Zukunft des Bauens

Fischer setzt auf Robotik und IoT

Was macht ein Bauprodukte-Hersteller im Silikon Valley? Welche Rolle können Dübel bei der Digitalisierung der Baubranche spielen? Und wieso braucht die Baustelle Roboter? Antworten auf diese Fragen gab es neulich bei Fischer im Waldachtal.
Der Baubot übernimmt die Bohrlocherstellung und Installation der Fischer-Befestigungs­lösungen an Decken, an Wänden und in Böden.
Der Baubot übernimmt die Bohrlocherstellung und Installation der Fischer-Befestigungs­lösungen an Decken, an Wänden und in Böden.

Die Baubranche steht am Anfang einer Transformation. Modulares Bauen, Vorfertigung, künstliche Intelligenz, Robotik, Internet of Things und vieles mehr werden das Bauen künftig maßgeblich verändern – und damit auch das Geschäftsmodell vieler Bauproduktehersteller. Um sich darauf vorzubereiten hat der Dübelspezialist Fischer bereits 2019 am Hauptstandort in Waldachtal, Deutschland, einen eigenen Innovations­campus gegründet. Ein Team von rund 40 Mitarbeitern  hat  dort die Möglichkeit, völlig frei und losgelöst vom Kerngeschäft – der Dübelproduktion – neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Inspirieren lassen will man sich dabei  vom Silicon-Valley-Mindset. "Fischer wird künftig einen Open-Innovation-Ansatz fahren", erklärt Marco Thiess, Global Head of Innovation bei Fischer.

Das Unternehmen hat 2022 erstmals die Umsatzmilliarde geknackt, circa zehn bis 15 Prozent des Ebits fließen in neue Geschäftsmodelle und Produktinnovationen. Resultate sind Start-ups wie Craftnote, eine Handwerker-App zur digitalen Baudokumentation und -organisation, oder die Softwarelösung "Fischer Construction Monitoring".

Mit intelligent vernetzten Befestigungsprodukten und der Softwarelösung Fischer Construction Monitoring will Fischer das Thema Bauwerksüberwachung voranbringen.
Mit intelligent vernetzten Befestigungsprodukten und der Softwarelösung Fischer Construction Monitoring will Fischer das Thema Bauwerksüberwachung voranbringen.

Befestigungstechnik mit intelligenten Sensoren

Mit der neuen Softwarelösung "Construction Monitoring" bietet Fischer künftig in der Befestigungstechnik integrierte und intelligente Überwachungslösungen für Bauwerke und Anlagen. Mit den sensorintegrierten Befestigungsprodukten SensorAnchor und der Unterlegscheibe SensorDisc sollen Anwender in Echtzeit Aufschluss darüber erhalten, welche anliegenden Kräfte in Befestigungen vorherrschen. Die Produkte senden dabei kabellos Daten in das Modul Construction Monitoring innerhalb des Portals "myfischer". Die Informationen lassen sich per Web-Anwendung auf dem ­Tablet, PC und Laptop oder über die Fischer-Pro-App auf dem Smartphone auslesen. "Gerade bei sicherheitskritischen Befestigungspunkten, zum Beispiel bei Seilbahnstützen, Offshore-Windrädern oder Befestigungen von Hochspannungsleitungen, bietet die Sensorik einen großen Mehrwert", erklärt Daniel Rill, Produktmanager bei Fischer. Man könne damit nicht nur versteckte Mängel erkennen, sondern auch die Wartung besser und damit wirtschaftlicher planen. Werden eigens gesetzte Kraft-Schwellenwerte über- oder unterschritten, erfolgt eine Sofortbenachrichtigung per Push-Nachricht. Gesetzlich vorgeschriebene Wartungsintervalle kann die Software allerdings noch nicht ersetzen. "Hier muss sich erst mal die Technologie etablieren, bis dann auch Normen und Gesetzgeber nachziehen. Es wird sich zeigen, wann das soweit sein wird", so Rill.

Megatrend Robotik

Fischer- Österreich-Geschäftsführer Christian Greicha und Eigentümer Klaus Fischer präsentieren stolz den ersten Fischer-Bohr-und-Befestigungs- Roboter Baubot.
Fischer-Österreich-Geschäftsführer Christian Greicha und Eigentümer Klaus Fischer präsentieren stolz den ersten Fischer-Bohr-und-Befestigungs- Roboter Baubot.

