher Standards erfordert Investitionen seitens der Hersteller. Viele Unternehmen haben bislang beträchtliche Summen in die eigenen, proprietären Systeme investiert und sind daher zurückhaltend bei der Umstellung auf offene Standards. Die Kund*innen erwarten aber zunehmend Interoperabilität zwischen den verschiedenen Lösungen. Daher beginnen mehr Hersteller, Application Programming Interfaces (API) zu entwickeln, die es Drittanbietern ermöglichen, auf ihre Telematikdaten zuzugreifen. Dies ist ein erster Schritt in Richtung größerer Interoperabilität, auch wenn es noch keine vollständige Standardisierung darstellt.
Experten gehen davon aus, dass sich in den kommenden Jahren zunehmend offene Standards durchsetzen werden, ähnlich wie in anderen Bereichen der Informationstechnologie. Der Druck von Kundenseite und die Vorteile vernetzter Systeme werden die Hersteller vermutlich dazu bewegen, kompatiblere Lösungen zu entwickeln.
Flexible Übergangslösungen
Doch nicht nur im Bereich der Standardisierung lauern noch Stolpersteine. Auch beim Antrieb herrscht noch Potenzial nach oben. Dabei geht es nicht nur um die eingangs erwähnten Kosten. Viele Experten sehen aktuell Hybridantriebe als wichtige Übergangstechnologie. Diese Systeme kombinieren konventionelle Verbrennungsmotoren mit elektrischen Antrieben und können je nach Einsatzbereich optimiert werden. Für die Baubranche sind Hybridfahrzeuge eine praktikable Lösung, da sie die Vorteile elektrischer Antriebe in geeigneten Situationen nutzen können, ohne auf die Reichweite und Flexibilität konventioneller Antriebe zu verzichten.
Die Einführung alternativer Antriebe wird dabei regional sehr unterschiedlich verlaufen. In städtischen Gebieten mit strengen Umweltauflagen und verfügbarer Ladeinfrastruktur werden elektrische Fahrzeuge Experten zufolge deutlich schneller Akzeptanz finden als in ländlichen Gebieten. Bauunternehmen müssen ihre Strategien daher entsprechend ihrer hauptsächlichen Einsatzgebiete entwickeln und möglicherweise unterschiedliche Technologien für verschiedene Anwendungen einsetzen.
Die vollständige Transformation der Baufahrzeugflotten wird noch Jahre oder gar Jahrzehnte dauern, prophezeien Branchenkenner. Denn: Die Technologien müssen sich bewähren, die Infrastruktur muss ausgebaut werden, und die Kosten müssen sinken, damit alternative Antriebe wirtschaftlich attraktiv werden. Gleichzeitig werden sich die Anforderungen an Baufahrzeuge weiter entwickeln. Die Hersteller müssen flexibel auf diese Veränderungen reagieren.
Herausforderungen bei der Transformation
Die Transformation hin zu emissionsarmen und autonomen Baufahrzeugen verläuft nicht ohne
Reibungsverluste. Vor allem die nachfolgenden vier Punkte prägen dabei den Wandel.
- Ladeinfrastruktur: Die Verfügbarkeit leistungsstarker Ladepunkte auf oder nahe von Baustellen ist noch gering.
- Gesamtkostenbetrachtung: Elektrische Lkw sind in der Anschaffung deutlich teurer als dieselbetriebene. Der TCO-Vorteil (Total Cost of Ownership) stellt sich erst nach Jahren ein.
- Fachkräftemangel: Der Betrieb und die Wartung neuer Technologien erfordert weitergebildetes Personal.
- Rechtlicher Rahmen: Die Zulassung und der Betrieb autonomer Fahrzeuge unterliegen komplexen
Regularien, insbesondere im öffentlichen Raum.

Erweiterte Einsatzszenarien
Beispiele dafür sind inzwischen durchaus vorhanden. So hat Mercedes-Benz Trucks mit dem „eActros“ etwa bereits vor geraumer Zeit einen elektrischen Lkw entwickelt, der auch für Baustellenanwendungen geeignet ist. Das Fahrzeug arbeitet dabei deutlich leiser als herkömmliche Dieselfahrzeuge, was besonders in städtischen Bereichen von Vorteil sein kann. Die geringere Geräuschentwicklung ermöglicht unter anderem die Nutzung in lärmschutzrechtlich sensiblen Bereichen. Materiallieferungen könnten damit beispielsweise auch zu Zeiten erfolgen, die mit konventionellen Fahrzeugen nicht möglich wären.
