Grüner Markt Wien: Großzügige Flächen mit Fernblick

Bauzustand
20.05.2019

 
Das Projekt Grüner Markt nimmt Gestalt an. In wenigen Monaten werden die ersten Bewohner in das geschwungene Gebäude mit viel Licht und zahlreichen Außenflächen einziehen. von Karin Bornett

In der Maria-Lassnig-Straße 32 im ­Wiener Sonnwendviertel wird zurzeit eifrig gebaut. Hier entstehen Wohn- und Gewerbeflächen, die vor allem durch die großzügige Raumplanung hohe Lebensqualität bieten sollen. Sandbichler Architekten planten ein sogenanntes Quartiershaus, das gemäß Ausschreibung mehr bieten muss, als nur ein reines Wohnhaus zu sein. So war es eine Anforderung, dass das Quartiershaus die Gegend belebt, zum Beispiel mit Gewerbeflächen. Die Idee für den Grünen Markt war geboren. Ursprünglich sollte hier eine Aquaponic-Anlage einziehen, und die darin gezüchteten Fische sollten in der Markthalle feilgeboten werden. Daraus wurde jedoch nichts. Aus verschiedenen Gründen sprangen die Betreiber der Aquaponic-Anlage ab, und das Konzept musste etwas abgeändert werden. Die Grundkonstruktion aber blieb, und so wird nun in der ursprünglichen Markthalle eine Werkstatt für Menschen mit besonderen Bedürfnissen ihre neue Heimat finden. Abgesehen davon wird eine ­Montessori-Schule hier ihre Pforten öffnen, ein Co-Creation-Space und ein Architekturbüro Platz finden sowie fast 50 Wohneinheiten entstehen.

Viel Platz für Gemeinschaft

Die derzeit aus 62 Erwachsenen sowie 32 Kindern und Jugendlichen bestehende Baugruppe „Wohnen im Grünen Markt“ realisiert mit diesem Haus ihren Traum von Gemeinschaft. Immerhin stehen 380 Quadratmeter Gemeinschaftsräume zur Verfügung. Es wird eine große Gemeinschaftsküche, Kinderspielzimmer, Kaminzimmer, Sauna, einen Ruhe- und Yogaraum, Fahrradgarage, Werkstatt, Bibliothek und Kreativraum geben. Außerdem werden zwei großzügige Dachterrassen im 4. und im 8. Stock mit insgesamt 750 Quadratmetern nicht nur einen fantastischen Ausblick über die Stadt, sondern auch zusätzliche Freizeit- und Aufenthaltsflächen für die gemeinsame Nutzung bieten. Die Dachterrassen wurden von idealice Landschaftsarchitektur geplant. Die längste, Richtung Bahn gerichtete Seite des Gebäudes durfte laut Widmung keine Wohnungen beinhalten. Hier finden deshalb nun die gewerblich genutzten Flächen ihren Platz. Die Wohnungen selbst sind alle so ausgerichtet, dass sie immer über Fenster in zwei Himmelsrichtungen verfügen; So wurden alle Wohnungen mit möglichst viel Tageslicht geplant. Auch die Gänge beziehungsweise Galerien werden dank großzügiger Glasfassade in Richtung Osten mit Tageslicht durchflutet. Die „Scala Publica“ dient als Veranstaltungsbereich und Treffpunkt. Deren Sitztreppen erstrecken sich über vier Stockwerke. „Es ist wie ein Auditorium und kann für Open-Stage-Abende genutzt werden ebenso wie für Vorträge oder Besprechungen“, erklärt Architekt Bruno Sandbichler.

Stahlbeton industriellen Charmes

Das Gebäude selbst fällt mit seinen geschwungenen Formen ins Auge und besteht quasi aus zwei Baukörpern – einem acht- und einem vierstöckigen. Sandbichler: „Es ist ein typisches Merkmal des Sonnwendviertels, dass hier in verschiedenen Höhen gebaut werden darf. Das wollten wir optimal nützen und die starren Formen üblicher Wohnbauten aufbrechen. Deshalb auch die abgerundete Form der Baukörper.“ Das Gebäude ist eine Stahlbeton-Konstruktion, wobei Fassade und Gangtrennwände tragend sind. Die Wohnungen sind dadurch frei einteilbar und wurden individuell auf die Bedürfnisse der jeweiligen Bewohner zugeschnitten. Alle Wohneinheiten in dem Niedrigstenergiegebäude verfügen über ein kontrolliertes Lüftungssystem und Fußbodenheizung. Die Innenausstattung des Hauses wird viel schalreinen Beton zeigen, denn „wir wollten einen industriellen Charme in den Grünen Markt bringen“, sagt Sandbichler. Die innen weiß lasierten Holzfenster sind mit Schallschutz ausgestattet, sodass der Bahnverkehr möglichst wenig stört. Ein Vorteil der Gleise: Die Sicht kann so schnell nicht verbaut werden. Die Fassade zeigt viel Weiß und Glas. So ist ein Teil mit weißem Silikatputz versehen, und 1.300 Quadratmeter bestehen aus Pfosten-Riegel-Fassaden mit großzügigen Glasflächen. Gedämmt wurde aus Kostengründen mit recycelbarem EPS. Der Vorfertigungsgrad ist bei dem Projekt aus statischen Gründen relativ gering. Ein Teil der Wände und Balkonplatten wurde vorgefertigt. Jede einzelne Wohnung verfügt über einen Balkon in der Größe zwischen zehn und 17 Quadratmeter. Die Wohnungen sind zwischen 30 und 120 Quadratmeter groß. Die größeren Einheiten sind teilweise auch teilbar, wenn sich die Familiensituation verändert. Der Architekt wird übrigens auch selbst im Grünen Markt eine Wohnung beziehen.