Ein anderer Zukunfts-Megatrend, den Fischer ab sofort mitgestalten will, ist das Thema Robotik. Gerade bei repetitiven Arbeiten wie zum Beispiel beim Bohren einer großen Anzahl an Löchern könne Robotik den Menschen deutlich entlasten, erklärt Christian Greicha, Geschäftsführer von Fischer Austria. International machte man sich auf die Suche nach einem passenden Technologiepartner und wurde in Wien fündig. Bereits 2021 machte das Start-up Baubot, das 2017 von den TU-Studenten Herwig Hengl und Saban Keskin gegründet wurde, auf sich aufmerksam, als es mit seinem Roboter direkt auf der Baustelle Betonpflastersteine druckte. Seit 2022 hält Fischer eine Mehrheitsbeteiligung an dem österreichischen Start-up. Das Ergebnis der Zusammenarbeit ist Fischers Bohr- und Befestigungsroboter Baubot, der neben der vollautomatischen Bohrlocherstellung auch die Installation der Befestigungslösungen übernehmen soll. Besonders bei Großprojekten mit vielen Bohrungen wie z. B. im Bereich des Tunnelbaus oder der Brückensanierungen soll der Baubot künftig seine Stärken ausspielen. Bei einem Pilotprojekt in einem Tunnel soll der 1,2-Tonnen-Roboter so viele Löcher mit Dübeln versehen haben wie fünf Bauarbeiter in derselben Zeit. "Oft ist ja die Sorge, dass Roboter den Menschen Arbeitsplätze wegnehmen. Aber am Bau fehlen diese Arbeitskräfte erstens sowieso, und zweitens können die Arbeiter dank des Baubots in der Zwischenzeit anspruchsvollere und körperlich weniger belastende Aufgaben übernehmen", betont Greicha.

Baubot für Boden, Wand und Decke

Mit einer Reichweite von über drei Meter Radius und fünf Meter Höhe kann der Roboter bei Boden, Wand und Deckenanwendungen eingesetzt werden. Die ­Basis der Bohrlochplanung ist ein BIM-Modell. "Die Datenqualität des Modells ist entscheidend. Deshalb übernehmen wir die Modellierung selbst", erklärt Baubot-Geschäftsführer Herwig Hengl. So wird der komplette Prozessablauf des Roboters, vom Verfahrweg der Plattform bis zum Bewegungsablauf des ­Roboterarms, vorab simuliert.

In der Bauausführung bohrt der Baubot selbstständig, präzise und schnell alle geplanten Bohrpunkte. Position, Durchmesser und Tiefe der Bohrlöcher sind im BIM-Modell definiert. Der Bohrerwechsel zwischen unterschiedlichen Durchmessern und bei auftretendem Verschleiß soll vollautomatisch funktionieren, genauso das zulassungskonforme Reinigen der Bohrlöcher mittels einer Absaugvorrichtung. Nach der Bohrlochreinigung wird das Bohrloch markiert, sodass es den einzelnen Gewerken zuordenbar ist. Im letzten Schritt entnimmt der Baubot die ausgewählten Anker aus dem mitgeführten Magazin und bringt diese zulassungskonform in den Untergrund ein. Derzeit sind Bolzenanker im Durch­messer zwischen M6 und M16 sowie Einschlaganker im Durchmesser zwischen M6 und M12 realisierbar. "Die Bohr- und Setzdaten werden dokumentiert und im BIM-Modell zur späteren Nachverfolgung hinterlegt", erklärt Hengl.

Als Fullservicepaket erhältlich

Der Baubot wird 2023 in den Niederlanden, Deutschland und Österreich gelauncht. "Gespräche für die ersten Praxiseinsätze in Österreich gibt es bereits", berichtet Christian Greicha von Fischer. In der ersten Phase wird der Roboter als Fullservicepaket – angefangen bei der Planung über die Ausführung bis hin zu Dokumentation – angeboten, mittelfristig ­sollen auch klassisch Miete und Verkauf das Geschäfts­modell ergänzen. Das aktuelle Baubot-Modell kann das gesamte Leistungsspektrum von Decke, Wand und Boden abdecken, künftig seien aber auch "abgespecktere" Modelle für einzelne Anwendungsbereiche angedacht, so der Fischer-Austria-Geschäftsführer.

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