Diisocyanate am Bau

Schulungspflicht gilt ab 24. August 2023

Baupraxis
21.04.2023

Aktualisiert am 16.08.2023
Ab 24. August 2023 muss man eine Schulung nachweisen, wenn man Bauprodukte verwendet, die mehr als 0,1 Gewichtsprozent an Diisocyanaten enthalten. Darunter fallen zahlreiche Schäume, Lacke, Klebstoffe u.v.m. Verarbeiter*innen, die noch keine Schulung absolviert haben, sollten dies so schnell wie möglich nachholen.
PU-Schäume sind nur eine Gruppe von vielen Bauprodukten, die Diisocyanate enthalten. Bei der Verwendung und Verarbeitung dieser Produkte muss man ab 24. August 2023 eine Schulung nachweisen, wenn sie den Grenzwert von 0,1 Gewichtsprozent dieser chemischen Inhaltsstoffe übersteigen.
PU-Schäume sind nur eine Gruppe von vielen Bauprodukten, die Diisocyanate enthalten. Bei der Verwendung und Verarbeitung dieser Produkte muss man ab 24. August 2023 eine Schulung nachweisen, wenn sie den Grenzwert von 0,1 Gewichtsprozent dieser chemischen Inhaltsstoffe übersteigen.

Gesundheit geht vor, und Berufskrankheiten soll bestmöglich vorgebeugt werden. Deshalb werden das Inverkehrbringen und die Verwendung von gesundheitsgefährdenden Diisocyanaten beschränkt. Die chemischen Stoffe werden sehr vielseitig verwendet, vor allem am Bau. Insbesondere werden aus Diisocyanaten diverse Polyurethanprodukte wie PU-Schäume hergestellt. Aber auch in Klebstoffen, Lacken, Beschichtungen, Abdichtmassen und Elastomeren sind sie, in eben zum Teil gesundheitsschädlichen Mengen, enthalten. Diisocyanate können allergische Reaktionen bis hin zu Hautekzemen oder sogar Asthma auslösen. Jährlich werden in der EU geschätzt rund 5.000 Fälle von berufsbedingtem Asthma auf den Kontakt mit Diisocyanaten zurückgeführt.

Die neuen Regelungen

Produkte müssen seit 24. Februar 2022 gekennzeichnet sein.
Entsprechende Produkte müssen seit 24. Februar 2022 gekennzeichnet sein.

Um diese Erkrankungen bestmöglich zu verhindern, wurde in die REACH-Verordnung der Eintrag 74 aufgenommen, der das Inverkehrbringen und die Verwendung von Diisocyanaten in der EU, und damit auch in Österreich, beschränkt. Diese Beschränkungen können durchbrochen werden – unter Auflagen:

• Ein Inverkehrbringen ist erlaubt, wenn auf der Verpackung sichtbar getrennt von anderen Angaben des Kennzeichnungsetiketts folgender Wortlaut angebracht wird: "ab dem 24. August 2023 muss vor der industriellen oder gewerblichen Verwendung eine angemessene Schulung erfolgen." Diese Regelung gilt seit 24. Februar 2022.

• Eine Verwendung über der festgelegten Konzentrationsgrenze von < 0,1 Gewichtsprozent ist erlaubt, wenn die Anwender*innen entsprechend geschult wurden. Diese Regelung gilt ab 24. August 2023.

Was bedeutet das für Verarbeiter*innen?

Gewerbliche oder industrielle Verwender*innen bzw. Verarbeiter*innen müssen – egal ob angestellt oder selbstständig tätig – ab dem 24. August 2023 vor der Verwendung von Diisocyanaten erfolgreich eine entsprechende Schulung absolviert haben. Diese Schulung kann als Online-Schulung, als externer oder als betriebsinterner Präsenzkurs durchgeführt werden. Durchgeführt muss sie muss von Expert*innen aus dem Bereich der Arbeitssicherheit werden.
Nach abgeschlossener Schulung erhält man einen entsprechenden Nachweis und darf weiterhin Produkte verarbeiten, die Diisocyanate enthalten.

Interview: Diisocyanate – die wichtigsten Fragen und Antworten

Norbert Neuwirth von der AUVA, Abteilung Unfallverhütung und Berufskrankheitenbekämpfung, Wien, beantwortet in aller Kürze die wichtigsten Fragen zu Diisocyanaten und deren Verwendung.

