Die OIB-Richtlinie 7: Inhalt und Zeitplan

Nachhaltiges Bauen
16.02.2022

Von: Redaktion Bauzeitung
Zur nachhaltigen Nutzung der natürlichen Ressourcen im Gebäudesektor ist eine neue OIB-Richtlinie geplant. Worum es geht und wann sie kommt.
Grüne Weltkugel mit Stadt

Ein aus Expert*innen der Bundesländer zusammengesetzter Sachverständigenbeirat zur Erstellung der OIB-Richtlinie 7 zur nachhaltigen Nutzung der natürlichen Ressourcen (SVB RL7) hat im Jahr 2021 seine Arbeit aufgenommen. Geplant ist bis 2023 nur ein unverbindlicher Leitfaden für die Bundesländer zum Thema Nachhaltigkeit, da für die Veröffentlichung einer OIB-Richtlinie 7 sowohl eine 15a-Vereinbarung zwischen den Bundes­ländern als auch eine Definition von Nachhaltigkeit in all ihren Teilbereichen im Gebäudesektor auf europä­ischer Ebene erforderlich ist. Dies bedeutet, dass die OIB-Richtlinie 7 frühestens 2027 veröffentlicht werden kann.

Die OIB-Richtlinien und die europäische BPV

Die OIB-Richtlinien dienen der Harmonisierung der bautechnischen Vorschriften in Österreich. Sie werden vom Österreichischen Institut für Bautechnik (OIB) nach Beschluss in der Generalversammlung herausgegeben und stehen damit den Bundes­ländern zur Verfügung. Die Bundesländer können die OIB-Richtlinien in ihren Bauordnungen für verbindlich erklären. Von den OIB-Richtlinien kann jedoch gemäß den Bestimmungen in den diesbezüglichen Verordnungen der Bundesländer abgewichen werden, wenn der Bauwerber nachweist, dass ein gleichwertiges Schutzniveau erreicht wird wie bei Einhaltung der OIB-Richtlinien. Dies soll die notwendige Flexibilität für innovative architektonische und technische Lösungen sicherstellen. 

Die OIB-Richtlinien sind entsprechend den Grund­anforderungen für Bauwerke in der europäischen Bauproduktenverordnung (BPV) zur Festlegung harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten (EU 305/2011) gegliedert. Diese bautechnischen Anforderungen an Bauwerke sind:

  1. mechanische Festigkeit und Standsicherheit,
  2. Brandschutz,
  3. Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz,
  4. Nutzungssicherheit und Barrierefreiheit,
  5. Schallschutz,
  6. Energieeinsparung und Wärmeschutz sowie
  7. nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen.

Lediglich für die Grundanforderung 7 gibt es bisher keine OIB-Richtlinie, da zu dieser bisher im Gegensatz zu den anderen sechs Grundanforderungen kein europäisches Grundlagendokument veröffentlicht wurde. Der hauptsächliche Zweck der Grundlagen­dokumente ist, die Verbindung zwischen den wesent­lichen Anforderungen und den Mandaten herzustellen, welche die Kommission den Europä­ischen Normenorganisationen für die Erstellung harmonisierter Normen und der Europäischen Organisation für technische Zulassungen (EOTA) für die Erarbeitung von Leitlinien für die europäische technische Zulassung erteilt. Um dies zu erreichen, sind folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen:

  • Harmonisierung der Terminologie und der grundlegenden technischen Konzepte und Ermittlung des entsprechenden Harmonisierungsbedarfs; 
  • Angabe der Klassen oder Stufen für jede wesent­liche Anforderung – soweit erforderlich und möglich;
  • Angabe der Methoden der Wechselbeziehung zwischen diesen Klassen oder Stufen und den technischen Spezifikationen; 
  • Verwendung als Bezugsdokumente für die Erarbeitung von harmonisierten Normen und Leitlinien für die europäische technische Zulassung.