Volvo CE ist ebenfalls seit langem in diesem Bereich engagiert. Das Unternehmen bietet verschiedene elektrische Versionen von Baufahrzeugen, die für spezielle Anwendungen wie Innenarbeiten oder den Einsatz in geschlossenen Räumen geeignet sind, da sie keine Abgase produzieren. Iveco bietet wiederum mit dem „eDaily“ einen elektrischen Transporter, der für verschiedene gewerbliche Anwendungen konzipiert ist, unter anderem auch für den Transport von Werkzeugen und kleineren Bauteilen. Das Unternehmen arbeitet zudem an der Entwicklung der notwendigen Ladeinfrastruktur und kooperiert mit verschiedenen Partnern, um Ladestationen für Nutzfahrzeuge zu etablieren. Die Verfügbarkeit geeigneter Lademöglichkeiten ist ein entscheidender Faktor für die Akzeptanz elektrischer Nutzfahrzeuge in der Baubranche.
Scania setzt indes neben Elektrofahrzeugen mit Akku-Technologie auch auf Wasserstoff als alternative Antriebstechnologie, insbesondere für schwere Transportaufgaben und Langstreckenfahrten. Das Unternehmen entwickelt daher Brennstoffzellen-Lkw und testet diese in verschiedenen Anwendungsbereichen. Wasserstofffahrzeuge könnten besonders für den Transport schwerer Baumaschinen zwischen verschiedenen Baustellen interessant sein.
Ein Vorteil der Wasserstofftechnologie ist die relativ kurze Betankungsdauer, die mit konventionellen Dieselfahrzeugen vergleichbar ist. Dies könnte für Bauunternehmen, die auf eine hohe Verfügbarkeit ihrer Fahrzeuge angewiesen sind, von Bedeutung sein. Wenig überraschend setzen daher zahlreiche Hersteller auf dieses Thema. So entwickelt auch MAN entsprechende Lkw. Der Hersteller sieht Wasserstoff als mögliche „Technologie für den Schwerlastverkehr“, besonders dort, wo „batterie-elektrische Antriebe an ihre Grenzen stoßen“.
Entwicklungstreiber Effizienz
Eine wichtiger Faktor für die Zukunft der Baufahrzeuge ist Effizienz, nicht nur in Bezug auf den Antrieb. So gewinnt etwa die Autonomisierung der Fahrzeuge an Relevanz. Die Einführung autonomer Systeme bedeutet dabei aber mehr als nur autonomes Fahren. Sie umfasst ein ganzes Ökosystem automatisierter Prozesse auf der Baustelle – von der Anlieferung über das Rangieren bis zur Baustellenlogistik.
Volvo hat in den letzten Jahren verschiedene Prototypen autonomer Fahrzeuge entwickelt und in kontrollierten Umgebungen getestet. Autonome Fahrzeuge verwenden unter anderem GPS-Navigation, Sensoren und Software, um ohne menschlichen Fahrer*innen zu operieren. Die Herausforderungen für den Einsatz auf Baustellen sind jedoch beträchtlich. Das komplexe und sich ständig verändernde Umfeld einer Baustelle stellt hohe Anforderungen an die Sensorik und Softwareentwicklung.
Mercedes-Benz entwickelte wiederum Fahrerassistenzsysteme für Nutzfahrzeuge, die als Vorstufen zur Automatisierung betrachtet werden können. Systeme wie Notbremsassistenten und Spurhalteassistenten sind verfügbar und erhöhen die Sicherheit im Baustellenbereich. Derartige Assistenzsysteme sammeln kontinuierlich Daten und bilden damit die Grundlage für weitergehende Automatisierungstechnologien bilden.
Die Rolle der Trailerhersteller
Während die Zugmaschinen zunehmend auf elektrische und autonome Antriebskonzepte setzen, rücken auch die Trailer zunehmend in den Fokus der Innovation. Humbaur, Goldhofer, Schwarzmüller, Schmitz Cargobull und Tschann zeigen, wie Digitalisierung, Elektrifizierung und intelligente Leichtbaukonzepte die Funktion von Anhängern und Aufbauten neu definieren – als aktive Systempartner auf der Baustelle.
Wo früher der Auflieger nur als passiver Lastträger fungierte, wird heute ein vernetzter, aktiver Systempartner erwartet – mit eigenem Energiemanagement, Echtzeitdaten, digitalen Assistenzfunktionen und einem Beitrag zur Emissionsreduktion. Dabei geht es nicht nur um den Fernverkehr – gerade in der Baulogistik, mit ihren wechselnden Einsatzorten und besonderen Herausforderungen, spielt der intelligente Trailer eine Schlüsselrolle.