Aufgebrochene Massivität

Die Gesamtgrundstücksfläche beträgt 2.098 Quadratmeter, davon wurden 1.586 Quadratmeter verbaut. Die dreigeschoßige Halle und der eingezogene Eingangshof strukturieren den Grundriss des Gebäudes. Die Wohnungen orientieren sich in Richtung Fußgängerzone. „Mit den zwei Baukörpern wird die Massivität aufgebrochen. Vor dem niedrigen Teil öffnet sich ein Platz, der zum Treffpunkt werden soll“, sagt Sandbichler. „Der Doppelschwung der Fassade ermöglicht eine maximale Fassadenlänge und gleichwertige Belichtung für alle Wohnungen.“ Das gesamte Haus ist barrierefrei gestaltet – teilweise über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehend. Das Dach der Gemeinschaftsräume im 4. Obergeschoß hält die notwendigen Anschlüsse bereit, um in Zukunft eine Photovoltaik-Anlage installieren zu können, und die Garage mit 19 Pkw-Stellplätzen kann bei Bedarf mit Elektro-Ladesäulen ausgestattet werden. Beheizt wird der Grüne Markt mit Fernwärme. Vor allem die Halle, in der die Werkstatt für Menschen mit Behinderungen einziehen wird, ist sehr transparent gehalten. Auch im Co-Creation-Space trifft die großzügige Glasfassade auf besonders hohe Decken. Sandbichler: „Die gewerblich genutzten und gemeinschaftlichen Bereiche bilden ein zusammenhängendes Raumkontinuum. Von den Außenbereichen, offenen Foyers und Hallen im Erdgeschoß über die Scala Publica bis auf die Dachterrasse können Bewohner und Besucher diese transparent gestalteten Bereiche einsehen und miterleben.“ Dabei ist der Wohnbereich durch ein eigenes Stiegenhaus und einen separaten Eingangsbereich zugänglich. 

PROJEKTDATEN

Grüner Markt
Maria-Lassnig-Straße 32, 1100 Wien

Bauträger Neues Leben Gemeinnützige Bau-, Wohn- und ­Siedlungsgenossenschaft Reg. Gen.mbH
Architektur sandbichler architekten ZT Gmbh
Freiraumgestaltung idealice technisches Büro für Landschaftsarchitektur
Wettbewerb 2015
Planungsbeginn 2015
Baubeginn November 2017
geplante Fertigstellung  Sommer 2019
Planungs-und Baukoordination  PBSW planen bauen siedeln wohnen Errichtungs­gesmbH.
Statik Dr. Karlheinz Hollinsky & Partner ZT Gmbh
Soziologie Reality Lab – media design and research
Bauphysik Ingenieurbüro für Bauphysik Christian Jachan GmbH & CoKG
Brandschutz iFSS intelligent FireSaeftySolutions e.U.
HKLS + Elektro teamgmi Ingenieurbüro GmbH
Regenwasserversickerung Dipl.-Ing. Schattovits ZT GmbH für Kulturtechnik und Wasserwirtschaft
Hauskanal G. Hinteregger & Söhne Bau GmbH-
Niederlassung Wien Tiefbau
Generalunternehmer DYWIDAG
Konstruktionsart Stahlbeton
Grundstücksgröße 2.098 m²,
davon verbaut: 1.586 m²
Anzahl der Geschoße EG + 4 Geschoße im ­niederen Teil und
EG + 8 Geschoße im Turm
Baukosten netto: 10,4 Mio. €

ARCHITEKTEN

sandbichler architekten zt gmbh

Bruno Sandbichler, geb. 1961 in Tirol.
Studium der Architektur an der Akademie der bildenden ­Künste in Wien, Meisterklasse Timo Penttilä. Seit 1989 selbstständig als Architekt in Tirol und ab 2000 in Wien tätig, von 1995 bis 2012 in Partnerschaft mit Feria Gharakhanzadeh. 

Auszeichnungen (Auswahl):
2011 Tiroler Sanierungspreis -
1. Preis für hervorragende Sanierungsleistung ­Umbau Altenheim Landeck
2010 Biennale de l’Habitat Durable Grenoble -
Preis für nachhaltige Sanierung Umbau Altenheim Landeck
2008 Rondo Seat Art Award, bene Büromöbel Wien -
1. Preis für den Animationsfilm „BEN E.“ 
2005 BTV-Bauherrenpreis für Tirol und Vorarlberg  -
Anerkennungspreis Transformation Umbau Altenheim Landeck
2000 Österr. Staatspreis für Tourismus und Architektur, BmfWA -
An- und Umbau Haus M. Wechselberger, Lanersbach
1999 BTV-Bauherrenpreis für Tirol und Vorarlberg -
Anerkennungspreis Schul- und Sportanlage Dr. Posch, Hall in Tirol und für Haus Heim, Buch bei Jenbach

Branchen
Architektur