Die Grundanforderung 7 und Vorgangsweise des SVB RL7

Die Grundanforderung 7 der Bauproduktenverordnung besagt, dass ein Bauwerk derart entworfen, errichtet und abgerissen werden muss, dass die natürlichen Ressourcen nachhaltig genutzt werden und insbesondere Folgendes gewährleistet ist: 

  1. Das Bauwerk, seine Baustoffe und Teile müssen nach dem Abriss wiederverwendet oder recycelt werden können; 
  2. das Bauwerk muss dauerhaft sein; 
  3. für das Bauwerk müssen umweltverträgliche Rohstoffe und Sekundärbaustoffe verwendet werden.

Aufgrund der bisher fehlenden detaillierten europäischen Vorgaben hat der SVB RL7 diese drei Punkte als Vorlage genommen, inhaltlich präzisiert und in die folgenden Unter­kapitel eingeteilt: 

  1. Wiederverwendbarkeit, Recyclebarkeit (Gebäude, Gebäudeteile): Trennbarkeit/Rückbau, Wiederverwendbarkeit/Recyclingfähigkeit und Dokumente/Dokumentation; 
  2. Dauerhaftigkeit des Bauwerks: Anpassbarkeit, Baustruktur und Wartung- und Instandhaltung des Bauwerks (inkl. Bauteile) und der Gebäudeinstallation; 
  3. Verwendung umweltverträglicher und Sekundärbaustoffe: Anforderungen an bzw. Nachweisführungen hinsichtlich der Baustoffe/Baumaterialien/Bauteile, Produktion/Verwendung und des Transports.

Für diese Teilbereiche wird in einem nächsten Schritt die Zuständigkeit der Bundesländer und des OIB abgeklärt sowie festgestellt, inwieweit die Taxonomie-Verordnung und Level(s) hier einen europäischen Rahmen vorgeben bzw. zu diesem beitragen.

Die europäische Taxonomie-Verordnung

Das Europäische Parlament und die EU-Mitgliedstaaten einigten sich 2019 auf eine verbindliche Definition für ökologisch nachhaltige Aktivitäten und Investitionen. Im Rahmen des EU-Aktionsplans für ein nachhaltiges Wachstum wurden Kriterien für sechs Umweltziele in den folgenden sieben Wirtschafts- und Industriebereichen ausgearbeitet: 

  1. Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei;
  2. Weiterverarbeitende Industrie, 
  3. Versorgung aus den Bereichen Elektrizität, Gas, Dampf und Klimaanlagen wie z. B. Stromerzeugung aus nachhaltigen Quellen (Sonne, Wind, Meer, Geothermie); 
  4. Wasser, Kanalisation, Abfall und Aufbereitung; 
  5. Transport und Lagerung; 
  6. Informations- und Kommunikationstechnologie; 
  7. Bauwirtschaft und Immobilien wie z. B. Errichtung neuer Gebäude, Sanierungsmaßnahmen, Einbau von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien.

Die Verordnung zur EU-Taxonomie (EU 2020/852) wurde am 22. 6. 2020 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Sie etabliert den Rahmen für die zukünftige Bewertung von ökologisch nachhaltigen Aktivitäten. Diese Verordnung enthält die Kriterien zur Bestimmung, ob eine Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig einzustufen ist, um damit den Grad der ökologischen Nachhaltigkeit einer Investition ermitteln zu können.

Die EU-Taxonomie ist ein Klassifizierungssystem für nachhaltige und weniger nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten. Sie regelt, unter welchen Umständen eine wirtschaftliche Aktivität als nachhaltig gemäß sechs verschiedener Umweltzielbereiche definiert werden darf. Das Ziel ist, transparente und einheitliche Anhaltspunkte für Investitionsentscheidungen zu bieten, Finanzströme langfristig in nachhaltige Bahnen umzulenken und Greenwashing zu beenden. Unternehmen sind nicht zur Taxonomie-Konformität verpflichtet, und es gibt kein Verbot von Investitionen in nichtkonforme Sektoren oder Aktivitäten.
Die europäische Wirtschaft bekommt mit der EU-Taxonomie einen umfassenden Rahmen, der das Schaffen nachhaltiger Geschäftsmodelle auf einer fairen Wettbewerbsbasis ermöglicht. Angesichts der spezifischen technischen Details, die für die Bewertung der Umweltauswirkungen einer Wirtschafts­tätigkeit erforderlich sind und teilweise in den dafür vorgesehenen Anhängen noch nicht veröffentlicht wurden, und des raschen Wandels in Wissenschaft und Technologie sollen die Kriterien für ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten regelmäßig angepasst werden, um solche Änderungen widerzuspiegeln. Die Taxonomie ist somit eine "lebende Verordnung", die kontinuierlich adaptiert wird.