Kurz erklärt: Was sind Diisocyanate?
Norbert Neuwirth: Diisocyanate sind reaktive chemische Verbindungen, die weit verbreitet in vielen Bereichen zu finden sind. Diisocyanate ergeben etwa zusammen mit speziellen Alkoholen PU-Schäume (Polyurethane).

Wie erkennt man, ob verwendete Produkte Diisocyanate enthalten?
Entweder im Sicherheitsdatenblatt in Abschnitt 3 oder am Gebinde muss, wenn die Konzentration an sogenannten Monomeren 0,1 % übersteigt, ein Hinweis zu finden sein, dass ab August 2023 spezielle Schulungen vor dem Einsatz absolviert werden müssen.

Kann man sich auf die Kennzeichnung verlassen?
Hier gilt, wie auch in sonstigen Lebensbereichen, der Vertrauensgrundsatz.

Gibt es in den einzelnen Produktgruppen ausreichend Möglichkeiten auf Produkte ohne Diisocyanate auszuweichen?
Ein Ersatz ist wahrscheinlich in vielen Bereichen sehr schwer möglich, aber die Produzenten arbeiten daran, die Konzentration an den Monomeren weiter zu reduzieren. Dies führt zu weniger Belastung der Atemluft.

Bieten Hersteller von betroffenen Produkten Schulungen an?
Die Hersteller sind verpflichtet, solche Schulungen anzubieten. Viele Hersteller vergeben schon Gratis-Zugangscodes zu einer Online-Plattform, auf der man eine Schulung absolvieren kann.

Wer muss eine Schulung absolvieren?
Jede*r berufliche Verwender*in – also nicht nur Arbeitnehmer*innen, sondern auch Selbständige – müssen diese Schulung machen, wenn sie nach dem 24. August 2023 weiterhin Diisocyanate mit einem Gehalt an mehr als 0,1 % einsetzen wollen.

Was sind die Inhalte der Schulung?
Die Inhalte sind in der Verordnung (EU) 2020/1149 geregelt und die Schulung deckt klassische Fragen einer guten Unterweisung und ein paar zusätzliche Details ab. Dazu gehören etwa: chemischen Eigenschaften der Diisocyanate; Toxizität (einschließlich akuter Toxizität); Arbeitsplatzgrenzwerte; Ursachen von Sensibilisierung; Geruch als Indikator für Gefahren; Risikorelevanz der Flüchtigkeit; Viskosität, Temperatur und Molekulargewicht von Diisocyanaten;

Wo können die Schulungen neben den Online-Angeboten der einzelnen Hersteller absolviert werden?
Die Schulungen kann man über die Online-Plattform safeusediisocyanates.eu sowie bei manchen Trägern der Erwachsenenbildung absolvieren. Die AUVA hat leider nur mehr wenig Kapazitäten für die Schulungen. Auch Sicherheitsfachkräfte, Arbeitsmediziner*innen, Sicherheitsvertrauenspersonen und sonstige Fachleute dürfen die Schulung unter bestimmten Voraussetzungen durchführen.

In welchen Abständen ist die Schulung zu wiederholen?
Die Schulung muss alle fünf Jahre durchgeführt werden.

Wer überprüft die Einhaltung der neuen Vorschriften?
Da die REACH-Verordnung in das Chemikalienrecht fällt, ist für den Vollzug die Chemikalieninspektion zuständig.

Was passiert, wenn Verarbeiter*innen ab 24. August 2023 keine Schulungsbestätigung vorweisen können oder sich nicht an die Vorschriften im Umgang halten? Wer haftet?
Verwender*innen halten sich dann nicht an eine chemikalienrechtliche Schutzvorschrift und die Strafhöhen sind im Chemikaliengesetz geregelt. Es haften die für den Betrieb Verantwortlichen.

Diisocyanate – weitere Informationen

"Diisocyanate am Bau – Leitfaden für Anwender", herausgegeben von der WKO – Geschäftsstelle Bau und Bundesinnungsgruppe Baunebengewerbe
Download

"Die neue Beschränkung von Diisocyanaten nach REACH", herausgegeben vom BMK
Infos und Download