EU-Konzept: Level(s)

Level(s) ist der erste Rahmen der Europäischen Kommission (EK) zur Verbesserung der Nachhaltigkeit von Gebäuden. Unter Verwendung bestehender Standards bietet es einen neuen Ansatz zur Bewertung und Berichterstattung über die Nachhaltigkeit von Gebäuden während ihres gesamten Lebenszyklus. Level(s) soll eine gemeinsame Sprache der Nachhaltigkeit für Gebäude bereitstellen, die 2015 bis 2020 von der EK entwickelt und 2021 einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Diese gemeinsame Sprache soll Maßnahmen auf Gebäudeebene ermöglichen, die einen klaren Beitrag zu den umfassenderen Zielen der euro­päischen Umweltpolitik leisten können. Level(s) ist wie folgt aufgebaut:

  1. Makroziele: Die sechs übergeordneten Ziele des Level(s)-Rahmens, die zu den politischen Zielen der EU und der Mitgliedstaaten in Bereichen wie Energie, Materialeinsatz, Abfallbehandlung, Wasser und Raumluftqualität beitragen.
  2. Kernindikatoren: Ein Satz von 16 gemeinsamen Indikatoren, die zusammen mit einer vereinfachten Lebenszyklusanalyse ("Life Cycle Assessment" – LCA) zur Messung der Leistung von Gebäuden und ihres Beitrags zu den einzelnen Makrozielen herangezogen werden können.

Darüber hinaus soll durch den Level(s)-Rahmen das Lebenszyklusdenken gefördert werden. Er lenkt den anfänglichen Fokus der Nutzer von einzelnen Aspekten der Gebäudeleistung hin zu einer ganzheitlicheren Perspektive, mit dem Ziel, die LCA und die Lebenszykluskostenanalyse ("Life Cycle Cost Assessment" – LCCA) europaweit verstärkt einzusetzen. 
Online-Training-Material und Berechnungssoftware zu Level(s) sind beim Joint Research Center (JRC) der Europäischen Kommission in Vorbereitung, wurden aber bisher noch nicht veröffentlicht. 

OIB-Richtlinie 7: Ausblick und Zeitplan 

Die OIB-Richtlinie 7 wird sich an den europäischen Vorgaben zur Nachhaltigkeit im Gebäudesektor orientieren müssen. In erster Linie werden diese durch die Bauprodukten-Verordnung determiniert, die im Laufe des Jahres 2022 novelliert werden soll, wobei erwartet wird, dass ein starker Fokus auf der Ausgestaltung der Grundanforderung 7 und einem damit im Zusammenhang stehenden Grundlagendokument liegen wird. Auch die weitere Entwicklung der Taxonomie-Verordnung und von Level(s) werden die qualitativen Begriffsdefinitionen und die quantitativen Berechnungen für die Bewertung der Nachhaltigkeit im Gebäudesektor weiter prägen. Auf österreichischer Ebene ist eine 15a-Vereinbarung zwischen den Bundes­ländern notwendig, um die Schutzziele für eine OIB-Richtlinie 7 zu definieren. Daher kann bis zur Neuauflage der OIB-Richtlinien 1–6 im Jahre 2023 zur Grundanforderung 7 nur ein unverbindlicher Leit­faden für die Bundesländer erarbeitet werden und eine OIB-Richtlinie 7 frühestens für das Jahr 2027 angepeilt werden.
(sm)

Robert Stadler, OIB

Priv.-Doz Di. Dr. Robert Stadler

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